OGH 8ObS14/12k

OGH8ObS14/12k19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei IEF‑Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, wegen Insolvenzentgelt (843,30 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. September 2012, GZ 11 Rs 85/12t‑11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Juni 2012, GZ 9 Cgs 23/12m‑7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 18. 8. 2008 Lehrling bei der späteren Schuldnerin. Mit Beschluss vom 14. 12. 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 21. 12. 2009 wurde die Produktion eingestellt. Mit Beschluss vom 19. 2. 2010 bewilligte das Insolvenzgericht die Schließung des Unternehmensteilbereichs (Telefonzentrale), in dem die Klägerin tätig war. Am 21. 2. 2010 erklärte die Klägerin den berechtigten Austritt gemäß § 25 KO. Mit Beschluss vom 2. 4. 2010 wurde die gänzliche Schließung des Unternehmens bewilligt. Am 9. 4. 2010 legte der Geschäftsführer der Schuldnerin die Gewerbeberechtigung zurück. Am gleichen Tag teilte der Insolvenzverwalter der Gewerbebehörde mit, dass kein Fortbetrieb erfolgt.

Mit Bescheid vom 13. 1. 2012 lehnte die Beklagte das von der Klägerin begehrte Insolvenzentgelt für Kündigungsentschädigung (vom 10. 4. bis 21. 5. 2010) samt Urlaubsersatzleistung ab.

Mit der zugrunde liegenden Klage begehrte die Klägerin 843,30 EUR an Insolvenzentgelt. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse ende erst mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Da die jederzeitige Zurücklegung der Gewerbeberechtigung durch den Insolvenzverwalter nicht zulässig sei, komme seiner Mitteilung vom 9. 4. 2010 gegenüber der Gewerbebehörde keine Bedeutung zu.

Die Beklagte entgegnete, dass das Lehrverhältnis mit der Zurücklegung und Löschung der Gewerbeberechtigung der Schuldnerin sowie mit der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse beendet worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Lehrverhältnis bestehe trotz Erlöschens der Gewerbeberechtigung der Schuldnerin und trotz Unternehmensschließung weiter, solange der Masseverwalter nicht auf das Fortbetriebsrecht verzichtet habe. Nach der Gewerbeordnung könne der Masseverwalter spätestens einen Monat nach Entstehung des Fortbetriebsrechts auf dieses mit der Wirkung ex tunc verzichten. Eine solche Verzichtserklärung liege nicht vor, weshalb es zu keiner ex lege‑Beendigung des Lehrverhältnisses gekommen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Das Lehrverhältnis werde durch Entziehung oder Erlöschen der Gewerbeberechtigung ex lege beendet. Im vorliegenden Verfahren sei zu klären, ob dem Insolvenzverwalter neben der in §§ 43 und 44 GewO beschriebenen Verzichtsmöglichkeit auf das Fortbetriebsrecht mit Wirkung ex tunc eine zusätzliche Möglichkeit zukomme, das Fortbetriebsrecht mit Wirkung ex nunc zurückzulegen. Dies sei zu bejahen. Dass in § 85 Z 7 GewO nur § 41 Abs 1 Z 1 bis 3, nicht aber auch Z 4 genannt werde, lasse ‑ mangels normativen Inhalts des § 85 ‑ nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber hätte damit eine über den Verzicht innerhalb der Monatsfrist hinausgehende Zurücklegung des Fortbetriebsrechts durch den Insolvenzverwalter ausschließen wollen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage einer zusätzlichen, neben der in §§ 43 und 44 GewO geregelten Verzichtsmöglichkeit des Insolvenzverwalters auf das Fortbetriebsrecht höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die von der Klägerin in der Revision geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Dieser Revisionsgrund kann sich nur auf eine Tatsachenfeststellung, nicht aber auf eine Anfragebeantwortung durch einen Mitautor eines Gesetzeskommentars beziehen.

2.1 Die Klägerin ist aus dem Lehrverhältnis begünstigt nach § 25 KO vorzeitig ausgetreten. In den Rechtsfolgen unterscheidet sich der begünstigte begründete Austritt des Arbeitnehmers nach § 25 KO (IO) nicht von einem begründeten Austritt nach allgemeinem Arbeitsrecht. Der Arbeitnehmer hat daher Anspruch auf Schadenersatz in der Art der Kündigungsentschädigung bis zur fiktiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordnungsgemäße Arbeitgeberkündigung (8 ObS 4/12i).

