OGH 3Ob181/12g

OGH3Ob181/12g23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Heiss & Heiss Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde A*****, vertreten durch Dr. Klaus Riedmüller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unwirksamkeit eines Vertrags, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. August 2012, GZ 3 R 126/12x‑14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. Mai 2012, GZ 12 Cg 96/11i-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.751,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 291,84 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer des Grundstücks 157 im Zentrum der beklagten Gemeinde, das nur zu einem geringen Teil bereits als Bauland gewidmet war, im Übrigen jedoch nicht. Das nordwestlich davon gelegene Grundstück 166 eines Dritten war von 1957 bis 1969 als Hausmülldeponie genutzt worden, die sich bis zur Grundstücksgrenze erstreckte.

Eine schon im Jahr 2003 vom Kläger beantragte weitere Umwidmung in Bauland lehnte die Beklagte im selben Jahr wegen der Gefahr von Hangrutschungen ab.

Wegen geänderter Voraussetzungen zu diesem Problem kam der Gemeindevorstand nach einem weiteren Umwidmungsantrag des Klägers im Jahr 2004 zur Auffassung, man könnte sich eine Umwidmung bei Eigenbedarf vorstellen, wenn für eine Verbauung seitens der Wildbach- und Lawinenverbauung ein positives Gutachten vorliege und die Frage der Bodenbeschaffenheit im Bereich des Grundstücks restlos geklärt sei. Alle Beteiligten gingen damals davon aus, dass im Bereich des Grundstücks 166 eine Hausmülldeponie betrieben, das Grundstück 157 jedoch nicht als solche genützt worden war; allerdings erinnerte sich keiner der Beteiligten mehr an die exakten Ausmaße der Deponie. Eine vom Kläger im Jahr 2004 beauftragte Baggerung von drei Gräben am Grundstück 157 brachte - mit Ausnahme von einem Fetzen Plastik, einer alten Schuhsohle und einigen verrotteten Ziegelsteinen ‑ keinen vergrabenen Müll zutage, wovon sich auch Vertreter der Beklagten überzeugten. Danach waren sowohl der Kläger als auch die für die Beklagte handelnden Personen überzeugt, dass das Grundstück 157 frei von Deponiematerial sei. Die Beklagte verfügte über keine Unterlagen oder Pläne, die Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass auf dem Grundstück 157 Müll vergraben war. Nachdem der Kläger seitens der Wildbach- und Lawinenverbauung ein positives Gutachten erreichte, wiederholte er unter Berufung auf Eigenbedarf am 3. Mai 2008 seinen Antrag auf Umwidmung.

Die Mitglieder des Gemeindevorstands der Beklagten kamen - aus der Erwägung, dass die Umwidmung eine massive Aufwertung des Grundstücks des Klägers bewirken würde - dahin überein, als reine Vorsichtsmaßnahme vor einer Umwidmung vom Kläger eine eidesstättige Erklärung zu verlangen, wonach er im Fall des Auftretens von Problemen bezüglich der Beschaffenheit dieses Grundstücks keine Ansprüche an die Gemeinde stellen werde, womit sich der Kläger einverstanden erklärte. Sodann verfasste ein Rechtsanwalt diese Erklärung, die der Kläger am 10. Juni 2008 notariell beglaubigt unterzeichnete und dem Bürgermeister der Beklagten übergab. Darin erklärte der Kläger, für den Fall, dass die Beklagte dieses Grundstück als Bauland widme, auf jedwede Ansprüche gegenüber der Beklagten, sei es aus dem Titel des Schadenersatzes oder sonst wie immer, die Beschaffenheit und den Untergrund dieser Parzelle betreffend für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz des Grundstücks zu verzichten und verpflichtete sich, die Beklagte, sollte sie dennoch von wem auch immer aus der Beschaffenheit dieses Grundstücks in Anspruch genommen werden, schad- und klaglos zu halten, sowie die Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung auch auf Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks zu überbinden.

