OGH 3Ob242/12b

OGH3Ob242/12b20.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. M*****, vertreten durch Kopp ‑ Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 3. Oktober 2012, GZ 22 R 299/12t‑12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 12. Juli 2012, GZ 23 C 1/12x‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00242.12B.0220.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 299,57 EUR (darin 49,93 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagte ist (die einzig verbliebene) Mieterin im Haus ***** in *****; Mietgegenstand ist die 52 m 2 große Wohnung Nr 4 im 1. Obergeschoss des Hauses samt Holzlage, Dachboden- und Gartenmitbenützung.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2006 erteilte der Magistrat Salzburg, Bau‑ und Feuerpolizeiamt, die Bewilligung für den Abbruch des Hauses. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 wurde neuerlich die Bewilligung für den Abbruch des Objekts erteilt, unter anderem mit der Auflage, die nördliche Abschlussmauer im vollen Umfang zu erhalten.

Das zweigeschossige Wohnhaus mit insgesamt fünf Einliegerwohnungen und einer unstrittigen Gesamtnutzfläche von 245 m² wurde im 19. Jahrhundert in Massivbauweise errichtet. Der gesamte Lastabtrag des Objekts erfolgt derzeit über Holzpfähle. Der Grundwasserstand liegt in einer Tiefe von 80 cm unter der Geländeoberkante. Das Objekt befindet sich zur Gänze in einem ‑ vom Erstgericht näher beschriebenen ‑ baufälligen Zustand, ist aber nach Durchführung von Sofortmaßnahmen nicht (mehr) akut einsturzgefährdet. Die Bauwerkspfahlgründung ist in ihrer inneren und äußeren Tragfähigkeit nicht ausreichend standsicher und es besteht Setzungsgefahr. Jeweils an den Übergängen zwischen dem Hauptgebäude und den Zubauten zeichnen sich im Fassadenputz und Mauerwerk klaffende, teilweise bereits sanierte, jedoch wieder geöffnete Risse mit einer Breite von bis zu 15 mm ab. Sämtliche Außenwände sind aufgrund der aufsteigenden Feuchtigkeit aus dem Grundwasser stark durchfeuchtet.

Um das Objekt auf den aktuellen Stand im sozialen Wohnbau, das ist die unterste Ausstattungskategorie für ein Wohnhaus, die die Wohnbauträger erreichen müssen und die auch erforderlich ist, um allfällige Förderungen zu bekommen, zu bringen, ist sowohl eine statische als auch eine bautechnische Sanierung des Hauses notwendig, wofür im Einzelnen vom Erstgericht dargestellte Maßnahmen erforderlich sind.

Vor einer entsprechenden Gesamtsanierung des Hauses ist es jedenfalls nicht möglich, weitere Wohnungen zu vermieten.

Die Durchführung dieser Arbeiten kostet zumindest 414.000 EUR (= ca 500.000 EUR brutto). Würde man die von der Gekündigten derzeit bewohnte Wohnung nicht komplett sanieren, sondern nur hinsichtlich der unbedingt notwendigen Arbeiten an der Dachkonstruktion, den Fenstern und der Fundamentabdichtung in die Sanierung miteinbeziehen, so ergibt sich ein Kostenaufwand von zumindest 370.875 EUR netto (= 445.050 EUR brutto).

Zu den oben angeführten Kosten kommen noch die Kosten für die Bereitstellung einer Ersatzwohnmöglichkeit für die Beklagte während der Dauer jener Sanierungsmaßnahmen, die eine vorübergehende Unbewohnbarkeit des Objekts in der Dauer von etwa einem halben Jahr nach sich ziehen. Insgesamt muss ab der Bauantragstellung mit einer Gesamtbauzeit (inklusive Planung und Ausschreibung der Arbeiten) von rund eineinhalb Jahren gerechnet werden.

Der Sanierungskostenaufwand könnte sich noch erheblich, nämlich bis zum Doppelten der oben angeführten Summen, erhöhen, falls sich während der Bauarbeiten herausstellt, dass noch mehr oder umfangreichere Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind. Es ist beim Umbau von Althäusern grundsätzlich nie möglich, die voraussichtlichen Kosten vorher genau abzuschätzen. Die massive Kostenerhöhung in diesem Fall liegt (auch) darin begründet, dass die bereits beauftragten Bauunternehmen bei Abweichungen von der ursprünglichen Ausschreibung die Mehrleistungen ohne Konkurrenzdruck anbieten können bzw nach tatsächlichem Aufwand abrechnen.

Aus bautechnischer Sicht ist nur eine Gesamtsanierung sinnvoll. Für eine nicht nur die unterste Ausstattungskategorie bietende Sanierung wäre ein Kostenaufwand von rund 1,2 Mio EUR erforderlich, während der Abbruch und Neubau des Objekts lediglich rund die Hälfte kosten würde. Bereits die vom Zwangsverwalter vor Jahren in Aussicht genommenen Sanierungsmaßnahmen in der Größenordnung von 246.000 EUR waren unter Berücksichtigung einer (damals noch vorhandenen) Mietzinsreserve von rund 76.000 EUR und einem so errechneten Finanzierungsaufwand von 170.000 EUR nicht finanzierbar.

Nicht nur der Gesamtsanierungsaufwand, sondern auch die Durchführung der konkret mit Sachbeschluss dem Zwangsverwalter aufgetragenen Erhaltungsarbeiten ist unfinanzierbar. Daher wurde die Zwangsverwaltung mit Sachbeschluss vom 20. April 2010 gemäß § 6 Abs 3 Z 2 MRG rechtskräftig eingestellt (siehe 5 Ob 3/11v).

In einem beim Erstgericht anhängigen Msch‑Verfahren wurde mit Beschluss vom 2. Februar 2012 die vom Zwangsverwalter gelegte Schlussrechnung über die Verwaltung der Liegenschaft für den Zeitraum von 27. Februar 2008 bis zur Rechtskraft der Einstellung des Verfahrens (23. Mai 2011) genehmigt. Nach Abzug der Belohnung des Verwalters verblieb ein Restbetrag von 66.437,36 EUR, wovon über ausdrücklichen übereinstimmenden Antrag der Parteien bereits 53.239,48 EUR an die hier Beklagte zur Auszahlung gebracht wurden. Betreffend den restlichen Betrag von 13.197,88 EUR wurde dem Zwangsverwalter aufgetragen, diesen Restbetrag zuzüglich allfällig bis dahin aufgelaufenen Zinsen an die Beklagte auszufolgen. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit der am 4. Jänner 2012 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung kündigte der Kläger als nunmehriger Eigentümer der Liegenschaft das Mietverhältnis gemäß § 30 Abs 2 Z 14 MRG auf.

Nachdem die Beklagte gegen die Bewilligung der Aufkündigung fristgerecht Einwendungen erhoben hatte, sprach das Erstgericht mit Zwischenurteil aus, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund ‑ vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung ‑ gegeben sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Aufkündigung aufgehoben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr in eventu nicht Folge zu geben.

Das Revisionsvorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass der herangezogene Kündigungsgrund (§ 30 Abs 2 Z 14 MRG) nicht mit den Gründen für die Einstellung einer Zwangsverwaltung (§ 6 Abs 3 Z 2 MRG) ident sei. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG setze eine Prüfung voraus, in welcher Höhe in Zukunft, nämlich im Verfahren nach §§ 18, 19 MRG, künftige Mietzinse verlangt werden müssten, um die Erhaltung zu finanzieren. Erst wenn feststehe, dass solche Mietzinse realistischerweise nicht erzielbar seien, sei der Tatbestand der wirtschaftlichen Abbruchreife gegeben. Eine solche Prüfung habe aber nicht stattgefunden. Der Kläger habe auch keine Angaben zur vorhandenen Mietzinsreserve gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob die wirtschaftliche Abbruchreife bereits dann zu bejahen sei, wenn die zur Durchführung der vom Gericht aufgetragenen Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten eingeleitete Zwangsverwaltung wegen Unfinanzierbarkeit gemäß § 6 Abs 3 Z 2 MRG eingestellt werden musste, stellt sich nicht, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG auch unter Außerachtlassung der Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens jedenfalls erfüllt sind:

1. Zutreffend ist, dass der Vermieter gemäß § 33 Abs 1 zweiter Satz MRG in der gerichtlichen Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen hat; andere Gründe kann er im Verfahren nicht geltend machen. Die ziffernmäßige Bezeichnung des Kündigungsgrundes genügt, wenn die betreffende Ziffer ‑ wie hier ‑ nur einen Tatbestand aufweist (3 Ob 20/09a; RIS‑Justiz RS0069069). Ein Verstoß gegen die Eventualmaxime liegt daher nicht vor.

2. § 30 Abs 2 Z 14 MRG setzt ‑ neben einer im Anlassfall vorliegenden baubehördlichen Abbruchbewilligung und der ebenfalls angebotenen Ersatzbeschaffung ‑ voraus, dass die ordnungsgemäße Erhaltung des Miethauses aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwands zulässig erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit noch auf Dauer sichergestellt werden kann.

3. Auch letztere Tatbestandsvoraussetzung ist ausgehend von den Feststellungen zu bejahen:

3.1. Dass keine Mietzinsreserve besteht, ergibt sich aus den Feststellungen über das Zwangsverwaltungsverfahren.

3.2. Unstrittig ist die Vollanwendbarkeit des MRG. Daraus resultiert aber, dass die fünf Wohnungen im Haus mit einer Gesamtnutzfläche von 245 m² und Wohnungsgrößen von jeweils unter 130 m² (vgl ON 100 in 18 Msch 19/04x des Erstgerichts) den Zinsbildungs-vorschriften des MRG und somit insbesondere dem RichtWG (§ 16 Abs 2 MRG) unterliegen.

3.3. Unter Berücksichtigung der Unbenützbarkeit der Wohnungen während der Bauzeit von 18 Monaten und der Unbenützbarkeit der Wohnung der Beklagten für sechs Monate müsste daher, selbst wenn unter Vernachlässigung von Sanierungskosten für die Wohnung der Beklagten nur der Minimalfinanzierungsbedarf von 370.875 EUR netto zugrundegelegt wird, für die Dauer von achteinhalb Jahren nach Beendigung der Bauzeit (bzw in Ansehung der Wohnung der Beklagten für neuneinhalb Jahre) insgesamt ein durchschnittlicher Nettohauptmietzins von rund 14,50 EUR pro m² Nutzfläche am Markt nicht nur erzielbar sein, sondern auch zulässig vereinbart werden können, damit die Finanzierung sichergestellt wäre. Dabei sind Finanzierungskosten, Ersatzwohnungskosten und die festgestellte Möglichkeit von Kostensteigerungen nicht einbezogen.

3.4 Ausgehend vom derzeit aktuellen Richtwert für das Bundesland Salzburg von 7,12 EUR pro m² Nutzfläche in Verbindung mit dem Umstand, dass bei einer Sanierung um diesen Betrag die Wohnungen nur der untersten Ausstattungskategorie nach dem aktuellen Stand im sozialen Wohnbau entsprechen würden, ist als notorisch anzusehen, dass ein Mietpreis von 14,50 EUR pro m² Nutzfläche nicht den gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften entspricht.

4. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihre Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienten (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]) und von der Beklagten zu ersetzen sind.

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