Tritt ein besonders bestandgeschützter Arbeitnehmer nach § 25 KO (IO) vorzeitig aus, so stellt sich die Frage nach der Berücksichtigung der sogenannten langen Kündigungsentschädigung, also unter Bedachtnahme auf den gesamten bestandgeschützten Zeitraum. Auch in diesen Fällen ist anerkannt, dass beim Anspruch auf Kündigungsentschädigung auf vorher ex lege eingetretene Endigungsgründe, mit denen ein Verlust künftiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verbunden ist, Bedacht zu nehmen ist. Dies gilt etwa für die ex lege‑Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers oder durch Verlust der Gewerbeberechtigung samt Einstellung der Gewerbeausübung (8 ObS 299/00d; 8 ObS 4/12i; siehe auch 8 ObS 8/06v).

2.2 Ein Lehrverhältnis dauert solange an, bis es entweder gemäß § 14 Abs 1 BAG durch Fristablauf oder gemäß § 14 Abs 2 BAG kraft Gesetzes endet. In diesem Sinn kommt es mit dem Verlust der Gewerbeberechtigung auch zur ex lege‑Beendigung des Lehrverhältnisses (§ 14 Abs 2 lit d BAG). Eine ex lege‑Beendigung des Lehrverhältnisses schließt einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung aus bzw beendet einen derartigen schon laufenden Anspruch (RIS‑Justiz RS0052893; RS0008980).

Wie im Weiteren gezeigt wird, ist in der Insolvenz des früheren Arbeitgebers zwischen dem Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse und der Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers zu unterscheiden. Im Insolvenzverfahren tritt der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners in den Lehrvertrag ein und übt damit die Funktion des Lehrberechtigten aus (Berger/Fida/Gruber, BAG‑Komm mit Vorschriftensammlung § 14 Rz 34). Für eine ex lege‑Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Lehrverhältnisses) während des Insolvenzverfahrens kommt es daher auf den Verlust des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse an.

3.1 Aufgrund der Regelungen in der Gewerbeordnung ist auch für die Streitteile nicht fraglich, dass zwischen der Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers und dem Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse zu unterscheiden ist. So wird etwa in § 86 Abs 3 GewO bestimmt, dass die Anzeige über die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung durch den Gewerbeinhaber das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse nicht berührt. Dieses Fortbetriebsrecht besteht also zusätzlich zur Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers (VwGH Zl 94/04/0039; Gruber/Paliege‑Barfuß, GewO7 § 44 Anm 2). Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse hindert den Gewerbeinhaber nicht, seine Gewerbeberechtigung zurückzulegen (8 ObS 3/11s). Gleichermaßen kann der Insolvenzverwalter nicht in die Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers eingreifen (VwGH Zl 2010/03/0084). Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse endet grundsätzlich erst mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter hat nach Maßgabe des § 43 Abs 3 GewO (spätestens innerhalb einer Frist von einem Monat ab Insolvenzeröffnung) aber die Möglichkeit, auf das Fortbetriebsrecht mit der Wirkung ex tunc zu verzichten (§ 44 GewO).

3.2 Im vorliegenden Verfahren ist fraglich, ob das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse auch nach der genannten Monatsfrist aufgegeben werden kann.

Anknüpfungspunkt für die diese Frage verneinende Argumentation der Klägerin ist § 85 Z 7 GewO. Nach dieser Bestimmmung endet die Gewerbeberechtigung mit der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung sowie im Fall von Fortbetrieben gemäß § 41 Abs 1 Z 1 bis 3 GewO mit der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts. Die Klägerin schließt daraus, dass das Fortbetriebsrecht iSd § 41 Abs 1 Z 4 GewO nicht genannt sei und daher nicht zurückgelegt werden könne. Es komme daher nur ein Verzicht nach § 44 GewO in Betracht.

3.3 Diesem Ansatz ist nicht zu folgen.

Die Gewerbeordnung unterscheidet ausdrücklich zwischen der Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) und dem Fortbetriebsrecht (von Ehegatten und Nachkommen sowie hier der Konkursmasse). § 85 GewO bezieht sich ausschließlich auf die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers). Diese endet nach Z 7 leg cit mit Zurücklegung der Gewerbeberechtigung oder des Fortbetriebsrechts gemäß § 41 Abs 1 Z 1 bis 3 GewO (Ehegatten und Nachkommen).

