OGH 6Ob50/12i

OGH6Ob50/12i19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** K*****, vertreten durch RA Dr. Franz P. Oberlercher & RA Mag. Gustav H. Ortner Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei H***** K*****, vertreten durch Olsacher & Gradnitzer Rechtsanwälte OG in Spittal an der Drau, wegen 7.666 EUR sA (Revisionsinteresse 7.482,67 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2011, GZ 3 R 153/11a‑32, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 20. Juni 2011, GZ 1 C 697/10w‑27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Schenkungsvertrag vom 10. März 2004 übertrug H***** K***** (in der Folge „Erblasserin“) ihrem Sohn, dem Beklagten, die Liegenschaft EZ ***** GB ***** (in der Folge „geschenkte Liegenschaft“), wobei vier ihrer weiteren Kinder für sich und ihre Nachkommen auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegenüber der Übergeberin verzichteten. Der Kläger als weiteres Kind der Erblasserin trat diesem Vertrag nicht bei und verzichtete auch nicht auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht. Die Erblasserin ist am 23. Juni 2009 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung vermögenslos verstorben.

Die Grundstücke der geschenkten Liegenschaft liegen in etwa 920 bis 1100 m Seehöhe. Die Liegenschaft besteht aus Wald‑ und Wiesenflächen sowie einem alten Wirtschaftsgebäude an der nördlichen Grundstücksgrenze. Das über 50 Jahre alte Wirtschaftsgebäude, dessen exaktes Baujahr nicht mehr feststellbar ist, weist eine bebaute Grundfläche von ca 11 x 13,5 m auf. Aufgrund der vorhandenen Infrastruktur ist objektiv betrachtet eine ganzjährige Nutzung kaum möglich; die Liegenschaft kann jedoch als Halthube ‑ vergleichbar mit Alpung ‑ genutzt werden. Die zur Bewirtschaftung notwendigen Geräte wurden vom Beklagten stets vom Hof seines Vaters auf die Liegenschaft gebracht und je nach Bedarf im Wirtschaftsgebäude gelagert. Es diente stets als Viehunterstand. Laut Grundbuch weist die gegenständliche Liegenschaft folgendes Ausmaß bzw folgende Kulturartenverteilung auf: Baufläche (Gebäude) 286 m² = 0,02 ha, landwirtschaftlich genutzt 6.376 m² = 0,64 ha, Wald 82.395 m² = 8,24 ha, gesamt somit 89.007 m² = 8,90 ha.

Der Übernahmswert der geschenkten Liegenschaft beträgt 2.200 EUR, der Verkehrswert 92.000 EUR.

Mit Stellungnahme vom 8. Juni 2010 führte die Landwirtschaftskammer Kärnten aus, die geschenkte Liegenschaft sei als Erbhof im Sinne des § 2 des Kärntner Erbhöfegesetzes 1990 zu qualifizieren.

Der Kläger begehrte zuletzt vom Beklagten Zahlung von 7.666 EUR sA als den ihm zustehenden Schenkungspflichtteil. Die geschenkte Liegenschaft falle nicht unter das Kärntner Erbhöfegesetz.

Der Beklagte wendete ein, die geschenkte Liegenschaft sei als Erbhof im Sinn des Kärntner Erbhöfegesetzes zu beurteilen.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren mit 183,33 EUR sA statt und wiesen das Mehrbegehren ab.

Beide Vorinstanzen bejahten die Erbhofeigenschaft der geschenkten Liegenschaft und zogen daher für die Berechnung des geltend gemachten Schenkungspflichtteils den Übernahmswert heran, wovon dem Kläger ein Zwölftel (2.200 EUR dividiert durch 12) gebühre.

Das Berufungsgericht ließ die Revision aus folgenden Erwägungen zu: Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob von einer „Hofstelle“ auch gesprochen werden könne, wenn auf der zu beurteilenden Liegenschaft auch in der Vergangenheit niemals eine Wohnmöglichkeit bestanden habe. Die einzige auffindbare oberstgerichtliche Entscheidung mit ähnlichem Sachverhalt (SZ 15/19) stamme aus dem Jahr 1933.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Für die Eignung der Liegenschaft, eine Bewirtschaftung im Sinn des Kärntner Erbhöfegesetzes zu ermöglichen, ist nicht auf die konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen der jeweiligen Eigentümer, sondern auf die objektive Nutzungsmöglichkeit abzustellen (6 Ob 106/00g; 6 Ob 265/07z). Eine mangelhafte Bewirtschaftung ist einer dauernden Nichtbewirtschaftung nicht gleichzuhalten; nur eine solche könnte die Erbhofeigenschaft beseitigen (6 Ob 20/02p). Als „Hofstelle“ werden die zum Betrieb der Landwirtschaft auf dem Erbhof notwendigen Baulichkeiten verstanden (6 Ob 17/92). Ein Wohnhaus auf der Liegenschaft ist für die Beurteilung, ob ein Erbhof vorliegt, nicht entscheidend (RIS‑Justiz RS0063051). Erblasser und Anerbe müssen nicht die Möglichkeit haben, auf den als Erbhof geltenden Besitzungen zu wohnen (RIS‑Justiz RS0114346).

Gemäß § 3 Abs 2 Kärntner Erbhöfegesetz 1990 sind auch jene Liegenschaften als Hofbestandteile anzusehen, die gemäß § 2 Abs 1 leg cit Höfe mittlerer Größe sind, aber von einem anderen Hof aus bewirtschaftet werden und zu dessen Wirtschaftsbetrieb gehören (insbesondere Halthuben). Bei sinngemäß gleicher Gesetzeslage (§ 3 Abs 2 Ktn LGBl 1903/33) hat der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 604/32 = SZ 15/19 die Erbhofeigenschaft der G‑Hube, die ihrerseits (ohne eigenes Inventar) keinen selbständigen Wirtschaftskörper darstellte, sondern seit Jahren vom Besitz des dem präsumtiven Anerben gehörigen Hofs aus (also von einem anderen Liegenschaftseigentümer) bewirtschaftet und nur den Sommer über als Weide und Alm (Halthube) genutzt wurde, bejaht.

Bei der Beurteilung, ob der nach höferechtlichen Grundsätzen günstigere Übernahmswert heranzuziehen ist, ist stets auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0008269 [T6]). Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung wäre nur dann vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Eine solche liegt nicht vor: Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich durchaus im Rahmen der zitierten Rechtsprechung, von der abzugehen sich der erkennende Senat nicht veranlasst sieht. Insbesondere die schon vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung SZ 15/19 ist mit dem vorliegenden Fall durchaus vergleichbar.

Auch der Revisionswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb sein Rechtsmittel zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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