In der Gemeinderatssitzung vom 12. Juni 2008 empfahl der Gemeindevorstand die beantragte Umwidmung; zur Forderung, der Kläger müsse eidesstättig erklären, auf jegliche Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten bei eventuell auftretenden Bodenkontaminierungen zu verzichten, erläuterte der Bürgermeister, eine solche Erklärung liege bereits vor. Diese Tatsache nahm der Gemeinderat der Beklagten zur Kenntnis und war der Ansicht, dass damit sämtliche Voraussetzungen für eine Umwidmung gegeben seien. In der Folge wurde die beantragte Umwidmung einstimmig beschlossen, die mit Bescheid vom 19. November 2008 aufsichtsbehördlich genehmigt wurde.

Im Juni 2009 verkaufte der Kläger einen Teil des Grundstücks 157 an eine Bauträgerfirma. Diese teilte ihm im Oktober 2011 mit, es habe sich herausgestellt, dass das gesamte Grundstück durch ehemalige Müllablagerungen so verunreinigt und kontaminiert sei, dass eine Bebauung zu Bauzwecken unmöglich erscheine, weshalb der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und der Kläger zur Rückzahlung des Kaufpreises samt Zinsen und Kosten gegen Rückübereignung der Liegenschaft aufgefordert wurde.

Seine auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen eidesstättigen Erklärung vom 10. Juni 2008 gerichtete Klage begründete der Kläger mehrfach. Die Beklagte habe dadurch, dass sie die Umwidmung ohne die sittenwidrige Vertragsgestaltung nicht durchgeführt hätte, ihre Monopolstellung für die Umwidmung ausgenützt und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Die verlangte Überbindung auf Rechtsnachfolger laufe auch auf eine massive Einschränkung der Freiheit des Liegenschaftsverkehrs hinaus. Schließlich habe die Beklagte den Kläger (arglistig) über die Kontaminierungsfreiheit des Grundstücks und die Durchführung eines ordnungsgemäßen Umwidmungsverfahrens in Irrtum geführt. Die Erklärung sei auch wegen inhaltlicher Unklarheiten nichtig.

Die Beklagte bestritt und hielt den Vorwürfen entgegen, die geforderte eidesstättige Erklärung sei nur eine reine Vorsichtsmaßnahme im Hinblick auf die allen bekannte Problematik der möglichen Kontaminierung gewesen. Wenn ein Bauwerber wie der Kläger ein bekannt schwieriges Grundstück zur Umwidmung beantrage, sei es legitim, wenn der Hoheitsträger die Erklärung verlange, aus dem Widmungsakt heraus schad- und klaglos gehalten zu werden. Mangels beschlussmäßiger Annahme des Verzichts durch den Gemeinderat der Beklagten sei kein Vertrag zustande gekommen.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers im Sinn einer Klagestattgebung Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

In Erwiderung des in der Berufungsbeantwortung aufrecht erhaltenen Standpunkts, es sei kein Vertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen, legte das Berufungsgericht dar, es sei ein Verzichtsvertrag entweder durch konkludente Annahme oder durch nachträgliche Genehmigung durch den Gemeinderat abgeschlossen worden. Weiters bejahte es ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellungsklage, selbst wenn man nicht von einer sogenannten materiell-rechtlichen Feststellungsklage ausgehen wollte, die kein gesondertes rechtliches Interesse voraussetze. Die privatrechtliche Unwirksamkeit nach § 879 Abs 1 ABGB erblickte das Berufungsgericht sowohl darin, dass die Beklagte ihr hoheitliches Handeln im öffentlichen Interesse bei der Umwidmung nicht vom Abschluss des nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) 2006 nicht vorgesehenen Verzichtsvertrags abhängig machen hätte dürfen, als auch darin, dass sich die Beklagte mit dem Verzichtsvertrag unzulässig einer privatwirtschaftlichen Bindung unterworfen habe; schließlich auch darin, dass das Verlangen des Verzichts einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstelle. Obiter verneinte es schließlich einen Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte mangels eines Verschuldens, weil von ihr keine weiteren Nachforschungen zu verlangen gewesen wären.

Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils an, hilfsweise die Aufhebung und Zurückweisung an die Unterinstanzen. Es sei in Tirol gängige Praxis in den Gemeinden, im Zuge von Widmungen privatrechtliche Vereinbarungen mit Grundstückseigentümern ua zu Abtretung von Grundstücken zur Errichtung von Zufahrtsstraßen zu treffen. Für die Bürgermeister und Gemeinderäte in Tirol sei somit die Klärung wesentlich, welche Art von Verträgen die Gemeinden im Zuge hoheitlichen Handelns, vor allem bei der Erlassung und Änderungen von Flächenwidmungsplänen, wirksam abschließen dürfen. Kritisiert wird auch die Auslegung des Berufungsgerichts zum Umfang des Verzichts und die Begründung für das Zustandekommen eines Verzichtsvertrags. Der Schwerpunkt der Revision richtet sich gegen die Rechtsansicht, die Beklagte dürfe ihr hoheitliches Handeln nicht zum Gegenstand einer privatrechtlichen Vereinbarung machen: der Verzicht des Klägers enthalte keinen Verzicht hinsichtlich hoheitlichen Handelns; es könne nicht sein, dass ein Gemeindebürger den Vorteil des Wertzuwachses aus der Umwidmung erhalte, die Gesamtheit aller anderen Bürger jedoch mögliche Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinde treffe; als frühere Betreiberin der Mülldeponie sei die Beklagte hinsichtlich des Verzichts auf Ansprüche aus dieser seinerzeitigen Nutzung privatrechtlich/-wirtschaftlich tätig geworden; es müsse ihr gewährt sein, in ein und derselben Sache sowohl privatrechtlich als auch hoheitlich aufzutreten; das Berufungsgericht schränke seine Beurteilung der Zulässigkeit privatrechtlicher Verträge zu Unrecht auf § 33 TROG 2006 ein, weil § 9 Abs 5 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz (TVAG) 2011 privatrechtliche Vereinbarungen ausdrücklich erwähne.

Dem tritt der Kläger in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig , weil es einer Klarstellung zur Zulässigkeit privatrechtlichen Handelns einer Gemeinde im Zusammenhang mit der Erfüllung von hoheitlichen Vollzugsaufgaben bedarf, ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

1. Eine Auslegung des Inhalts der eidesstättigen Erklärung dahin, damit verzichte der Kläger auf alle denkbaren Ansprüche gegen die Beklagte, auch soweit sie mit der Beschaffenheit und dem Untergrund des gewidmeten Grundstücks gar nicht im Zusammenhang stehen, findet sich im Berufungsurteil nicht. Die darauf gerichtete Kritik der Beklagten ist daher unberechtigt.

2.1. (Auch) Die Begründung des Berufungsgerichts für seine Rechtsansicht, zwischen den Streitteilen sei ein Verzichtsvertrag wegen konkludenter Annahme/nachträglicher Genehmigung der Verzichtserklärung des Klägers durch den Gemeinderat der Beklagten zustande gekommen, erfolgte ausführlich und unter Berufung auf höchstgerichtliche Judikatur. Wenn die Revision dagegen nur vorträgt, diese Ausführungen seien „unschlüssig bzw. unzutreffend“, ohne auf die Argumente der zweiten Instanz in irgendeiner Weise einzugehen, fehlt es an einer gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge (vgl RIS-Justiz RS0043605).

2.2. Soweit der Kläger in der Revisionsbeantwortung gegen eine Annahme seiner eidesstättigen Erklärung (als Angebot zu dem darin erklärten Verzicht) durch den Gemeinderat der Beklagten argumentiert, ist ihm zu entgegnen, dass sowohl sein erstinstanzliches Vorbringen als auch sein Klagebegehren einen abgeschlossenen Verzichtsvertrag unterstellen. Seine im Rechtsmittelverfahren dagegen erhobenen Einwände stehen dazu im Widerspruch und sind deshalb unbeachtliche Neuerungen.

3. Die primäre (und selbständige) Begründung für die Rechtsunwirksamkeit (Nichtigkeit) der Verzichtsvereinbarung iSd § 879 Abs 1 ABGB sah das Berufungsgericht darin, die Beklagte hätte ihr hoheitliches Handeln im öffentlichen Interesse bei der Umwidmung nicht vom Abschluss des nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) 2006 nicht vorgesehenen Verzichtsvertrags abhängig machen dürfen.

3.1. In der Entscheidung AZ 2 Ob 511/95 hat der Oberste Gerichtshof folgenden Rechtssatz gebildet: Wenn die Privatwirtschaftsverwaltung gewählt wird, um der materiell gegebenen öffentlich-rechtlichen Bindung zu entgehen, so liegt Missbrauch der Form und daher ein essentieller Verstoß gegen die Grundsätze des Rechtsstaats vor, der gemäß § 879 Abs 1 ABGB zur Nichtigkeit der privatrechtlich getroffenen Vereinbarungen führt (ebenso die später ergangene Entscheidung zu AZ 10 Ob 519/94 = RIS-Justiz RS0034713 [T1]). Weiters wurde schon ausgesprochen, dass ein Vertrag, der gegen das Gebot hoheitlichen Handelns verstößt, nach § 879 ABGB als nichtig zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0014752), dass eine Gemeinde Vollzugsaufgaben (nach dem OöROG) keinesfalls zum Gegenstand privatrechtlicher Vereinbarungen machen darf (so auch VwGH vom 28. April 1992 Zl 91/05/0204) und dass das Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG nicht unter dem Gesichtspunkt des Vor- oder Nachteils Einzelner gesehen werden kann (2 Ob 511/95); ebenso, dass es keinen Unterschied macht, von wem die Initiative zur privatrechtlichen Vereinbarung ausgegangen ist (10 Ob 519/94). Diese Judikatur des Obersten Gerichtshofs blieb - soweit überblickbar - in der Lehre unbeanstandet (vgl die kritiklosen Zitate von Krejci in Rummel ³ § 879 ABGB Rz 146; Apathy/Riedler in Schwimann ³ § 879 ABGB Rz 4; Graf in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 879 Rz 206).

Es entspricht schließlich ständiger Judikatur, dass keine generelle Wahlfreiheit zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen besteht, jedenfalls dort nicht, wo der Gesetzgeber zu erkennen gibt, dass die hoheitliche Gestaltung zwingend ist (RIS-Justiz RS0038475 [T1]).

3.2. Die eingangs erwähnte Rechtsansicht des Berufungsgerichts weicht von den Leitlinien dieser Judikatur nicht ab.

Auch die Beklagte bezweifelt nicht, dass eine Umwidmung, also die Änderung eines Flächenwidmungsplans nach dem TROG 2006, zu den hoheitlichen Vollzugsaufgaben der beklagten Gemeinde zählt. Deshalb bestand in diesem Rahmen kein Spielraum für privatrechtliches Handeln, sofern nicht eine gesetzliche Regelung eine Grundlage dafür bot (§ 18 B-VG).

Die Beklagte hat aber ‑ unstrittig ‑ als Voraussetzung für die Umwidmung vom Kläger den Abschluss des Verzichtsvertrags gefordert, der kein gesetzliches Kriterium für die Vornahme der Umwidmung bildet (vgl §§ 36 und 37 TROG 2006 in der im Juni 2008 geltenden Fassung).

3.3. Für den vorliegenden Verzichtsvertrag vermag die Beklagte aber eine taugliche Grundlage weder im TROG 2006 zu nennen (dessen § 33 Abs 2 sie in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht ausdrücklich nicht heranzieht) noch in einer anderen Gesetzesbestimmung. Der von ihr bemühte § 9 Abs 5 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 (TVAG 2011), der - wie schon der bei Vertragsabschluss geltende § 9 Abs 4 TVAG 1998) - auf privatrechtliche Vereinbarungen eines Abgabenschuldners mit der Gemeinde betreffend Aufwendungen für die Verkehrserschließung Bezug nimmt, lässt zwar die Zulässigkeit von Vereinbarungen dieses Inhalts erkennen; der hier zu beurteilende Verzichtsvertrag steht aber in keinem Zusammenhang mit der Verkehrserschließung und kann schon deshalb keine Grundlage in der genannten gesetzlichen Regelung finden.

3.4. Eine Rechtfertigung für die Junktimierung der Umwidmung mit dem Abschluss eines privatrechtlichen Verzichtsvertrags kann auch nicht im von der Beklagten hervorgehobenen Ungleichgewicht (ein Gemeindebürger erhalte den Vorteil des Wertzuwachses aus der Umwidmung, die Gesamtheit aller anderen Bürger habe jedoch mögliche Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinde zu tragen) gefunden werden, weil das Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG auch unter dem Gesichtspunkt des Vor- oder Nachteils Einzelner nicht vernachlässigt werden darf (vgl 2 Ob 511/95). Im Übrigen bedeutet der Nichtabschluss eines Verzichtsvertrags keineswegs zwingend, dass die Beklagte Schadenersatz- oder sonstige Ansprüche, die Beschaffenheit und den Untergrund des umgewidmeten Grundstücks betreffend, zu erfüllen haben wird.

3.5. Zusammengefasst hat die beklagte Gemeinde die Ausübung ihrer hoheitlichen Vollzugsaufgaben bei der Umsetzung des TROG 2006 (Prüfung der gesetzlich dafür normierten Voraussetzungen) in einer gegen das Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG verstoßenden Weise vom Zustandekommen einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Umwidmungswerber abhängig gemacht. Dieses gesetzwidrige Vorgehen der Beklagten bei der streitgegenständlichen Umwidmung zur Erreichung des nunmehr angefochtenen Verzichtsvertrags mit dem Kläger erfüllt den Tatbestand des § 879 Abs 1 ABGB und hat deshalb dessen Nichtigkeit zur Folge.

Abgesehen von diesen Überlegungen zeigt schon der Umstand der nachträglichen Feststellung einer Kontaminierung des umgewidmeten Grundstücks durch Müll, dass eine zweifellos zu den hoheitlichen Aufgaben der beklagten Gemeinde zählende Prüfung der Eignung der Grundfläche zur Bebauung ua im Hinblick auf Bodenbelastungen (vgl § 37 Abs 1 lit b TROG 2006) nicht in ausreichendem Maß erfolgt ist. Das musste aber angesichts der Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung (S 15 des Ersturteils), die späteren Grabungen zur Verwirklichung des Bauprojekts seien in einem anderen Bereich der Grundfläche vorgenommen worden, als die Probegrabungen, woraus sich deren unzureichende Aussagekraft nahezu zwingend ergibt, schon vorweg in Betracht gezogen werden. Wirtschaftlich betrachtet stellt daher die getroffene Verzichtsvereinbarung eine Überwälzung der von der Beklagten zu tragenden Kosten weiterer Untersuchungen (zB durch ein teures bodenmechanisches Gutachten [vgl den Bürgermeister der Beklagten S 27 der ON 7 = AS 87]) auf den Kläger in dieser Form dar, dass er das finanzielle Risiko allfälliger Ersatzansprüche gegen die Beklagte aus dieser Unterlassung zu tragen hat. Auch eine solche Überwälzung ist aber im TROG 2006 nicht vorgesehen, weshalb der darauf gerichtete zivilrechtliche Vertragsschluss der Streitteile gesetzwidrig war und seine Nichtigkeit zur Folge hat.

Den weiteren, vom Berufungsgericht erblickten und von der Beklagten verneinten Gründen für eine Gesetzwidrigkeit des Verzichtsvertrags nach § 879 Abs 1 ABGB kommt somit keine präjudizielle Bedeutung zu, weshalb sich eine Auseinandersetzung damit erübrigt.

4. Das in den materiell-rechtlichen Bestimmungen der §§ 879 Abs 1 (und 870 ff) ABGB wurzelnde Klagebegehren bedarf nicht des Nachweises eines besonderen rechtlichen Interesses des Klägers (vgl 2 Ob 511/95 = RIS-Justiz RS0014650 [T1]; RS0016250; RS0014764).

5. Die Entscheidung über die vom Kläger richtig verzeichneten Kosten seiner Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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