OGH 9ObA144/12k

OGH9ObA144/12k17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. G***** L*****, vertreten durch Mag. Martin Meier Rechtsanwalts GmbH in Graz, wider die beklagte Partei Land Steiermark, Burggasse 15, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Christine Ulm, Rechtsanwältin in Graz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Oktober 2012, GZ 7 Ra 48/12a-17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung eines Dienstverhältnisses vorliegen, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298), stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

Ob Vertrauensunwürdigkeit vorliegt - hier im Sinne der Entlassungsbestimmung des § 133 Abs 2 Z 2 Stmk L-DBR, die jener des VBG nachgebildet ist (vgl 9 ObA 155/09y) -, hängt davon ab, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Vertragsbediensteten gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Vertragsbediensteten das Vertrauen des Dienstgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ob die Befürchtung, dass die Belange des Dienstgebers durch den Vertragsbediensteten gefährdet seien, gerechtfertigt ist, entscheidet allerdings nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des Umstandes des Einzelfalls anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0108229).

Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Beurteilungsgrundsätze zutreffend dargelegt und davon ausgehend weder einen Entlassungsgrund nach § 133 Abs 2 Z 2 (Vertrauensunwürdigkeit) oder Z 4 (Dienstverweigerung) Stmk L-BDR noch den Kündigungsgrund des § 130 Abs 2 Z 1 leg cit (gröbliche Verletzung der Dienstpflicht) als verwirklicht angesehen. Dies ist nach den Umständen des Falles vertretbar und bedarf keiner Korrektur:

Der Kläger, ein anerkannter Brustkrebsspezialist, war seit 1982 zuletzt als Oberarzt an der *****klinik ***** beschäftigt, betreibt eine von der Beklagten genehmigte Ordination und war seit 1990 mit Forschungsarbeiten zum Thema Brustkrebs betraut, zu denen er auch eigenständig Studien verfasste. Er erhielt seit 1990 immer wieder Genehmigungen für die Durchführung von Nebenbeschäftigungen, zuletzt als Projektleiter diverser Studien in der Zeit von März 2009 bis Jänner 2011. Jene Studie, die zum Ausspruch der Entlassung führte, wurde ohne Genehmigung der Ethikkommission und der Anstaltsleitung durch einen vom Kläger 1999 gegründeten gemeinnützigen Verein durchgeführt, wofür der Verein Sponsorengelder erhalten hatte.

Die Vorinstanzen haben unter Bedachtnahme auf die einschlägigen Bestimmungen (§ 30 UG, § 8c Abs 3 KAKuG, § 32 Abs 1 Z 5 AMG, § 57 Abs 1 MPG und die Geschäftsordnung für die Ethikkommission der Medizinischen Universität *****) dargelegt, dass die Studie keiner Befassung der Ethikkommission bedurfte, weil mit ihr weder medizinische Methoden noch neue Arzneimittel oder Medizinprodukte zu beurteilen waren noch angewandte medizinische Forschung am Menschen betrieben werden sollte, sondern - methodisch letztlich als Literaturstudie - die Ursachen für die Nichtteilnahme an einer seit 2006 durchgeführten Brustkrebsstudie erforscht werden sollten. Die Revision zeigt keine stichhaltigen Gründe für die Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht auf. Mangels einer Erwerbsmäßigkeit der Tätigkeit des Klägers für den gemeinnützigen Verein scheidet auch eine Verletzung der Meldepflicht iSd § 56 Abs 3 Stmk L-BDR aus.

Soweit die Beklagte meint, der Kläger hätte für seine Studie personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG verwendet, so handelt es sich nach den Feststellungen um eine Strichliste, die keinerlei Patientennamen oder -daten enthält und als solche auch keine Bestimmbarkeit der Identität der Betroffenen (§ 4 Z 1 DSG) ermöglicht. Andere Daten wie Krankenakten oder sensible Patientendaten wurden vom Kläger nicht verwendet.

Der von der Beklagten vorgebrachten Pflichtverletzung des Klägers aus dem Jahr 1999 musste von den Vorinstanzen schon aufgrund des langen Zeitverlaufs keine besondere Relevanz mehr beigemessen werden. Sie steht mit den aktuellen Vorwürfen auch in keinem Zusammenhang. Der 2004/05 erfolgte Verstoß des Klägers gegen eine meldepflichtige Nebenbeschäftigung kann schon deshalb nicht ins Treffen geführt werden, weil die Nebenbeschäftigung nachträglich genehmigt worden war.

Eine durch den Verein erfolgte Zahlung von 5.000 EUR an einen Kollegen des Klägers hat nach den erstgerichtlichen Feststellungen keinen Bezug zu den Vorwürfen rund um die Studie. Aus den Feststellungen geht nicht hervor, inwiefern diese Zahlung „seltsam“ anmuten sollte. Die Revision geht in diesem Punkt nicht über vage Andeutungen hinaus.

Es verbleibt alleine die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Klägers bei der Aufklärung des Sachverhalts. Darin - auch vor dem Hintergrund der schwierigen Gesprächsbeziehung des Klägers und seiner Vorgesetzten - noch keinen Kündigungs- oder Entlassungsgrund zu sehen, ist aber vertretbar und wirft keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

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