OGH 7Ob128/12t

OGH7Ob128/12t19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde R*****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei H***** F*****, vertreten durch Opperer-Schartner Rechtsanwälte GmbH in Telfs, wegen 300 EUR sA, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. Mai 2012, GZ 3 R 9/12p-26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Silz vom 23. November 2011, GZ 3 C 695/10z-22, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das - auf Zahlung von 300 EUR sA (für rechtswidriges Deponieren von Fichtenästen, die von Waldbäumen stammten und daher nicht unter den Begriff „Baum- und Strauchschnitt“ fielen, im Recyclinghof der klagenden Gemeinde) gerichtete - Klagebegehren ab. Es wäre an der Klägerin gelegen, in der gemäß § 15 AWG 2002 von der Gemeinde zu erlassenden Müllabfuhrordnung (im Müllabfuhrplan der Klägerin) eine genaue Spezifizierung des aufgezählten Baum- und Strauchschnitts vorzunehmen. Da es jedoch an Hinweisen oder Mitteilungen der Klägerin fehle, dass große Baum- und Strauchschnittmengen oder Fichtenäste im Speziellen nicht abgelagert werden dürften, bestehe das Klagebegehren „nicht zu Recht“.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Klägerin das Ersturteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Im Bereich der Abfallwirtschaft stehe es der klagenden Gemeinde nicht frei, zwischen den Instrumenten der Hoheitsverwaltung und der Privatwirtschaftsverwaltung zu wählen. Sie habe sich der Mittel der Hoheitsverwaltung zu bedienen (vgl 2 Ob 80/06p; RIS-Justiz RS0049943). Deshalb sei der Rechtsweg nicht zulässig.

Gegen diesen Beschluss richten sich der Rekurs der Klägerin und der „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit Aufhebungsanträgen beider Parteien und dem vom Beklagten primär gestellten Antrag auf Abänderung im Sinn einer Bestätigung des Ersturteils.

Die Klägerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

In der Rekursbeantwortung des Beklagten wird allein die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Bestätigung des Ersturteils begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist verspätet, jener des Beklagten ist unzulässig.

Wenn das Berufungsgericht (wie im vorliegenden Fall) unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Urteils die Klage zurückweist, ist sein Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls, also unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, anfechtbar (RIS-Justiz RS0043861; RS0043882 [T6, T11]; RS0043886 [T1, T3]; 1 Ob 135/12b mwN). Da es sich dabei um einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluss des Berufungsgerichts handelt, sind die Rechtsmittel der Parteien aber - entgegen der vom Beklagten unrichtig angeführten Bezeichnung - Rekurse (3 Ob 142/11w).

Zum Rekurs der Klägerin:

§ 521 Abs 1 ZPO normiert seit der ZVN 2009 generell als Rekursfrist 14 Tage, wovon nur zwei - hier nicht zum Tragen kommende - Ausnahmen bestehen (und zwar für den Rekurs gegen einen Endbeschluss und den Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Für Revisionsrekurse, für Vollrekurse nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (wie hier) und - nach wie vor - auch für Kostenrekurse beträgt die Rechtsmittelfrist somit 14 Tage (3 Ob 142/11w mwN). Diese Frist beginnt nach § 521 Abs 2 ZPO mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des anzufechtenden Beschlusses, hier also mit der am 25. 5. 2012 erfolgten Zustellung der Rechtsmittelentscheidung an den Klagevertreter. Die Rekursfrist endete daher mit Ablauf des 8. 6. 2011, weshalb sich der erst am 20. 6. 2012 im ERV eingebrachte Rekurs der Klägerin als verspätet erweist.

Zum Rekurs des Beklagten:

Erwirkte der Beklagte in erster Instanz eine Sachentscheidung zu seinen Gunsten, so ist er nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0041758; abweichend RS0043925) durch einen Beschluss zweiter Instanz auf Zurückweisung der Klage aus formellen Gründen grundsätzlich beschwert. Nach Rechtsprechung (3 Ob 53/86; 1 Ob 146/98x; 5 Ob 64/06g) und Lehre (Zechner in Fasching/Konecny² Vor §§ 514 ff ZPO Rz 73 und 74; Kodek in Rechberger³ Vor § 461 ZPO Rz 10) ist eine Beschwer des Beklagten aber dann zu verneinen, wenn die Klage - wie vorliegend - aus einem Grund zurückgewiesen wurde, welcher der neuerlichen Einbringung einer gleichlautenden Klage entgegensteht (1 Ob 135/12b).

Die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt die materielle Rechtsstellung des Beklagten somit nicht, weil die Klägerin die (erfolglos) geltend gemachten Müllkosten im Zivilrechtsweg nicht mehr durchsetzen kann. Die Einbringung einer neuerlichen Klage kann infolge der Bindungswirkung der vorliegenden Entscheidung nicht zur Erzwingung einer meritorischen Prüfung des geltend gemachten Anspruchs führen.

Zur Kostenentscheidung:

Die Rekursbeantwortungskosten hat der Beklagte gemäß §§ 50, 40 ZPO selbst zu tragen, weil er auf die Verspätung des Rekurses der Klägerin nicht hinwies.

Stichworte