OGH 6Ob155/12f

OGH6Ob155/12f19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. M***** GmbH, *****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Ing. E***** F*****, 3. Mag. J***** S*****, beide vertreten durch Rohregger Scheibner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientin M***** GmbH, *****, vertreten durch Lattenmayer Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2012, GZ 15 R 13/12k‑22, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Juli 2011, GZ 13 Cg 145/10s‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Erstklägerin ist schuldig, der Beklagten und deren Nebenintervenientin jeweils die mit 2.052,18 EUR (darin 342,03 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin ist Minderheitsgesellschafterin der beklagten Gesellschaft mit knapp 11 % des am 10. 6. 2010 einbezahlten Stammkapitals von 2,65 Mio EUR. Zweit- und Drittkläger sowie zwei weitere Personen sind ebenfalls Minderheitsgesellschafter, die Nebenintervenientin ist Mehrheitsgesellschafterin mit knapp 80 %.

Im Sommer 2010 bestand bei der Gesellschaft beziehungsweise bei ihren slowakischen Tochtergesellschaften zwecks Finanzierung von Projekten ein mittelfristiger Kapitalbedarf von rund 6,2 Mio EUR. Deshalb wurde in der außerordentlichen Generalversammlung vom 10. 6. 2010 mit den Stimmen der Nebenintervenientin und einer weiteren Gesellschafterin, jedoch gegen die Stimmen der Kläger das Stammkapital der Gesellschaft von 2,65 Mio EUR auf 6,65 Mio EUR erhöht. Der vom Drittkläger gestellte Antrag, das Stammkapital nur um 265.000 EUR zuzüglich eines Agios in Höhe von 3,735 Mio EUR zu erhöhen, wurde hingegen nicht angenommen. Alle überstimmten Gesellschafter wären in der Lage, die beschlossene Kapitalerhöhung beziehungsweise die Übernahme der auf sie entfallenden Geschäftsanteile zu finanzieren, vor allem die Erstklägerin lehnt dies jedoch ab, weil ihrer Ansicht nach dafür kein vernünftiger Grund besteht und die erforderliche Finanzierung von Projekten auch durch Bankkredite erfolgen könnte.

Die Kläger, die in der Generalversammlung Widerspruch erhoben hatten, begehrten mit ihrer fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage nach § 41 GmbHG die Nichtigerklärung dieser Beschlüsse. Die Stimmabgabe durch die Nebenintervenientin sei treuwidrig erfolgt. Es habe nämlich die Absicht bestanden, die Anteile der übrigen Gesellschafter rechnerisch und wirtschaftlich zu verwässern, um die Minderheitsgesellschafter insgesamt auf eine Beteiligung von unter 10 % zu bringen; dann könnte ein Gesellschafterausschluss erfolgen. Die Verwässerung trete ein, wenn die Minderheitsgesellschafter die Kapitalerhöhung nicht mitmachen, was einem faktischen Bezugsrechtsausschluss gleich komme.

Die beklagte Gesellschaft und die Nebenintervenientin hielten dem entgegen, die Kapitalerhöhung sei durch den zusätzlichen Finanzbedarf notwendig geworden; es liege daher weder treuwidriges Verhalten vor noch komme es zu einem Bezugsrechtsausschluss.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Bezugsrechtsausschluss liege selbst dann nicht vor, wenn Gesellschafter ihr Bezugsrecht aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausüben könnten. Treuwidrig wäre die Stimmabgabe durch die Nebenintervenientin zwar gewesen, wenn der Beschluss über die Kapitalerhöhung zumindest überwiegend zu dem Zweck gefasst worden wäre, finanzschwachen Gesellschaftern die Ausübung des Bezugsrechts unmöglich zu machen; dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstklägerin nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Kapitalerhöhung nach §§ 52 f GmbHG nur im Fall eines Bezugsrechtsausschlusses eines Gesellschafters aufgrund eines angemessenen, dem inneren Wert der Gesellschaftsanteile entsprechenden Ausgabepreises festgelegt werden muss oder ob dies auch im Fall der Uneinigkeit der Gesellschafter betreffend die Kapitalerhöhung zu geschehen hat.

