OGH 9ObA129/12d

OGH9ObA129/12d26.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Helwig Aubauer und Mag. Regina Bauer‑Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I***** L*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 42.720,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 5. September 2012, GZ 7 Ra 53/12m‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der normative Teil von (hier: Sozialplan‑) Betriebsvereinbarungen ist ‑ wie jener von Kollektivverträgen ‑ nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen (RIS‑Justiz RS0050963). In erster Linie ist bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung der Wortsinn ‑ auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen ‑ zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Betriebsparteien zu berücksichtigen (vgl RIS‑Justiz RS0010089 ua). Bei der Auslegung muss zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass die Parteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (vgl RIS‑Justiz RS0008897 ua).

Ziel des im vorliegenden Fall zu beurteilenden Sozialplans ist nach seiner Präambel, „Härten und Nachteile im wirtschaftlichen und sozialen Bereich der betroffenen ArbeitnehmerInnen, die durch die Schließung entstehen, zu mildern“. Er gilt gemäß Pkt. 2.1 für alle Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis „wegen Reorganisationsmaßnahmen im zeitlichen Geltungsbereich“ des Sozialplans aufgelöst wird, nicht aber (ua) für Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis „wegen Erreichung des gesetzlichen Regelpensionsalters, das ist derzeit für Frauen das 60. LJ und für Männer das 65. LJ, endet bzw enden könnte bzw welche Anspruch auf eine gesetzliche Pension haben“.

Bei den Leistungen aus dem Sozialplan wird je nach Beendigungsart wie folgt differenziert:

„4. Leistungen für ausscheidende Mitarbeiter

… Voraussetzung für diese Ansprüche ist der über Initiative von [der Beklagten] getroffene Abschluss einer Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zur [Beklagten] und abschließende Regelung der wechselseitigen Ansprüche oder eine Dienstgeberkündigung.“

„5. Leistungen für auf eigenen Wunsch vorzeitig ausscheidende Mitarbeiter

… Voraussetzung für diese Ansprüche ist der Abschluss einer Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zur [Beklagten] und abschließende Regelung der wechselseitigen Ansprüche.“

Nur die in Pkt. 4. vorgesehenen Leistungen umfassen ua eine allgemeine freiwillige Abfertigung und eine besondere freiwillige Abfertigung für ältere Mitarbeiter.

Das Dienstverhältnis der Klägerin wurde über ihre Initiative einvernehmlich beendet, weil sie es im Sommer 2011 aus gesundheitlichen Gründen auflösen und wegen Erreichen des Regelpensionsalters von 60 Jahren zum 1. 11. 2011 in Pension gehen wollte. Ihre Stelle wurde noch nicht abgebaut und musste neu besetzt werden.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer allgemeinen freiwilligen Abfertigung und einer freiwilligen Abfertigung für ältere MitarbeiterInnen iSd Pkt. 4. des Sozialplans ab.

Die Klägerin ist auch im Revisionsverfahren der Ansicht, dass ihre Ausnahme vom persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans wegen Erreichung des gesetzlichen Regelpensionsalters sowohl eine Alters- als auch eine Geschlechtsdiskriminierung darstelle.

Daraus ist für sie aber nichts zu gewinnen, weil Voraussetzung für die Zuerkennung der begehrten Leistungen ein über Initiative der Beklagten getroffener Abschluss einer Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses ist (Pkt. 4.), während eine auf den eigenen Wunsch eines Mitarbeiters zurückzuführende einvernehmliche Auflösung nicht zu diesen Leistungen berechtigt (Pkt. 5.).

Die Klägerin hält dem entgegen, dass dem österreichischen Arbeitsrecht eine Differenzierung zwischen einvernehmlichen Lösungen „auf Initiative des Dienstgebers“ und „auf Initiative des Dienstnehmers“ fremd sei und praktische Unklarheiten, von wem die Initiative ausgegangen sei, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würden. Für die Anwendung von Pkt. 4. sei daher auf das bloße Faktum einer einvernehmlichen Lösung abzustellen.

Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist kein rechtlicher Grund ersichtlich, warum im Rahmen eines Sozialplans nicht in der hier vorgesehenen Weise unterschieden werden dürfte. Mit der Anknüpfung an eine von der Beklagten ausgehende Initiative zur einvernehmlichen Auflösung eines Dienstverhältnisses ist sie offenkundig bestrebt, jenen Mitarbeitern eine freiwillige Leistung zu erbringen, deren Arbeitsverhältnis sie aufgrund der geplanten sukzessiven Betriebsschließung beenden möchte, während sie ein Interesse daran haben kann, die weiterhin benötigten Mitarbeiter bis zur Betriebsschließung zur Verfügung zu haben. Das ist auch nicht unsachlich. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass damit auch keine im Arbeitsrecht inexistente Beendigungsart eingeführt wird. Die Deutung der Klägerin, dass einvernehmliche Auflösungen stets Pkt. 4. zu unterstellen seien, hätte zudem zur Folge, dass für Pkt. 5. kein Anwendungsbereich verbliebe. Ein derartiges Verständnis liefe den eingangs dargelegten Rechtssätzen zuwider und kann den Parteien der Betriebsvereinbarung nicht unterstellt werden.

Die Frage einer Alters‑ oder Geschlechtsdiskriminierung ist danach nicht mehr entscheidungsrelevant.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

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