OGH 10ObS180/12m

OGH10ObS180/12m29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Land Wien, Magistrat der Stadt Wien, Abteilung 40, 1030 Wien, Thomas‑Klestil‑Platz 8/2, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2012, GZ 9 Rs 18/12a‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00180.12M.0129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Vorweg ist festzustellen, dass die vorliegende Sozialrechtssache gemäß der Übergangsbestimmung des § 48c Abs 4 Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I 2011/58, noch nach den Regelungen des Wiener Pflegegeldgesetzes - WPGG und der Einstufungsverordnung zum WPGG, zur Pensionsordnung 1995 und zum Unfallfürsorgegesetz 1967 zu Ende zu führen ist.

2. Gemäß § 4 Abs 7 WPGG hat die Wiener Landesregierung nähere Bestimmungen für die Beurteilung des Pflegebedarfs durch Verordnung festzulegen. Gemäß § 4 Abs 7 Z 3 WPGG können durch die Verordnung insbesondere verbindliche Pauschalwerte für den Zeitaufwand der Hilfsverrichtungen festgelegt werden, wobei der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen mit höchstens 50 Stunden pro Monat festgelegt werden darf. In § 2 Abs 2 EinstV sind fünf Hilfsverrichtungen aufgelistet, für die in § 2 Abs 3 EinstV verbindliche Pauschalwerte von jeweils 10 Stunden festgelegt sind. Es handelt sich dabei um

‑ die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens,

‑ die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände,

‑ die Pflege der Leib‑ und Bettwäsche,

‑ die Beheizung des Wohnraums samt Herbeischaffung von Heizmaterial und

‑ die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn.

§ 2 Abs 3 EinstV ordnet jeder der genannten fünf Hilfsverrichtungen einen fixen Zeitwert von 10 Stunden pro Monat zu (vgl zur identen Rechtslage nach dem BPGG: Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 2 Rz 432). Die Ansicht des Revisionswerbers, es sei für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, für diejenige von Medikamenten und letztlich für die Herbeischaffung von Bedarfsgütern des täglichen Lebens ein pauschaler Zeitaufwand von je 10 Stunden (dh allein für diese Hilfsverrichtungen 30 Stunden) monatlich anzusetzen, findet in § 2 Abs 3 EinstV demnach keine Grundlage.

3. Bei den gemäß § 2 Abs 2, 3 EinstV iVm § 4 Abs 7 WPGG verbindlich festgelegten und zeitlich pauschalierten Hilfsverrichtungen ist deshalb weder eine Überschreitung noch eine Unterschreitung der „fixen Zeitwerte“ in § 2 Abs 3 EinstV möglich. Es erfolgt grundsätzlich keine konkret‑individuelle Prüfung des zeitlichen Ausmaßes des Hilfsbedarfs. Die Pauschalierung ist verwaltungstechnisch notwendig und auch sachlich schon deshalb gerechtfertigt, weil das Pflegegeld nur der teilweisen Abdeckung des pflegebedingten Mehraufwands dient (vgl zur identen Regelung des BPGG: 10 ObS 190/03v, SSV‑NF 17/92; RIS-Justiz RS0102030; zum NÖPGG: RIS-Justiz RS0107539, SZ 70/13). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs widerspricht es dem Gleichheitssatz nicht, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft, insbesondere wenn sie den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht und im Interesse der Verwaltungsökonomie liegt, sohin sachlich begründbar ist (10 ObS 190/03v, SSV‑NF 17/92).

4. Auch in Sozialrechtssachen ist ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbar (RIS‑Justiz RS0043061). Das Berufungsgericht hat sich auch eingehend mit der Mängelrüge befasst, sodass ein Mangel des Verfahrens zweiter Instanz nicht vorliegt (RIS‑Justiz RS0043068; RS0043086; RS0043144). Im Übrigen stellt es eine Frage der nicht revisiblen Beweiswürdigung dar, ob weitere Sachverständigengutachten einzuholen sind (RIS‑Justiz RS0043320).

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