OGH 2Ob26/12f

OGH2Ob26/12f24.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Özden B*****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, 2. H***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, und 3. Harald B*****, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebeninterventin auf Seiten der erstbeklagten Partei U***** Sachversicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wegen 171.709,13 EUR, Rente und Feststellung (Gesamtstreitwert 264.284,33 EUR sA), über die außerordentlichen Revisionen der erst- und der drittbeklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2011, GZ 12 R 55/11p-126, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte war als Subunternehmerin einer Arbeitsgemeinschaft beauftragt, bei einem Tunnelbau Lieferbeton mittels eines Pumpfahrzeugs in etwa drei Meter Höhe in Nischen zu pumpen, um dort das Betonieren von Zwischendecken zu ermöglichen. Der Drittbeklagte führte die Tätigkeit durch. Der Kläger war als Arbeitnehmer einer Gesellschafterin der Arbeitsgemeinschaft mit zwei weiteren Arbeitskollegen in der Nische damit beschäftigt, den hinauf gepumpten Beton zu verarbeiten. Einer der Arbeitskollegen manövrierte dazu den Schlauch, aus dem der Beton kam. Der zweite Arbeitskollege bediente einen sogenannten Betonrüttler, der zur Entlüftung des Betonmaterials dient, und der Kläger hielt das Kabel des Betonrüttlers. Im Zuge dieses Vorgangs verhakte sich der Kranarm des Pumpfahrzeugs an der Decke der Nische und war manövrierunfähig. Daraufhin senkte der Drittbeklagte den Gelenkarm durch Eingabe eines entsprechenden Befehls an seiner Fernbedienung, um ihn wieder flott zu bekommen. Dabei wurde der Kläger an der Schulter getroffen und stürzte rund 3,5 Meter auf den Boden des Tunnels und verletzte sich schwer.

Die Vorinstanzen gingen von einer grundsätzlichen Haftung der erst- und drittbeklagten Partei aus. Der Kläger sei zur Zeit des Unfalls nicht in den Arbeitsbetrieb der Erstbeklagten eingegliedert gewesen und zum Drittbeklagten in keinem weisungsunterworfenen Verhältnis gestanden, sodass beiden das Arbeitgeberprivileg des § 333 ASVG nicht zu Gute komme.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die außerordentlichen Revisionen der erst- und der drittbeklagten Partei, die keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigen:

1. Soweit die Erstbeklagte auf die Judikatur zur Abgrenzung zwischen Sachmiete, verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, und Werkvertrag Bezug nimmt und meint, dass sie lediglich eine ortsgebundene Arbeitsmaschine samt einer Arbeitskraft gegen Entgelt überlassen habe, handelt es sich um in erster Instanz nicht Vorgebrachtes und damit um eine unzulässige Neuerung. Auf in diesem Zusammenhang aufgezeigte Rechtsfragen ist daher nicht weiter einzugehen.

2. Zum Dienstgeberhaftungsprivileg:

Hier ortet die Erstbeklagte ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum „organisierten Ineinandergreifen“ mehrerer sonst selbständiger Betriebe zur Erbringung einer einheitlichen Leistung. Auch wenn der Kläger nicht mit dem Schlauchende Beton verteilt, sondern nur das Kabel des Betonrüttlers gehalten habe, liege dennoch eine Eingliederung samt Unterstellung unter die Weisungsbefugnis der gemeinschaftlich tätigen Unternehmen vor. Die Betonierungsarbeiten seien ohne gemeinschaftliches Zusammenwirken der Betonlieferfirma, der Erstbeklagten und der Dienstnehmer der Arbeitsgemeinschaft faktisch nicht möglich gewesen.

Beide Revisionswerber verweisen weiter darauf, dass Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Eingliederung des Arbeitnehmers bei Beteiligung von mehr als zwei Unternehmen an einem gemeinsamen Arbeitsvorgang und damit zur Frage, ob das Dienstgeberhaftungsprivileg in diesem Fall auf alle Haupt- und Nebenunternehmer Anwendung findet, fehle.

