OGH 9ObA22/12v

OGH9ObA22/12v26.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Helwig Aubauer und Mag. Regina Bauer-Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. E***** S*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 150.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Dezember 2011, GZ 13 Ra 28/11g-42, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Mai 2011, GZ 47 Cga 87/09s-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Es genügt daher nicht, dass die in der außerordentlichen Revision zur Begründung der Zulässigkeit aufgeworfene Rechtsfrage von abstraktem Interesse ist; sie muss für die Entscheidung „präjudiziell“ sein (arg „abhängt“; Kodek in Rechberger, ZPO³ § 508a Rz 1; RIS-Justiz RS0088931 ua). Dies kann nur in Verbindung mit dem erstinstanzlichen Parteivorbringen und den bindenden Tatsachenfeststellungen beurteilt werden. Eine Revision ist nicht schon deshalb zulässig, weil der Oberste Gerichtshof nach Meinung der Revision einen Sachverhalt wie den vorliegenden „überhaupt noch nie“ beurteilt habe. Die Rechtserheblichkeit ist nämlich nicht an der behaupteten Rarität des Sachverhalts, sondern an den rechtlichen Schlüssen zu messen, die der Revisionswerber unter Beachtung seines bisherigen Prozessstandpunkts auf der Grundlage der bindenden Tatsachenfeststellungen zieht. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Revisionswerberin nicht auf:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das von den Vorinstanzen gegenüber der Beklagten als berechtigt erkannte Feststellungsbegehren, dass der Kläger in sechs verschiedenen Arbeitsverhältnissen (davon drei mit der Beklagten bzw drei weitere mit drei weiteren Arbeitgebern) in einem sich über knapp 22 Jahre erstreckenden Zeitraum vom 1. 6. 1983 bis 30. 4. 2005 unverfallbare Pensionsanwartschaften erworben habe. Sowohl die Beklagte als auch die drei weiteren Arbeitgeber des Klägers gehören dem *****-Konzern an. Alle sechs Arbeitsverhältnisse wurden jeweils einvernehmlich aufgelöst und abgerechnet. Für das erste bis dritte sowie für das fünfte Arbeitsverhältnis erhielt der Kläger Abfertigungen; für das vierte und sechste Arbeitsverhältnis mit ausländischen Konzerngesellschaften erhielt der Kläger keine Abfertigung.

Die Beklagte räumte in erster Instanz ein, dass ein Konzern mangels Rechtspersönlichkeit nicht Arbeitgeber sein könne (Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 16 mwN ua). Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger, wie vom Erstgericht im Detail festgestellt wurde, im vorstehenden Zeitraum nicht in einem einzigen Arbeitsverhältnis zum *****-Konzern, sondern in sechs, zeitlich aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen zu verschiedenen Arbeitgebern, die dem *****-Konzern angehören, stand. Dies hindert nicht - darin ist der Beklagten grundsätzlich zu folgen - die Berücksichtigung der „Zugehörigkeit zum Konzern“ (ON 28).

Die Konzernzugehörigkeit findet laut Beklagter unter anderem in der „International Assignment Policy“ des *****-Konzerns Ausdruck. Dabei handelt es sich um die Regeln des Konzerns, die dem Wechsel eines Arbeitnehmers von einer Konzerngesellschaft zu einer anderen Konzerngesellschaft zugrundegelegt werden. Für das Klagebegehren ist daraus vor allem jene Regel von Bedeutung, dass ein Arbeitnehmer trotz Wechsels zu einer anderen Konzerngesellschaft im jeweiligen Pensionssystem derjenigen Heimkonzerngesellschaft verbleibt, in dem er sich bereits befindet (ON 28). Die „Heimkonzerngesellschaft“ des Klägers war unstrittig die Beklagte. Mit ihr bestand im der Klage zugrundeliegenden Zeitraum das erste, dritte und fünfte Arbeitsverhältnis des Klägers. Mit „Pensionssystem“ sind die Pensionsregelungen der Beklagten - zuletzt jene vom 31. 12. 1995 (Beil ./A), mit der die vorhergehenden Regelungen aus 1991 bzw 1983 abgelöst wurden - gemeint, mit denen den Mitarbeitern ein unwiderruflicher Anspruch in Form einer Einzelzusage insbesondere auf eine *****-Alterspension eingeräumt wurde.