Wie bereits ausgeführt, kann sich eine Verfügung des Insolvenzverwalters nur auf das Fortbetriebsrecht, nicht aber auch auf die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) beziehen. Durch einen „Verzicht“ des Insolvenzverwalters auf das Fortbetriebsrecht endet die Gewerbeberechtigung gerade nicht. Daraus folgt, dass § 41 Abs 1 Z 4 GewO (Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse) kein Regelungsgegenstand des § 85 GewO sein kann. Nach der dargestellten Systematik der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen bedeutet dies gleichzeitig, dass § 85 GewO zum Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse keine Aussage enthält.

3.4 Ehegatten und Nachkommen können auf das Fortbetriebsrecht mit Wirkung ex tunc verzichten (§ 43 Abs 3 GewO). Tun sie dies nicht, so endet im Fall des Fortbetriebs durch sie die Gewerbeberechtigung mit der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts (§ 85 Z 7 GewO). Mit „Fortbetrieb“ („im Fall des Fortbetriebs“) ist demnach das Entstehen des Fortbetriebsrechts gemeint (§ 41 Abs 1 GewO). Wenn auf das Fortbetriebsrechts mit der Wirkung ex tunc verzichtet wird, sodass dieses gar nicht entsteht, liegt damit kein Fall des Fortbetriebs vor.

Daraus ergibt sich, dass zwischen Verzicht auf das Fortbetriebsrecht (mit der Wirkung ex tunc) und der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts („im Fall des Fortbetriebs“) zu unterscheiden ist. Der „Verzicht“ auf das Fortbetriebsrecht ist demnach ein Spezialfall des Umgangs mit dem Fortbetriebsrecht, der dieses gar nicht entstehen lässt (Wirkung ex tunc).

Hinsichtlich des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse besteht nur eine Regelung über den Verzicht. Über weitere Möglichkeiten der Verfügung über das Fortbetriebsrecht durch den Insolvenzverwalter wird damit noch nichts ausgesagt.

Da im Fall des Fortbetriebs durch Ehegatten und Nachkommen sogar die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) zurückgelegt werden kann, muss aufgrund eines Größenschlusses erst recht die Zurücklegung des Fortbetriebsrechts mit der Wirkung ex nunc durch den Insolvenzverwalter zulässig sein. Diese Verfügung lässt, wie schon dargestellt, die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) unberührt.

4.1 In der Literatur finden sich zu dieser Frage unterschiedliche Ansätze.

Kinscher/Sedlak (GewO6 § 44 Anm 9) vertraten die Ansicht, dass dem Masseverwalter ungeachtet des Wortlauts des § 85 Z 7 GewO die Möglichkeit der Zurücklegung seines Fortbetriebsrechts gewahrt bleibe.

Gruber/Paliege‑Barfuß (GewO7 § 44 Anm 11) vertreten in ihrem Kommentar folgende Meinung: „Aus § 86 Abs 3 ist ersichtlich, dass das Fortbetriebsrecht des Masseverwalters unabhängig von der diesem zu Grunde liegenden Gewerbeberechtigung besteht. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass der sich auf die Anführung der Z 1 bis 3 des § 41 Abs 1 beschränkende § 85 Z 7 sich bezüglich der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts auf die Endigung der dem Fortbetrieb zugrunde liegenden Gewerbeberechtigung selbst bezieht. Dem Masseverwalter bleibt deshalb ungeachtet des Wortlauts des § 85 Z 7 die Möglichkeit der Zurücklegung seines Fortbetriebsrechts gewahrt.“

Diese Meinungen sprechen für die zuvor dargestellte Ansicht des Senats. Entgegen der Behauptung der Klägerin in der Revision sind die Ausführungen von Gruber/Paliege‑Barfuß keineswegs unklar, sondern eindeutig. Auch die vom Klagsvertreter beim Mitautor Gruber eingeholte Stellungnahme steht mit diesem Ergebnis nicht im Widerspruch. Diese (in der Revision wiedergegebenen) Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf die Darstellung des Unterschieds zwischen dem Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse einerseits und der Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers andererseits. Dies hat offenbar auch der Klagsvertreter erkannt, zumal er sich zu einer „nochmaligen Nachfrage“ veranlasst sah. Auch die zusammenfassende Antwort, wonach Gruber die Ansicht vertrete, dass der Masseverwalter außerhalb der Monatsfrist auf das Fortbetriebsrecht nicht verzichten und/oder allenfalls die Gewerbeberechtigung zurücklegen könne, steht den Überlegungen des Senats nicht entgegen. Der Verzicht des Insolvenzverwalters betrifft nämlich nur den Fall, dass das Fortbetriebsrecht gar nicht entsteht (Wirkung ex tunc). Auf die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) hat der Insolvenzverwalter keinen Einfluss.

