OGH 14Os124/12k

OGH14Os124/12k29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Saban A***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Oktober 2012, GZ 031 Hv 47/12z-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Saban A***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht zum 19. Jänner 2012 in Wien Doris A***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt, indem er sich auf sie kniete, sie wiederholt mit der flachen Hand heftig gegen den Kopf, gegen das Gesäß sowie gegen die Brüste schlug und diese fest zusammendrückte, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Tat nebst zahlreichen Hämatomen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine operationsbedürftige Trommelfellperforation am linken Ohr zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit dem pauschalen Vorwurf, „das Urteil“ sei „mit entscheidungswesentlichen Begründungsmängeln behaftet“, undeutlich, widersprüchlich und stehe „mit sich selbst nicht im Einklang“ (Z 5 erster und dritter Fall), orientiert sich die Mängelrüge nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil die notwendige Anführung konkreter entscheidender Tatsachen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers mangelhaft begründet sein sollen, zur Gänze unterlassen wurde (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer (seiner - mittlerweile geschiedenen - Ehefrau, von der er zum Tatzeitpunkt getrennt lebte und sich am nächsten Tag scheiden lassen wollte) und das Motiv für das Treffen, anlässlich dessen es zu dem verfahrensgegenständlichen Vorfall kam, sind für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage irrelevant und daher einer Anfechtung aus Z 5 entzogen (RIS-Justiz RS0117499).

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat.

Indem die Beschwerde aber bloß darauf verweist, dass Doris A***** anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung eingestand, bei ihrer gynäkologischen Untersuchung wahrheitswidrige Angaben zu ihrem letzten Geschlechtsverkehr vor dem Vorfall (am 17. Dezember 2012 mit ihrem Freund statt - richtig - am 16. Dezember 2012 mit dem Angeklagten) gemacht zu haben, und daraus grundlegende Zweifel an der Verlässlichkeit ihrer Aussage zu wecken versucht, verfehlt sie den - nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen - Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f).

Entgegen dem der Sache nach erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer das Tatopfer mittels der nicht bloß unerheblichen Gewaltakte in Form von Schlägen ins Gesicht und gegen den Körper zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich intensiver Berührungen der Brust, nötigen wollte, ist deren Ableitung aus dem objektiven Täterverhalten (dem - durch Hämatome objektivierbaren - kräftigen Zusammendrücken der Brüste im Zusammenhang mit den wiederholten sexualbezogenen Aussagen [„Ich will dich ficken“] während der Tat; US 5 iVm US 3) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Indem der Beschwerdeführer diese Erwägungen zur Gänze ignoriert und auf Basis seiner - Nötigungsvorsatz leugnenden - Verantwortung aus den Tatumständen und den Angaben der Zeugin Doris A***** anhand eigener Beweiswerterwägungen für ihn günstigere Schlüsse zieht, orientiert er sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) und wendet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Mit dem Einwand unzureichender Konstatierungen zur subjektiven Tatseite und der Behauptung, die Annahme vorsätzlicher sexueller Nötigung ergebe sich nicht aus den „getroffenen Tatsachenfeststellungen“, vielmehr sei daraus bloß Verletzungsvorsatz abzuleiten, argumentiert die Rüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) ein weiteres Mal nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 4) und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Aus welchem Grund weitere Feststellungen „im Hinblick auf die unmittelbare Vorgeschichte in den letzten Tagen“ vor dem Vorfall sowie zu (freiwilligen) sexuellen Kontakten zwischen dem Angeklagten und Doris A***** nach deren Trennung sowie vor und nach der verfahrensgegenständlichen Tat zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen wären (nominell auch Z 5), erklärt sie nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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