Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Afrim B***** (im zweiten Rechtsgang) jeweils eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er am 20. Mai 2008 in G*****
1. die am 23. Mai 1995 geborene Barbara P***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr eine nicht bekannte betäubende Substanz verabreichte, sie mit seinen Händen fest umklammerte und festhielt und mit seinem Penis mehrmals in ihre Vagina eindrang, und
2. durch die zu Punkt 1 beschriebene Tathandlung mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen,
wobei „die Taten“ eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Abweisung des - nach über zweijähriger Verfahrensdauer im zweiten Rechtsgang gestellten - Antrags auf Einholung eines „aussagepsychologischen Gutachtens zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Barbara P*****“ (ON 107 S 13 ff) Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Ein auf eine solche Beweisführung gerichteter Beweisantrag hat nämlich - soweit er überhaupt (in Ausnahmefällen) zulässig ist (RIS-Justiz RS0120634; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 23) - darzulegen, warum anzunehmen sei, dass sich die Beweisperson dazu bereit finden werde, an der Befundaufnahme mitzuwirken (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350, RIS-Justiz RS0118956). Dieser Anforderung wurde vorliegend mit dem bloßen Hinweis auf frühere Aussagebereitschaft der Zeugin schon mit Blick auf die gerade Gegenteiliges zum Ausdruck bringende Bekanntgabe deren Vertreterin (ON 107 S 14) nicht entsprochen.
Davon abgesehen trifft es zwar zu, dass der kinderpsychiatrische Sachverständige Dr. B***** Barbara P***** einen längerdauernd belasteten und dringend behandlungsbedürftigen psychischen Zustand und eine durch mehrere Faktoren ausgelöste Kindheitsentwicklungsstörung attestiert hat (ON 39 S 69, ON 66 S 17 ff). Wenngleich ihre Befragung zum konkreten Tathergang nicht vom ursprünglichen Gutachtensauftrag umfasst war, hat der Experte aber in der Hauptverhandlung ergänzend ausdrücklich ausgeführt, dass anlässlich seiner Begutachtung keine Tendenzen zum Fabulieren oder Erzählen von Lügengeschichten erkennbar waren und die Zeugin in der Lage sei, Erlebtes zu erfassen und wiederzugeben (ON 66 S 18 f). Aus welchem Grund hier zur - dem erkennenden Gericht vorbehaltenen (§ 258 Abs 2 StPO) - Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Genannten dennoch die Hilfestellung durch einen (weiteren) Sachverständigen indiziert gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350), ließ sich dem Antrag, der sich insoweit bloß auf gerade diese Expertise und - nicht näher genannte - „erhebliche Widersprüche zu wesentlichen Tatsachen“ in den Aussagen der Zeugin berief, nicht entnehmen (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0099453, RS0107040; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 344).
Der Antrag auf Vernehmung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. S*****, (zusammengefasst) zum Beweis dafür, dass nach der Sachverhaltsschilderung der Barbara P***** „zwingend DNA des Angeklagten“ auf ihrer „ungewaschen übergebenen Jeanshose nachweisbar sein hätte müssen“ (ON 107 S 11 ff), betraf weder eine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache, noch einen unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin erheblichen Umstand (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 332 und 340; RIS-Justiz RS0120109).
Dazu kommt, dass nach der Strafprozessordnung Sachverständige nur dann zu bestellen sind, wenn für Ermittlungen oder für Beweisaufnahmen besonderes Fachwissen erforderlich ist, über welches die Strafverfolgungsbehörden nicht verfügen (§ 126 Abs 1 erster Satz StPO). Demgegenüber ist die theoretische Möglichkeit, einen (gewaltsamen) Beischlaf - selbst bei Ejakulation auf den Körper des Tatopfers - ohne Hinterlassung von DNA auf dessen Kleidungsstücken vorzunehmen, für jedermann evident (vgl dazu die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts US 6), sodass das Beweisthema dem Sachverständigenbeweis schon in abstracto nicht zugänglich war.
Die im Rechtsmittel zu beiden Beweisanträgen nachgetragenen Ergänzungen unterliegen dem sich aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Dem Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zum Einsatz eines betäubenden Mittels (Schuldspruch 1) zuwider haben sich die Tatrichter mit den diesen Themenbereich betreffenden Angaben des Tatopfers vor der Kriminalpolizei auseinandergesetzt, darin aber gerade keine Widersprüche zu späteren Depositionen (anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung und in der Hauptverhandlung) erblickt (US 7; vgl insbesonders ON 10 S 23 [= ON 2 S 33]). Zu einer extensiven Erörterung einzelner Details waren sie dabei nicht verpflichtet (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Indem die Beschwerde aus einer - isoliert, verkürzt und damit sinnentstellt zitierten - Aussagepassage (ON 2 S 4) für ihren Standpunkt günstigere Schlüsse zieht als jene des Erstgerichts bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Dass der bei Barbara P***** durchgeführte Spermienabstrich negativ verlief, die Laborwerte unauffällig waren und auch bei der molekularbiologischen Untersuchung der Spurenträger (Unterhose und Jeans des Tatopfers) das Merkmalmuster des Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnte, steht einem §§ 201 und 206 StGB subsumierbaren Geschehen nicht entgegen (vgl dazu schon oben) und ist daher nicht entscheidend. Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) damit in Zusammenhang stehender Ausführungen geht daher ins Leere.
Dass sich die Tatrichter - unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit des Tatopfers - mit diesen negativen Untersuchungsergebnissen ebenso wie mit der Aussage des Zeugen Christoph St***** auseinandergesetzt haben (US 6 f, US 8), räumt die Rüge ein. Indem sie diese Erwägungen nominell als in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) und aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sowie - in Betreff der für nicht überzeugend erachteten Depositionen des Christoph St***** - als „unzureichend und lebensfremd“ bezeichnet, ihnen in der Folge aber bloß eigene Auffassungen und Überlegungen entgegenstellt, zeigt sie keinen Begründungsmangel (Z 5) auf, sondern erschöpft sich ein weiteres Mal insgesamt in einer - wie dargelegt hier unzulässigen - Anfechtung der Beweiswürdigung.
Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) wird Nichtigkeit nicht angesprochen (RIS-Justiz RS0102162).
Die Tatsachenrüge (Z 5a), die erneut auf die schon in der Mängelrüge thematisierten Verfahrensergebnisse verweist und die Vernichtung weiterer - angeblich für die Unschuld des Beschwerdeführers sprechender - Beweise durch das Tatopfer und dessen Aufsichtspersonen beklagt, erweckt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass sich der Oberste Gerichtshof zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der - entgegen der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. Mai 2011, 14 Os 24/11b (ON 89), ausgesprochenen neuerlichen - in der rechtlich verfehlten Annahme jeweils (nach Abs 2 erster Fall bzw Abs 3 erster Fall) qualifizierter Verbrechen nach § 201 Abs 1 StGB und § 206 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0115550; 14 Os 172/11t [verst Senat]) gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) nicht veranlasst sieht, weil unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 StPO konkret benachteiligt (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff), das Erstgericht bei der Strafbemessung insoweit nur das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit zwei (der Bedachtnahmeverurteilung zugrunde gelegten) Vergehen als erschwerend wertete (US 7) und das Oberlandesgericht diesen Umstand - aufgrund der Klarstellung - ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung bei der Entscheidung über die (auch) vom Angeklagten gegen den Sanktionsausspruch erhobene Berufung zu berücksichtigen hat (RIS-Justiz RS0118870).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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