4.2 In der Literatur gibt es auch gegenteilige Stimmen: Fialka (Gewerbliche Unternehmen im Konkurs, ÖZW 1976/4, 109 [111]) führte aus, dass nach § 44 GewO das Fortbetriebsrecht des Masseverwalters mit der Aufhebung des Konkurses ende. Eine Zurücklegung des Fortbetriebsrechts sei gesetzlich nicht vorgesehen. Er schließt dies aus § 85 GewO.

Hanusch (in Hanusch/Stöger, GewO § 44 Rz 2) meint, dass die Zurücklegung des mit dem Insolvenzverfahren untrennbar verknüpften Fortbetriebsrechts nicht möglich sei, weil die Abwicklung der Insolvenz bis zum Ende des Insolvenzverfahrens gesichert sein solle. Auch er schließt dies (e contrario) aus § 85 Z 7 GewO.

Grabler/Stolzlechner/Wendl (GewO³ § 44 Rz 6) stehen auf dem Standpunkt, dass eine Zurücklegung des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen und daher unzulässig sei. Auch sie ziehen diesen Schluss aus § 85 Z 7 GewO. Zudem führen sie aus, dass der Verzicht auf ein subjektives öffentliches Recht nur zulässig sei, wenn dies gesetzlich vorgesehen sei (aaO § 43 Rz 10).

Soweit die zuletzt dargestellten Kommentarstellen ihre (gegenteilige) Ansicht auf § 85 Z 7 GewO stützen, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Bestimmung nur auf die Beendigung der Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers), nicht aber auf den Verlust des Fortbetriebsrechts bezieht. § 41 Abs 1 Z 4 GewO kann demnach kein Regelungsinhalt des § 85 Z 7 GewO sein. Das weitere Argument von Hanusch, dass die Abwicklung der Insolvenz bis zum Ende des Insolvenzverfahrens gesichert sein solle, ist nicht stichhaltig, weil die Abwicklung der Insolvenz auch in der Liquidation des Vermögens bestehen kann und die Gewerbeausübung daher nicht erforderlich ist. Tatsächlich liegt die Entscheidung über die Betriebseinstellung oder Betriebsfortführung im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzverwalters. Hanusch liefert auch keine Begründung dafür, warum die von ihm aufgestellte These nur im ersten Monat (§ 44 iVm § 43 Abs 3 GewO) durchbrochen werden können soll. Die Begründung von Grabler/Stolzlechner/Wendl, wonach der Verzicht auf ein subjektives öffentliches Recht nur zulässig sei, wenn dies gesetzlich vorgesehen sei, steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Danach kann zufolge allgemeiner Rechtsgrundsätze grundsätzlich auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung auf im öffentlichen Recht wurzelnde Ansprüche verzichtet werden, sofern sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nichts Gegenteiliges ergibt (VwGH Zl 2011/07/0186). Entgegen der Ansicht der Klägerin stehen der Zulässigkeit der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts durch den Insolvenzverwalter weder öffentliche Interessen noch Ausbildungsinteressen entgegen. Wenn die Gewerbeausübung unterbleibt, kann der Lehrling auch nicht mehr ausgebildet werden.

5.1 Zusammenfassend ergibt sich:

In der Insolvenz des Arbeitgebers kommt es mit dem Verlust des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse zur ex lege‑Beendigung des Arbeitsverhältnisses (hier Lehrverhältnisses). Der Insolvenzverwalter hat nicht nur die Möglichkeit, auf das Fortbetriebsrecht innerhalb der Monatsfrist nach § 44 iVm § 43 Abs 3 GewO mit der Wirkung ex tunc zu verzichten, sondern er kann darüber hinaus auch außerhalb der genannten Monatsfrist das Fortbetriebsrecht mit der Wirkung ex nunc zurücklegen. Diese Verfügungen des Insolvenzverwalters lassen die Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers unberührt.

5.2 Nach diesen Grundsätzen trat im Anlassfall der Verlust des Fortbetriebsrechts und damit die ex lege‑Beendigung des Lehrverhältnisses der Klägerin mit 9. 4. 2010 ein. Angemerkt wird, dass am selben Tag vom Gewerbeinhaber auch die Gewerbeberechtigung der Schuldnerin zurückgelegt wurde.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit diesem Ergebnis im Einklang. Der Revision der Klägerin war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG. Gründe für einen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit wurden nicht dargelegt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte