OGH 12Os138/12d

OGH12Os138/12d31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pausa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes P***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johannes P*****, Constantin H*****, Matthias R*****, Marcel Ha*****, Helmut M***** und Alexander O***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 19. Jänner 2012, GZ 143 Hv 92/10p-732, sowie die Beschwerde des Angeklagten Matthias R***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthaltenden - Urteil wurden Johannes P*****, Constantin H*****, Matthias R*****, Marcel Ha*****, Helmut M***** und Alexander O***** jeweils des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 21. Mai 2009 in W***** wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge, die darauf abzielte, dass unter ihrem Einfluss Körperverletzungen (§§ 83, 84 StGB) begangen werden, teilgenommen, indem sie sich einer hundert Personen jedenfalls überschreitenden Gruppe von Fans des SK Rapid Wien, die auf eine Auseinandersetzung am W***** mit rivalisierenden Fans des FK Austria Wien bzw mit den einschreitenden Exekutivbeamten ausgerichtet war, anschlossen, bei der Exekutivbeamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten am Körper

1./ verletzt wurden, und zwar

a./ Klaus K***** durch den abgesondert verurteilten Thomas Ri*****, indem ihm dieser entgegen sprang und einen Fußtritt versetzte, wodurch Klaus K***** eine Schulterprellung und Schulterzerrung erlitt;

b./ Marcus S*****, indem ein unbekannter Teilnehmer eine Tabasco-Flasche nach ihm schoss und ihn am Helm traf, wodurch S***** eine leichte Zerrung der Nackenmuskulatur erlitt;

2./ zu verletzen oder an der Gesundheit zu schädigen versucht wurden, und zwar

a./ Markus Z*****, indem der abgesondert verurteilte Christopher N***** einen Metallmistkübel gegen ihn schleuderte und ihn am Körper traf;

b./ Markus Z*****, indem der abgesondert verurteilte Jakub C***** einen Metallmistkübel gegen ihn schleuderte und ihn am Körper traf;

c./ Matthias F*****, indem ihm der abgesondert verurteilte Robert Re***** einen gezielten Fußtritt versetzte;

d./ nicht feststellbare Exekutivbeamte, indem der abgesondert verurteilte Lukas St***** mit der Schnalle seines Hosengürtels in Richtung der einschreitenden Exekutivbeamten peitschte, diese jedoch verfehlte;

e./ nicht feststellbare Exekutivbeamte, indem der abgesondert verurteilte Alexander Pr***** zwei Bierflaschen nach ihnen warf;

f./ Günther Ka*****, indem der abgesondert verurteilte Manuel Ne***** eine Bierflasche nach ihm warf, ihn jedoch verfehlte;

g./ nicht feststellbare Exekutivbeamte, indem der abgesondert verurteilte Thomas Ro***** ihnen Schläge und Fußtritte versetzte;

h./ Richard T*****, indem der abgesondert verurteilte Michael B***** ihm Faustschläge versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten Johannes P***** und Constantin H***** aus Z 9 lit a, vom Angeklagten Matthias R***** aus Z 3, 4, 5 und 9 lit a, vom Angeklagten Marcel Ha***** aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10a sowie von den Angeklagten Helmut M***** und Alexander O***** aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zu den in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Johannes P***** und Constantin H*****:

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ausführt, die erstgerichtliche Feststellung, wonach keiner der beiden bloß aus Neugier zugesehen habe, erweise sich als „verfehlt und unhaltbar“, wird sie den Erfordernissen gesetzmäßiger Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes nicht gerecht. Diese hat nämlich das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0118415, RS0116565).

Die Ausführungen der Nichtigkeitswerber, neugieriges Zusehen erfordere „angesichts der Tatörtlichkeit geradezu zwingend, sich durch relativ nahe Annäherung an den Tatort erst freie Sicht auf das Geschehen zu verschaffen“, weshalb „nicht im Umkehrschluss aus dieser Annäherung geschlossen werden“ könne, „es müsse an der (den Tatbestand ausschließenden) Neugier mangeln“, richten sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Das weitere Vorbringen (inhaltlich Z 5 vierter Fall), das Schöffengericht hätte nicht begründet, warum die Angeklagten das Geschehen nicht aus bloßer Neugier beobachteten, übergeht die ausführliche, sich mit diesen Einlassungen auseinandersetzende Urteilsbegründung (US 51 ff, 79 f und 113 ff).

Bei der Kritik, den beiden Angeklagten werde im Ergebnis ihre bloße körperliche Anwesenheit am Tatort angelastet und dem Rechtsbegriff der „Teilnahme“ unterstellt, ignorieren die Nichtigkeitswerber neuerlich die erstgerichtlichen Konstatierungen (US 40 ff).

Die weiteren Ausführungen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), es fehlten Feststellungen betreffend die Begehung weiterer Gewalttaten (nämlich über die gerade beobachteten hinaus) „auf Vorsatzebene“, lassen eine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen (RIS-Justiz RS0116565; vgl demgegenüber Jerabek in WK² § 91 Rz 11; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 91 Rz 16).

Warum Feststellungen darüber erforderlich sein sollten, „wo genau die Grenze anzusetzen ist, hinter welche sich die Angeklagten hätten zurückziehen müssen, um gerade nicht mehr Teil dieser Menge zu sein“, legt die Rechtsrüge nicht dar. Die Behauptung, „mehrfaches Entfernen und sofortiges Wiederzusammenrotten innerhalb von nicht einmal drei Minuten“ sei „begrifflich bereits vom objektiven Tatbestand her lebensfremd, ganz zu schweigen von der subjektiven Tatseite“, verfehlt den (auf der Sachverhaltsebene) im von den Tatrichtern festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Weiters führt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) aus, es müsse „zumindest im Zweifel für die Angeklagten davon ausgegangen werden, dass der erforderliche Kausalzusammenhang im Rechtssinn nicht mehr gegeben ist, wenn die Tatfolge (verletzte Polizisten) vom ursprünglichen Ziel der Zusammenrottung wie vom Erstgericht angenommen (verletzte Austria-Fans) derart erheblich abweicht“. Damit verkennt sie einerseits, dass eine angebliche Verletzung des „Zweifelsgrundsatzes“ (in dubio pro reo) niemals eine materiellrechtliche Nichtigkeit nach sich ziehen kann (RIS-Justiz RS0099756, RS0098325). Andererseits behauptet die Rechtsrüge ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz, dass „irgendeine Körperverletzung“, wenn auch unter dem Einfluss der Menschenmenge, zur „Tatbildverwirklichung“ nicht ausreiche (vgl dazu im Übrigen Jerabek in WK² § 91 Rz 9; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 91 Rz 13; Lewisch, AnwBl 1990, 690; Plöchl in WK² § 274 Rz 9 ff).

Warum sich die Wissentlichkeit der Angeklagten auch auf „den letztlich eingetretenen Erfolg“ beziehen müsse, womit das Erfordernis tatsächlicher Gewaltanwendung nicht als objektive Bedingung der Strafbarkeit (Fabrizy, StGB10 § 274 Rz 3; Plöchl in WK² § 274 Rz 9 ff, jeweils mwN), sondern als Tatbildmerkmal anzusehen wäre, erklärt die sich in einer bloßen Behauptung erschöpfende Rechtsrüge ebenfalls nicht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Matthias R*****:

Den Nichtigkeitsgrund der Z 3 erblickt der Beschwerdeführer in der Verletzung der Bestimmung des § 221 Abs 2 StPO durch Verkürzung der achttägigen Vorbereitungsfrist, weil ihm entgegen seinem vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Herstellung und Ausfolgung einer Kopie der sichergestellten Videoaufzeichnungen diese nicht übermittelt worden sei. Dabei übersieht er jedoch, dass gemäß § 221 Abs 2 StPO nur die nicht rechtzeitige Vorladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung unter Nichtigkeitssanktion steht (vgl RIS-Justiz RS0124393; Danek, WK-StPO § 221 Rz 9).

Soweit sich das diesbezügliche Vorbringen der Verfahrensrüge „hilfsweise“ auf Z 4 stützt, geht sie schon im Ansatz fehl, weil die Stellung eines darauf abzielenden Antrags in der Hauptverhandlung nicht einmal behauptet wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 310).

Warum angesichts des Umstands, wonach die Staatsanwaltschaft insgesamt „lediglich“ 86 Personen wegen Teilnahme an der gegenständlichen Zusammenrottung angeklagt hatte, wovon einzelne freigesprochen wurden, das Tatbildmerkmal einer Menschenmenge (vgl dazu Plöchl in WK² § 274 Rz 3) nicht erfüllt sein sollte, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht nachvollziehbar dar. Ebenso bleibt offen, weshalb Konstatierungen dazu, „welche konkreten Personen“ der Menschenmenge zuzuordnen waren, erforderlich sein sollten.

Indem der Angeklagte unter Berufung auf den „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) ausführt, die erforderliche Mindestanzahl von Personen für die Annahme einer Menschenmenge wäre nicht erfüllt, wird kein Begründungsfehler (Z 5) aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162) und ebensowenig materielle Nichtigkeit (Z 9 lit a) gesetzmäßig zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0099756, RS0098325).

Insoweit der Rechtsmittelwerber bestreitet, gewusst zu haben, dass die Zusammenrottung der Menschenmenge auf die Begehung eines Gewaltdelikts unter ihrem Einfluss abzielte, übergeht er die diesbezüglichen Konstatierungen des Schöffengerichts (US 40, 44) und verfehlt somit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810). Weshalb die Feststellung, wonach jeder der Teilnehmer, „somit auch die genannten Angeklagten“ (US 44), womit sich das Erstgericht auch auf Matthias R***** bezog (US 40), um das Ziel der Menschenmenge wusste, undeutlich (insofern Z 5 erster Fall) oder nicht ausreichend (Z 9 lit a) sein sollte, legt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht dar.

Wenn der Nichtigkeitswerber ausführt (inhaltlich Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe die Wahrnehmung der Gewalttaten durch ihn zu seinen Lasten schlicht vermutet, betreffend die Feststellungen zur Wissentlichkeit liege „nur eine Schlussfolgerung“ vor, geht er von der falschen Prämisse aus, dass bei der Beweiswürdigung logisch zwingende Schlüsse erforderlich wären (RIS-Justiz RS0099535; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449).

Mit dem Verweis auf seine Verantwortung, wonach die teilweise Bedeckung seines Gesichts mit Sonnenbrille und Halstuch lediglich vor einer Identifizierung durch Austria-Fans sowie vor allfälligen Fotoaufnahmen schützen sollte, zeigt der Angeklagte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht auf (vgl US 81 ff), sondern bekämpft lediglich - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung - die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt, indem sie die erstgerichtlichen Konstatierungen zur Wissentlichkeit (US 44) vernachlässigt. Sie verfehlt damit eine prozessordnungskonforme Ausführung.

Weiters führt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs, die sich auf die im Vergleich zur österreichischen Rechtslage anders gestaltete Bestimmung des Landfriedensbruchs nach § 125 dStGB bezieht, aus, dass nach historischer Interpretation mit dem Tatbestand des § 274 StGB als „Staatsschutzdelikt“ nur „das Bestehen des Staates, seiner Organe sowie die Staatsgewalt gesichert“ werden sollte, also nur Sachverhalte wie die Progrome vom November 1938 als Landfriedensbruch zu qualifizieren seien und nach dem Willen des historischen Gesetzgebers mit dieser Strafnorm nicht das Verhalten rivalisierender Sport- bzw Fußballfans kriminalisiert werden sollte. Damit übergeht die Beschwerde die Konstatierungen zur zum Schuldspruch erfassten Gewalt gegen Exekutivorgane.

Im Übrigen lässt diese Argumentation die Erwägungen des österreichischen Gesetzgebers außer Betracht, wonach mit § 274 StGB ein „allgemeiner Tatbestand“ normiert wurde, der jegliche Zusammenrottung kriminalisiert, die darauf abzielt, dass schwere Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder gegen Sachen begangen werden (vgl Dokumentation zum StGB, 220).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Marcel Ha*****:

Die Mängelrüge behauptet Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) hinsichtlich der im „Zeitpunkt der ... Anschlusshandlung“ des Angeklagten eine Menschenmenge bildenden Personenanzahl, weil sich manche „Teilnehmer nur zeitweise in den bezeichneten Bereichen aufgehalten hatten“. Dieser Einwand trifft nicht zu, stellte das Erstgericht doch ausdrücklich fest, dass „sich der Stiegenaufgang vom Unter- zum Obergeschoss in Richtung der Ausgänge zu den Bahnsteigen sowie davon rechte und linke Rolltreppe und das Plateau zu den Ausgängen Richtung Bahnsteige zunehmend mit Rapid-Fans“ füllte, sodass sich „letztendlich ca 165 Rapid-Fans räumlich vereinigt“ befanden (US 37), sowie dass es sich bei der innerhalb des Zeitraums von etwa 20:28:45 Uhr bis zumindest 20:31:35 Uhr am W***** befindlichen Versammlung um eine große und unbestimmte Menschenmenge, hundert Personen jedenfalls überschreitende Anzahl von Rapid-Fans handelte, welcher auch der Angeklagte Ha***** angehörte (US 43 f).

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem der Rechtsmittelwerber aus dem Umstand, dass „lediglich“ gegen 88 Personen Anklage erhoben wurde sowie daraus, dass ein in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommener Polizist nicht erklären konnte, warum eine Vielzahl der Personen, die keine Vermummung hatten, nicht identifiziert werden konnte, ableiten möchte, dass es an der für die Annahme einer Menschenmenge erforderlichen Anzahl von Personen gemangelt habe, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, qualifizierte Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen beim Obersten Gerichtshof zu wecken. Das gilt auch für das Vorbringen, wonach es unwahrscheinlich wäre, dass „jemand in sicherer Erwartung erheblicher Polizeipräsenz beabsichtigt, Gewalttaten gegen andere zu begehen“.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5 erster Fall) macht einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend, indem sie ausführt, die Tatrichter hätten zur als objektive Bedingung der Strafbarkeit erforderlichen Gewalttat keine Feststellungen „zur subjektiven Tatseite der Teilnehmer der Zusammenrottung, die dadurch den objektiven Tatbestand nach §§ 83 f StGB erfüllt oder eine Ausführungshandlung bzw ausführungsnahe Handlung gesetzt hätten“, getroffen.

Voraussetzung der Strafbarkeit ist, dass es unter dem Einfluss der Zusammenrottung tatsächlich zu einer der bezeichneten Gewalttaten, auf welche sie abzielte, gekommen ist. Das Erfordernis tatsächlicher Gewaltanwendung ist objektive Bedingung der Strafbarkeit. Wurde aber eine Gewalttat der bezeichneten Art begangen, wobei es keinen Unterschied macht, ob sie vollendet oder bloß versucht wurde, haftet nach § 274 StGB nicht nur derjenige, der sie verübt hat oder daran sonst (im Sinn des § 12 StGB) beteiligt war, sondern jeder Teilnehmer an der Zusammenrottung. Es genügt, dass diese Tat von irgendwem unter dem Einfluss der Zusammenrottung begangen worden ist (Plöchl in WK² § 274 Rz 9). Dem Rechtsmittelwerber ist zuzustimmen, dass nicht der deliktische Erfolg, oder weiter gefasst die Erfüllung der objektiven Seite des Tatbestands die Strafbarkeitsbedingung ist, sondern die „Gewalttat“, die entscheidend durch die subjektive Seite charakterisiert wird. Es sind daher Feststellungen zur subjektiven Seite der Tat, welche objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, unverzichtbar (vgl Lewisch, AnwBl 1990, 689 ff).

Die Rechtsrüge legt jedoch nicht dar, warum die Feststellungen, wonach der abgesondert verfolgte und verurteilte Lukas St***** WEGA-Beamte dadurch zu verletzen versuchte, dass er seinen Hosengürtel mit der Schnalle voraus in Richtung der Beamten peitschte, und wonach der ebenfalls abgesondert verfolgte und verurteilte Alexander Pr***** zwei Bierflaschen gezielt in Richtung der WEGA-Beamten warf und so versuchte, einen Beamten zu verletzen und weiters der abgesondert verfolgte und verurteilte Thomas Ro***** Exekutivbeamte durch Versetzen von Schlägen und Fußtritten zu verletzen versuchte (US 42 ff), dem Konkretisierungserfordernis zu einem vorsätzlichen Verhalten nicht genügen sollten und welche Feststellungen über die getroffenen hinaus konkret erforderlich gewesen wären.

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen), welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0099810).

Dem wird der Nichtigkeitswerber nicht gerecht, indem er ausführt, die vom Gesetz geforderte objektive Bedingung der Strafbarkeit, also die Gewalttat, wäre nicht während der Zeit der Zusammenrottung eingetreten. Damit werden nämlich die eindeutigen Urteilsfeststellungen, wonach die Gewaltanwendungen im Zuge und unter dem Einfluss der Zusammenrottung begangen wurden (US 38 ff), übergangen.

Weshalb trotz in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallender Straftat beim zur Tatzeit erwachsenen Angeklagten Marcel Ha***** nach den Bestimmungen des 11. Hauptstücks der StPO vorzugehen gewesen wäre (§ 198 Abs 2 Z 1 StPO) legt die Diversionsrüge (Z 10a) nicht dar.

§ 7 JGG erweitert den Einzugsbereich der intervenierenden Diversion für Jugendstraftaten, sodass bloß in diesem Anwendungsfeld der Gerichtszuständigkeit (Schöffen- oder Geschworenengerichte) keine Begrenzungsfunktion zukommt (Schroll, WK-StPO § 198 Rz 6 f).

Soweit die Rüge der Sache nach das Strafverfolgungshindernis der Geringfügigkeit der Tat gemäß § 191 Abs 1 iVm Abs 2 StPO releviert (Z 9 lit b; vgl Schroll, WK-StPO § 191 Rz 14), verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt, indem der Angeklagte behauptet, „in keiner Weise aggressiv aufgetreten“ zu sein und auf die (als „kurz“ erachtete) Dauer der Zusammenrottung hinweist, dabei aber nicht - wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch stets geboten - strikt an den im Urteil getroffenen Konstatierungen festhält (vgl RIS-Justiz RS0119091), welche der Annahme eines bloß geringen Störwerts der Tat entgegenstehen. Danach begab sich der Rechtsmittelwerber bereits um 20:18:50 mit dem Vorsatz zum W*****, Austria-Fans tätlich und körperlich anzugreifen (US 34 f, US 107). Mag auch im Übrigen der Sachschaden wiedergutgemacht worden sein, so trifft dies auf die - von der Beschwerde lediglich bagatellisierten - Verletzungsfolgen jedenfalls nicht zu.

Zu den in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Helmut M***** und Alexander O*****:

Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) bezieht sich auf die erstgerichtliche Konstatierung, wonach die Angeklagten „es für gewiss hielten, dass bei dem Vorhaben (zumindest leichte) Körperverletzungen zu den Austria-Fans bzw an sich in den Weg stellenden Polizisten begangen werden“ (US 34, 43 f). Indem die Rechtsmittelwerber ausführen, diese „Alternativfeststellung“ lasse offen, ob sich der Vorsatz der Teilnehmer an der Zusammenrottung auf Angriffe gegen Austria-Fans oder gegen Einsatzbeamte der Sperre gerichtet habe, sprechen sie keine entscheidende Tatsache an (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419, 399; Plöchl in WK² § 274 Rz 8).

Weiters kritisiert die Mängelrüge (Z 5 erster Fall), dass nach den Urteilsfeststellungen „objektiv möglicherweise“ im Zeitpunkt der „Anschlusshandlung“ der Angeklagten noch gar keine Zusammenrottung im Sinn des § 274 Abs 1 StGB vorlag und unklar bleibe, ob eine (versuchte) Körperverletzung nach § 83 StGB während der Zusammenrottung der gegenständlichen Menschenmenge begangen wurde.

Damit vernachlässigen die Nichtigkeitswerber die eindeutigen Feststellungen der Tatrichter, wonach sie an der Zusammenrottung der Menschenmenge von der jedenfalls mehr als hundert Rapid-Fans teilnahmen (US 37 ff). Dass es während der Zusammenrottung zu Gewalttaten (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB) kam, wurde ebenfalls konstatiert (US 40 ff, insbes 42). Die Urteilsbegründung, wonach nicht festgestellt werden konnte, „wann genau zwischen ca 20:28:45 Uhr und ca 20:31:35 Uhr welche Gegenstände geworfen bzw die konkreten Angriffe gegen die Beamten gesetzt wurden“ (US 43), bringt keine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zum Ausdruck.

Sollten die Rechtsmittelwerber mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) geltend machen wollen, verabsäumen sie es, darzulegen, warum es für eine Strafbarkeit nach § 274 Abs 1 StGB darauf ankommen sollte, ob eine Teilnahme an der Zusammenrottung vor oder nach der als objektive Bedingung der Strafbarkeit nach der genannten Bestimmung erforderlichen Gewalttat (hier: §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB) erfolgte (vgl inswoeit Jerabek in WK² § 91 Rz 11; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 91 Rz 16).

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Rechtsmittelwerber ausführen, aus den Kameraaufnahmen ergäbe sich, dass aufgrund des „steil abfallenden Winkels ... der Stiege/Rolltreppe in Zusammenhalt mit dem höhenmäßigen Unterschied zwischen Unter- und Obergeschoss ein direkter Blick vom Untergeschoss und dem überwiegenden Teil der Stiege/Rolltreppe auf die Angriffe anderer Rapid-Fans gegen die Sperrengitter im Obergeschoss rein optisch gar nicht möglich ist“, gelingt es nicht, qualifizierte Bedenken im aufgezeigten Sinn beim Obersten Gerichtshof zu wecken.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend macht, indem sie ausführt, das Erstgericht hätte zur als objektive Bedingung der Strafbarkeit erforderlichen Gewalttat keine Feststellungen „zur subjektiven Tatseite jener - auch unbekannten - Teilnehmer an der Zusammenrottung, dadurch den objektiven Tatbestand nach den §§ 83 f StGB erfüllt oder eine dahingehende Ausführungshandlung bzw ausführungsnahe Handlung iSd § 15 Abs 2 StGB gesetzt haben“, kann auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Marcel Ha***** verwiesen werden. Auch die Angeklagten Helmut M***** und Alexander O***** legen nicht dar, warum die dort zitierten Feststellungen nicht genügen sollten und welche Urteilsannahmen über die getroffenen hinaus konkret erforderlich gewesen wären.

Entgegen dem weiteren Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Tatrichter hätten keine Feststellung getroffen, dass gerade ein Teilnehmer der Zusammenrottung eines der in § 274 StGB aufgezählten Delikte wirklich begangen oder wenigstens versucht habe, indem sie diejenigen, die Polizisten verletzten oder zu verletzen versuchten, bloß als abgesondert Verfolgte und Verurteilte bezeichneten (US 40 ff), wurde die Teilnahme der Genannten bei vernetzter Betrachtung der gesamten Entscheidungsgründe und des Spruchs mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19; RIS-Justiz RS0117228), womit die Nichtigkeitsbeschwerden den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes verlassen (RIS-Justiz RS0099775).

Die Rechtsmittelwerber verfehlen eine prozessordnungskonforme Ausführung materieller Nichtigkeit, indem sie behaupten, dass „unter Zugrundelegung einer Zusammenrottung erst ab 20:31:35 Uhr, die objektive Bedingung der Strafbarkeit“ nicht eintrat, weil nach den Urteilsfeststellungen nach dem genannten Zeitpunkt es zu keiner Gewaltanwendung mehr gekommen sei. Sie übergehen damit nämlich die Konstatierungen zur Gewaltanwendung im Zuge und unter dem Einfluss der Zusammenrottung. Auch diesbezüglich kann auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Marcel Ha***** verwiesen werden. Auch die Rechtsmittelwerber Helmut M***** und Alexander O***** erklären nicht, warum es darauf ankommen sollte, dass die Gewalttaten zu einem Zeitpunkt stattfanden, als sie an der Zusammenrottung teilnahmen (vgl im Übrigen Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 91 Rz 16).

Auch die Diversionsrüge (Z 10a) der genannten - zur Tatzeit erwachsenen - Angeklagten begründet nicht, warum trotz in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallender Straftaten nach den Bestimmungen des 11. Hauptstücks der StPO vorzugehen gewesen wäre (§ 198 Abs 2 Z 1 StPO). Soweit der Sache nach das Verfolgungshindernis gemäß § 191 Abs 1 iVm Abs 2 StPO (Z 9 lit b) angesprochen wird, verfehlt die Rüge den gesetzlichen Bezugspunkt, indem sie lediglich einen „unterdurchschnittlichen Schuldgehalt“ zufolge bloßen Verbleibens in der Menge behauptet, jedoch die einem geringen Störwert der Tat entgegenstehenden Feststellungen zum aktiven Anschluss an der Zusammenrottung zur weiteren Teilnahme an Gewalttätigkeiten (US 125 ff; 130 ff) ausklammert.

Soweit die Rechtsmittelwerber in den Gegenäußerungen zur Stellungnahme der Generalprokuratur unter Bezugnahme auf das - nach Fällung des angefochtenen Urteils ergangene - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2012, G 137/11, eine Berücksichtigung der verfügten Aufhebung des § 52 Abs 1 letzter Halbsatz StPO reklamieren, ist ihnen abermals zu entgegnen, dass sie in der Hauptverhandlung keinen entsprechenden Antrag auf Ausfolgung einer Kopie der DVD über die Filmaufnahmen vom inkriminierten Geschehen gestellt haben.

Im Übrigen wurden die der Anklage und den nunmehrigen Schuldsprüchen zugrunde liegenden Vorgänge im Verfahren nicht nur durch (mehrfache) Vorführung der im Akt befindlichen Videoaufzeichnungen, sondern auch an Hand von zahlreichen Standfotos aus diesen Filmen bezogen auf die einzelnen Angeklagten eingehend analysiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizit erhobene) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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