OGH 8ObA46/12s

OGH8ObA46/12s19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** E*****, vertreten durch Dr. Siegfried Kommar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Jappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 961,90 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 416,28 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2012, GZ 10 Ra 100/11s-43, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Auslegung des Prozessvorbringens der Parteien kann immer nur an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfolgen und verwirklicht daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Dass die Beklagte in ihrem Einspruch selbst von einem dem Kläger nach ihrer Endabrechnung zustehenden „Bruttolohn“ von 545,62 EUR ausging und diesen zur Grundlage weiterer Berechnungen machte, vermag sie nicht zu bestreiten. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, damit habe sie zugestanden, dass der vom Kläger geltend gemachte Bruttolohn in dieser Höhe aushafte, ist nicht unvertretbar. Dass die Klägerin nachdem diese Frage im ersten Rechtsgang abschließend entschieden war, in zweiter Instanz (neuerungsweise) ihr Vorbringen korrigierte und dabei auf schon in erster Instanz vorgelegte Urkunden verwies, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

2. Nach wie vor beruft sich die Beklagte auf die nunmehr in Art XIII Z 5 des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe für Arbeiter in der ab 1. 1. 2009 geltenden Fassung enthaltene Anordnung, wonach der Anspruch auf den aliquoten Teil der Sonderzahlungen (vgl Art XIII Z 3 und 4 KV) unter anderem im hier vorliegenden Fall der gerechtfertigten Entlassung des Arbeitnehmers erlischt. Es ist allerdings nicht strittig, dass diese kollektivvertragliche Bestimmung in der gemäß § 14 ArbVG beim Bundesministerium für soziale Verwaltung (nunmehr: BMASK) hinterlegten und im Amtsblatt der Wiener Zeitung kundgemachten Fassung des Kollektivvertrags in der hier anwendbaren Fassung nicht enthalten war. Nur der hinterlegten Fassung des Kollektivvertrags kommt aber - was die Revisionswerberin nicht bestreitet - Normwirkung zu (8 ObA 7/11d mwH).

Die Beklagte meint, dass die Kollektivvertragsparteien bloß irrtümlich die Kundmachung der von ihnen vereinbarten („vollständigen“) Bestimmung unterlassen hätten, sodass eine durch Analogie zu füllende planwidrige Lücke des Kollektivvertrags vorliege, die durch Anwendung der seinerzeit nicht kundgemachten Bestimmung zu schließen sei. Damit sei der Anspruch des Klägers auf Sonderzahlungen erloschen.

Eine von den Kollektivvertragsparteien mit einer Regelung verfolgte Absicht kann aber nur dann berücksichtigt werden, wenn sie im (hier: kundgemachten) Text in hinreichender Weise ihren Niederschlag gefunden hat (9 ObA 119/08b ua). Auch wenn daher - wie die Beklagte behauptet - die Kundmachung des von ihr behaupteten Teils der kollektivvertraglichen Regelung nur irrtümlich unterblieben ist, macht das die verbleibende - in sich durchaus schlüssige - Regelung des Kollektivvertrags nicht lückenhaft. Es geht nicht an, auf diese Weise die unterbliebene Kundmachung einer Bestimmung im Wege einer derartigen „Lückenfüllung“ einfach zu umgehen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass mangels einer Regelung über das Erlöschen schon erworbener Ansprüche auf Sonderzahlungen im Kollektivvertrag diese hier zutreffend in die Berechnungsgrundlage der Urlaubsersatzleistung einbezogen worden sind, ist daher nicht korrekturbedürftig.

3. Es ist Sache des Schuldners, entsprechende Behauptungen darüber aufzustellen, warum der in § 49a Satz 1 ASGG festgelegte Zinssatz nicht zustehe (8 ObA 75/04v). Ob ausreichendes Vorbringen erstattet wurde, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte im konkreten Fall kein ausreichendes Vorbringen erstattet hat, ist nicht unvertretbar.

Stichworte