OGH 6Ob129/12g

OGH6Ob129/12g31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der am 27. Juli 1992 geborenen S***** S*****, über den Revisionsrekus der Sachwalterin G***** S*****, vertreten durch Mag. Axel Seebacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 10. Mai 2012, GZ 4 R 142/12t‑31, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 6. März 2012, GZ 3 P 280/11h‑28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00129.12G.0131.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Die Betroffene leidet an einer depressiven Störung mit psychotischen Symptomen. Daher bestellte das Bezirksgericht St. Veit/Glan mit Beschluss vom 1. 4. 2011 ‑ im Einvernehmen ‑ die Revisionsrekurswerberin zur Sachwalterin. Diese hat die Betroffene vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern zu vertreten, deren Einkünfte, Vermögen und Verbindlichkeiten zu verwalten und ihr bei therapeutischen Maßnahmen zu helfen.

Schon am 30. 5. 2011 beantragte die Sachwalterin eine Umbestellung. Die Mutter der Betroffenen suggeriere dieser, eigentlich keine Sachwalterschaft zu benötigen; die daraus entstandenen Konflikte ermöglichten keine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Sachwalterin und Betroffener, die mehrmals definitiv und aggressiv geäußert habe, keine Sachwalterin mehr zu benötigen, diese solle ihr Amt zurücklegen.

Das zuständig gewordene Erstgericht wies den Antrag der Sachwalterin auf Amtsenthebung und Übertragung der Sachwalterschaft auf eine andere Person ab. Während einer Sachwalterschaft komme es zwangsläufig immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der betroffenen Person und dem Sachwalter. Diese rechtfertigten keine Umbestellung, zumal sich die Betroffene bei der Sachwalterin auch entschuldigt habe. Im Übrigen verfüge das Vertretungsnetz‑Sachwaltschaft über keinerlei freie Kapazitäten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Sachwalterin nicht Folge. Eine Übertragung der Sachwalterschaft auf eine andere Person käme nur in Betracht, wenn die Ausübung des Amts der Sachwalterin nicht zugemutet werden könnte oder dies das Wohl der Betroffenen aus anderen Gründen erforderte. Die Sachwalterin nehme ihre Aufgaben im erforderlichen Ausmaß bestmöglich wahr. Es liege auf der Hand, dass Äußerungen einer Person, die aufgrund einer geistigen Störung ihre Handlungen nicht abschätzen könne und eines Sachwalters bedürfe, nicht von vornherein dazu führen können, dass sich ein Sachwalter als Gegner der betroffenen Person fühlen könnte. Dass die Betroffene mit Maßnahmen der Sachwalterin nicht einverstanden sei, sei durchaus üblich und könne, wenn ‑ wie hier ‑ die Sachwalterin ausschließlich im Interesse der Betroffenen agiere, unbeachtet bleiben. Auch Verbalinjurien, für die sich die Betroffene aber ohnedies entschuldigt habe, seien von der Sachwalterin, die die vorhandenen mentalen Unzulänglichkeiten sehr wohl erkennen könne, hinzunehmen, weil es sonst jeder Betroffene in der Hand hätte, durch erfolgreiche Wechsel in der Person des Sachwalters die Sachwalterschaft selbst in Frage zu stellen. Auch schwerwiegende persönliche Differenzen zwischen Sachwalter und Betroffenem könnten für sich allein noch keine Umbestellung rechtfertigen, zumal eine beträchtliche Anzahl von Sachwalterschaften bei den Pflegebefohlenen trotz aller Bemühungen nicht auf allzu große Begeisterung stoße. Maßgeblich sei nur, ob das Wohl des Pflegebefohlenen eine derartige Maßnahme erfordere ‑ vergleichbarer „Widerstand“ ‑ sei ja unabhängig von der Person des konkret bestellten Sachwalters gegenüber einer anderen (geeigneten) Person in der Regel ebenfalls zu erwarten. Letztlich stelle nur eine ausgesprochene Feindschaft zwischen Betroffenem und Sachwalter einen Umbestellungsgrund dar. Diese qualifizierten Voraussetzungen einer Umbestellung lägen nicht vor. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Sachwalterin und dem Wohnort der Betroffenen (ca 15 km) sei derart gering, dass in größeren Städten zurückgelegte Strecken oft einen höheren Zeitaufwand erforderten. Die zu Tage getretenen, auch im Rekurs beschriebenen Meinungsverschiedenheiten, die letztlich die persönliche Sphäre der Betroffenen beträfen und damit als „Vertrauensangelegenheiten“ zu werten seien, rechtfertigten die Enthebung der Sachwalterin nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts herrschender Rechtsprechung und Lehre entspreche.