Die Beklagte bekräftigte in erster Instanz, dass sie sich nie auf den Standpunkt gestellt habe und sich auch nicht auf den Standpunkt stelle, dass der Klageanspruch etwa deshalb nicht bestehe, weil die vom Pensionsstatut geforderte Wartezeit in den isoliert betrachteten einzelnen Arbeitsverhältnissen nicht zugebracht worden wäre. Nur aufgrund seiner Zugehörigkeit zum *****-Konzern sei der Kläger im Pensionssystem verblieben und habe seine (zehnjährige) Wartezeit vollenden können (ON 28). Der Verbleib im Pensionssystem der Beklagten und die Maßgeblichkeit des ursprünglichen Eintrittsdatums des Klägers per 1. 6. 1983 wurden nach den erstgerichtlichen Feststellungen auch bei den Wechseln des Klägers innerhalb des Konzerns bestätigt.

Legt man nun das Vorstehende, insbesondere auch die Zurücklegung der Wartezeit durch den Kläger, zugrunde, dann kann der Revisionswerberin nicht darin gefolgt werden, dass die Kündigung des siebenten Arbeitsverhältnisses des Klägers im Konzern, das vom 1. 5. 2005 bis 30. 11. 2007 währte (unter Fortführung der obigen Zählung: das vierte Dienstverhältnis mit der Beklagten), zum Verfall auch der Anwartschaften des Klägers aus den sechs vorhergehenden Arbeitsverhältnissen geführt habe. Die Pensionsregelung der Beklagten vom 31. 12. 1995 verweist selbst bezüglich der Unverfallbarkeit von Anwartschaften im (hier vorliegenden) Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass zugleich ein Anspruch auf eine *****-Pension besteht (Anmerkung: Die einvernehmlichen Auflösungen der sechs klagegegenständlichen Arbeitsverhältnisse erfolgten nicht wegen der Zuerkennung einer gesetzlichen Alterspension), auf das Betriebspensionsgesetz. Nach § 7 Abs 1 Z 1 BPG wird die Anwartschaft aus einer direkten Leistungszusage für die Alterspension mangels einer für den Arbeitnehmer günstigeren Regelung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers (oder durch Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers oder unbegründeten vorzeitigen Austritt) endet. Eine für die Unverfallbarkeit „schädliche“ Beendigungsform liegt bezüglich der sechs gegenständlichen Arbeitsverhältnisse nicht vor. Diese wurden einvernehmlich aufgelöst, was dem Eintritt der Unverfallbarkeit nicht entgegensteht (Farny/Wöss, BPG/PKG § 7 BPG Erl 9 ua). Letzteres ist hier nicht weiter strittig. Bezüglich des siebenten Arbeitsverhältnisses vom 1. 5. 2005 bis 30. 11. 2007, das durch Arbeitnehmerkündigung beendet wurde, begehrte der Kläger keine Feststellung unverfallbarer Anwartschaften. Dieses Arbeitsverhältnis ist nicht Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage.

Aus dem Verfall von Anwartschaften in einem Arbeitsverhältnis ergibt sich grundsätzlich nichts für den Verfall bereits unverfallbarer Anwartschaften aus anderen (früheren) Arbeitsverhältnissen. Es mag schon sein, dass man in einem Konzern die wechselnde Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei verschiedenen Konzerngesellschaften als „einheitliches Verhältnis“ sieht. Diese Sichtweise fand auch ihren Niederschlag in einer im Konzern für alle Konzerngesellschaften maßgeblichen „Policy“. Dennoch fand diese Sichtweise keinen Niederschlag in der alle paar Jahre wechselnden Arbeitsvertragslage des Klägers. Danach befand sich der Kläger nicht in einem einzigen Arbeitsverhältnis zu einem einzigen Arbeitgeber, sondern - wie auch die Beklagte „unvorgreiflich rechtlicher Qualifikation“ in erster Instanz einräumte - „formal“ in eigenständigen Rechtsverhältnissen (ON 28), die jeweils selbständig begründet und auch selbständig wieder aufgelöst wurden. Dass dies dem Kläger, der im vierten Arbeitsverhältnis für eine schweizerische Konzerngesellschaft bzw im sechsten Arbeitsverhältnis für eine deutsche Konzerngesellschaft tätig war, abfertigungsmäßig nicht zum Vorteil gereichte, soll nicht unerwähnt bleiben, um das „einheitliche Verhältnis“ im Konzern nicht überzubetonen. Richtig ist, dass es nach § 7 Abs 1 Z 1 BPG (mangels günstigerer Vereinbarung) zu einem Nichteintritt der Unverfallbarkeit von Anwartschaften hätte kommen können, wenn der Kläger in einem einzigen, 22 (bzw über 24) Jahre dauernden Arbeitsverhältnis gestanden wäre, das (vor dem Pensionsfall) durch Arbeitnehmerkündigung beendet worden wäre. Der Fall des einzigen Arbeitsverhältnisses des Klägers zu einem einzigen Arbeitgeber liegt aber hier nicht vor.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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