OGH 7Ob234/12f

OGH7Ob234/12f23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L***** L***** und L***** L*****, vertreten durch die Mutter K***** T*****, vertreten durch Stix Rechtsanwälte Kommandit‑Partnerschaft in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. G***** L*****, emeritierter Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Oktober 2012, GZ 43 R 502/12k‑232, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 24. Mai 2012, GZ 47 Pu 78/09v‑207, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Im Verlauf des vom Diplomrechtspfleger geführten Unterhaltsverfahrens beantragte der Vater am 23. 5. 2012 die „Übertragung der Zuständigkeit auf eine Person des richterlichen Dienstes“.

Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge. Entscheidungen über Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern würden, sofern nicht ausländisches Recht anzuwenden sei, in den Zuständigkeitsbereich des Rechtspflegers fallen. Aus der in § 10 Abs 1 Z 3 RPflG normierten Vorlagepflicht sei kein subjektives Recht der Vertragsparteien auf eine Erledigung durch den Richter anstelle des Rechtspflegers abzuleiten. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Vorlagepflicht nach § 10 Abs 1 Z 3 RPflG bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Vater erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Aus Art 87 und 87a B‑VG ergibt sich, dass die Gerichtsbarkeit grundsätzlich von Richtern auszuüben ist, wobei die Besorgung einzelner und genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten (Rechtspfleger) übertragen werden kann. In Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen ordnen die §§ 18 ff RPflG Wirkungskreise für Rechtspfleger an. Der Wirkungskreis in Kindschafts‑ und Sachwalterschaftsangelegenheiten umfasst die Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten (§ 19 Abs 1 RPflG), zu denen alle Angelegenheiten des Kindschaftsrechts (Eltern‑Kind‑Verhältnisses im Sinn des Dritten Hauptstücks des ABGB), soweit sie minderjährige Kinder betreffen, zählen. Diese sind damit den Rechtspflegern mittels Generalklausel übertragen. In § 19 Abs 2 RPflG sind jene Geschäfte des Pflegschaftsverfahrens aufgezählt, die dem Richter vorbehalten sind (Richtervorbehaltssachen). Das Verfahren über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ist in § 19 Abs 2 RPflG nicht als eine dem Richter vorbehaltene Angelegenheit genannt; vielmehr sind auch Unterhaltsstreitigkeiten, die volljährige Kinder betreffen, ausdrücklich dem Wirkungskreis des Rechtspflegers zugeordnet (§ 19 Abs 1 Z 4 RpflG). Das vorliegende Unterhaltsverfahren fällt daher auf Grund der generellen Zuweisung der Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten in den Wirkungsbereich des Rechtspflegers (1 Ob 26/12y, Etz in Szöky , Kommentar Rechtspflegergesetz, Rz 28). Dies wird vom Rekurswerber auch nicht bestritten.

2.1 Bei der Besorgung dieser Geschäfte ist der Rechtspfleger nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden (§ 8 Abs 1 RPflG). Der Richter kann sich die Erledigung einzelner Geschäfte vorbehalten oder die Erledigung an sich ziehen, wenn dies nach seiner Ansicht im Hinblick auf die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten in der Sache oder die Wichtigkeit und die Tragweite der Entscheidung zweckmäßig ist. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken (§ 9 Abs 1 RPflG). Der Rechtspfleger hat ein Geschäftsstück, auch wenn es in seinen Wirkungskreis fällt, dem Richter vorzulegen, wenn sich bei der Bearbeitung Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art ergeben (§ 10 Abs 1 Z 3 RPflG). § 10 Abs 1 RPflG regelt damit jene Fälle, in denen der Rechtspfleger einen Antrag/Akt dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter vorzulegen hat.

2.2 Der Rekurswerber argumentiert zusammengefasst, dass der Rechtspfleger in den in § 10 Abs 1 RPflG genannten Fällen verpflichtet sei, das Geschäftsstück dem Richter vorzulegen. Daraus könne nur folgen, dass es nicht im Belieben des Richters stehe, ob dieser die Erledigung der Sache an sich ziehe, sondern es treffe ihn bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen vielmehr ebenfalls die Pflicht dazu. Damit könne der Bestimmung des § 9 Abs 1 RPflG nur die Bedeutung beigelegt werden, dass jeder Verfahrenspartei das subjektive Recht zukomme, eine Entscheidung des Richters herbeizuführen. Die für ein derartiges Vorgehen erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten lägen hier vor.

2.3 Die Zulässigkeit eines derartigen Antrags ist entgegen der Ansicht des Rekurswerbers zu verneinen. Der Gesetzgeber hat eine solche Möglichkeit schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht eröffnet. Dies wird insbesondere durch den Umstand verdeutlicht, dass die Vorlage des Geschäftsstücks an den Richter und das Ansichziehen der Erledigung durch diesen lediglich in Form eines Aktenvermerks und nicht durch eine den Verfahrensparteien zuzustellende und von ihnen bekämpfbare Entscheidung vorgesehen ist. Ob der Richter von seinem Recht nach § 9 Abs 1 RPflG Gebrauch machen will, ist in sein freies Ermessen gestellt. Den Verfahrensparteien wird damit kein Recht auf eine Entscheidung durch den Richter anstelle des Rechtspflegers und somit eine Wahl des zuständigen Organs eingeräumt. Gegen dessen allenfalls unrichtige Entscheidung steht ihnen ohnehin die Erhebung eines Rechtsmittels offen.

Der Revisionsrekurs bleibt damit erfolglos.

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