Wesentlich für die Haftungsbefreiung sowohl von Haupt- als auch Nebenunternehmer gegenüber einem Dienstnehmer eines der beteiligten Unternehmen ist aber nicht nur

a) eine organisatorisch koordinierte Zusammenarbeit zur Erzielung eines gemeinsamen Erfolgs, sondern immer auch

b) die Eingliederung des (fremden Weisungen unterliegenden) Dienstnehmers in den fremden Betrieb (vgl Neumayr in Schwimann 3 § 333 ASVG Rz 42 mwN; RIS-Justiz RS0085043 ua).

Ob neben der organisatorisch koordinierten Zusammenarbeit auch eine Eingliederung stattgefunden hat, ist aber immer eine Frage des konkreten Arbeitsablaufs und damit des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0084209 [T9]).

Keinesfalls kann gesagt werden - wie es offensichtlich den Revisionswerbern vorschwebt -, dass bei Ausführung eines gemeinsamen Arbeitsziels durch mehrere unabhängige Unternehmen und deren Arbeiter grundsätzlich sämtliche Arbeitnehmer bei sämtlichen Unternehmen „eingegliedert“ wären. Konsequent weiter gedacht würde dieser Gedanke ansonsten dazu führen, dass bei einem Großbauprojekt, wie hier dem Tunnelbau, letztendlich sämtliche Arbeitnehmer sämtlicher beteiligter Unternehmen der Arbeitsgemeinschaft und deren Subunternehmer bei sämtlichen anderen beteiligten Unternehmen eingegliedert wären, weil alle miteinander letztlich ein gemeinsames Arbeitsziel - die Fertigstellung des Tunnels des Bauherrn - verfolgen. Dafür ist aber die von der Rechtsprechung bejahte Erweiterung des Haftungsprivilegs auf einen Unternehmer, der selbst nicht Dienstgeber ist, bei entsprechender betrieblicher Eingliederung im Einzelfall nicht gedacht.

Hier hatte die Erstbeklagte den Beton an den Ort seiner Bestimmung hochzupumpen und der Kläger und seine Kollegen verteilten und verwendeten den Beton im erforderlichen Ausmaß.

Wenn die Vorinstanzen bei dieser Arbeitssituation eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Erstbeklagten verneinten, haben sie die Grenzen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten.

3. Zur Weisungsbefugnis des Drittbeklagten:

Beide Revisionswerber meinen in diesem Zusammenhang, der Drittbeklagte habe nicht nur die Einhaltung der technischen Sicherheitsvorschriften, sondern auch sämtliche mit dem Pumpen des Betons in die Nische zusammenhängenden Überwachungstätigkeiten in seinem Aufgabenbereich gehabt. Er sei daher als Aufseher im Betrieb zu qualifizieren.

Aufgabe des Drittbeklagten war das Pumpen des Betons in die Nische in erforderlicher Höhe. In diesem Zusammenhang oblag ihm unzweifelhaft auch die Einhaltung und Überwachung der entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für das gefahrlose Aufpumpen des Betons. Insofern mag ihm auch eine Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitern - zum Beispiel sich nicht unterhalb des Kranarms bzw betonführenden Schlauchs aufzuhalten - zugestanden sein. Diese Befugnisse haben aber nur mit der ordnungsgemäßen Leistungserbringung der Erstbeklagten, nicht dagegen mit der Tätigkeit des Klägers und seiner Arbeitskollegen, nämlich dem Betonieren in der Nische, also dem zweckentsprechenden Verteilen und Bearbeiten des aufgepumpten Betons, zu tun. Auf diese ihre eigentliche Tätigkeit hatte der Drittbeklagte somit keinen Einfluss.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass dieser daher kein „Aufseher im Betrieb“ iSd § 333 Abs 4 ASVG war, ist daher jedenfalls vertretbar.

Die Rechtsmittel waren daher zurückzuweisen.

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