In der Sache selbst meinte das Berufungsgericht, der Verwässerungsschutz zugunsten überstimmter Gesellschafter komme nur bei einem Bezugsrechtsausschluss zur Anwendung; ein solcher sei hier aber nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstklägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die Erhöhung des Stammkapitals setzt einen Beschluss auf Abänderung des Gesellschaftsvertrags voraus (§ 52 Abs 1 GmbHG). Nach § 52 Abs 2 GmbHG können zur Übernahme der neuen Stammeinlagen von der Gesellschaft die bisherigen Gesellschafter oder andere Personen zugelassen werden; nach Abs 3 steht den bisherigen Gesellschaftern mangels einer anderweitigen Festsetzung im Gesellschaftsvertrag oder Erhöhungsbeschluss binnen vier Wochen vom Tag der Beschlussfassung an ein Vorrecht zur Übernahme der neuen Stammeinlagen nach Verhältnis der bisherigen zu. Der Sinn dieser Regel besteht darin, allen Gesellschaftern die Bewahrung ihrer bisherigen Beteiligungsquoten zu ermöglichen; sie ist Bestandteil des allgemeinen Mitgliedschaftsrechts der Gesellschafter (5 Ob 649/80 SZ 53/172; Koppensteiner/Rüffler GmbHG3 § 52 Rz 11).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Erhöhung des Stammkapitals nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Gesellschafter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die neuen Stammanteile zu übernehmen (7 Ob 507/81 SZ 54/15; 1 Ob 190/01z; 3 Ob 183/01k), oder dies ‑ aus welchen Gründen immer ‑ nicht tun will (7 Ob 507/81). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gesellschafter im Sinn eines Verbots ihrer willkürlichen Ungleichbehandlung, die sich bei einer redlichen und vernünftigen Beurteilung nicht rechtfertigen ließe (5 Ob 649/80), ist auch in einem solchen Fall gewahrt.

2. In Deutschland meint ein Teil der Literatur (vgl die Nachweise bei Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG19 [2010] § 55 Rz 13) zu § 55 dGmbHG, ein angemessener Ausgabepreis sei nicht nur im Fall eines Bezugsrechtsausschlusses festzulegen, sondern auch dann, wenn sich die Gesellschafter über die Frage der Kapitalerhöhung nicht einig sind. Nach Auffassung des OLG Stuttgart (GmbHR 2000, 333 = NZG 2000, 156 = BB 2000 Heft 23, 1155) könnten ansonsten die überstimmten Gesellschafter die ihnen drohenden Vermögensnachteile nur um den Preis einer entsprechenden Neuinvestition vermeiden, zu der sie nach den Grundsätzen des GmbH-Rechts jedoch nicht gezwungen werden können.

3. Der Oberste Gerichtshof hat den Schutz des betroffenen Gesellschafters vor einer Verwässerung des inneren Werts seiner Beteiligung bislang nur im Falle eines Bezugsrechtsausschlusses durch den Kapitalerhöhungsbe-schluss geprüft. Danach darf der neue Geschäftsanteil dem bevorzugten Gesellschafter oder einem Dritten nur ‑ unter etwaiger Verpflichtung zur Festsetzung eines Agios ‑ zu einem angemessenen Übernahmspreis überlassen werden, um den Schutz der vom Bezugsrechtsausschluss betroffenen Gesellschafter gegen eine enteignungsgleiche Verwässerung ihrer Anteile zu gewährleisten (5 Ob 649/80; ebenso Reich-Rohrwig, Sanierung durch vereinfachte Kapitalherabsetzung und -erhöhung, GesRZ 2001, 69; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 17; Ettmayer/Ratka in Straube, WK zum GmbH-G § 52 Rz 80, 81).

Dieses Verwässerungsverbot gilt auch dann, wenn das Bezugsrecht sämtlicher Gesellschafter zugunsten eines Dritten ausgeschlossen wird, auch wenn in einem solchen Fall der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter nicht verletzt wird (5 Ob 649/80; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 19 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur). Auch in einem solchen Fall darf ein neuer Geschäftsanteil nur gegen eine wertentsprechende Gegenleistung (Agio) eingeräumt werden (Koppensteiner/Rüffler aaO).

Diese Anwendungsfälle sind im vorliegenden Verfahren nicht einschlägig.

4. Der in Deutschland vertretenen Auffassung (2.), auf die sich die Revision ausschließlich beruft, schließt sich der erkennende Senat für Österreich im Hinblick auf das durch sie (ansonsten möglicherweise) eröffnete Erpressungspotenzial (vgl Heckschen, DStR 2001, 1437) jedenfalls für einen Fall wie dem vorliegenden nicht an, in dem ein Bezugsrechtsausschluss nicht vorliegt, ein rechtsmissbräuchliches Motiv des Mehrheitsgesellschafters (wie etwa ein langfristig geplanter Hinauswurf des Minderheitsgesellschafters qua Gesellschafter-Ausschlussgesetz) nicht feststeht, alle Gesellschafter nach den Feststellungen auch wirtschaftlich in der Lage sind, bei der Kapitalerhöhung mitzuziehen, und letztlich eine Interessenabwägung eher gebietet, den Kapitalerhöhungsbe-schluss (festgestellter Finanzierungsbedarf) bestehen zu lassen.

5. Damit war aber der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; da sich auf Klagsseite nur die Erstklägerin am Revisionsverfahren beteiligt hat, steht ein Streitgenossenzuschlag nicht zu.

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