Die dagegen erhobene mit ordentlichem Revisionsrekurs verbundene Zulassungsbeschwerde der Sachwalterin ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln. Hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, so kann dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand ‑ wie hier ‑ nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (§ 62 Abs 5 AußStrG; 7 Ob 120/09m).

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Sachwalterin ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlt, ob es zur Umbestellung „einer anderen geeigneten Person“ als Sachwalter genügt, wenn der Sachwalter sein Amt nicht mehr ausüben will. Er ist aber nicht berechtigt.

1. Auch im Verfahren Außerstreitsachen können nach ständiger Rechtsprechung vom Rekursgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz oder ein im Rekurs nicht gerügter Mangel des Verfahrens erster Instanz ‑ von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ‑ einen Revisionsrekursgrund nicht bilden (RIS‑Justiz RS0050037 [T1, T2, T13]).

2. Die Rechtsmittelwerberin steht auf dem Standpunkt, weil sie nicht verpflichtet gewesen sei, die Sachwalterschaft zu übernehmen (§ 279 Abs 3 letzter Halbsatz ABGB), könne sie nicht verpflichtet werden, die übernommene Sachwalterschaft gegen ihren Willen weiter auszuüben.

Dem ist zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 278 Abs 1 ABGB hat das Gericht die Sachwalterschaft einer anderen Person unter anderem dann zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amts nicht zugemutet werden kann oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. Der Sachwalter ist zu entheben, wenn die Voraussetzungen für seine Bestellung nach § 268 ABGB weggefallen ist (§ 278 Abs 2 ABGB). Diesen Enthebungsgrund macht die Rechtsmittelwerberin nicht geltend.

Aus dem Zusammenhalt des § 278 Abs 1 und 2 ABGB mit § 279 Abs 3 ABGB ergibt sich klar, dass das Gesetz lediglich bei der Auswahl des Sachwalters die Zustimmung einer „anderen geeigneten“ Person zu ihrer Bestellung zum Sachwalter fordert.

Es ist kein Grund für die Annahme einer Gesetzeslücke in § 278 Abs 1 und 2 ABGB ersichtlich, die mit der Annahme der widerrufenen Zustimmung des Sachwalters als einen weiteren Grund für eine Übertragung der Sachwalterschaft auf eine andere Person zu schließen wäre.

Da sowohl Eignung als auch Zustimmung der „anderen Person“ Kriterien für ihre Bestellung zum Sachwalter sind, kann die bestellte Person ihre Eignung nicht allein deshalb verlieren, weil sie das Amt nicht mehr ausüben will. Zudem wäre dann der Umbestellungsgrund der Unzumutbarkeit der Ausübung des Amts überflüssig.

Der Anwendungsbereich des Umbestellungsgrundes der Unzumutbarkeit wäre auf Rechtsanwälte und Notare beschränkt, für die eine Verpflichtung zur Übernahme einer Sachwalterschaft besteht (§ 274 Abs 2 ABGB), wenn es für die Umbestellung einer Person genügte, dass sie der weiteren Ausübung des Amts nicht zustimmt. Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs des Umbestellungsgrundes der Unzumutbarkeit ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS‑Justiz RS0117813). Diese Verknüpfung zeigt, dass der Gesetzgeber stabile Betreuungssituationen für wünschenswert erachtet und es nur aus besonderen Gründen, zu denen eine widerrufene Zustimmung allein nicht zu zählen ist, zu einer Umbestellung kommen soll.

Im Übrigen kann auf die ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängige, die Notwendigkeit einer Umbestellung verneinende Beurteilung des Rekursgerichts (vgl RIS‑Justiz RS0117813 [T2]), die richtig ist, verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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