OGH 12Os87/12d

OGH12Os87/12d15.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner M***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 22. Februar 2012, GZ 37 Hv 191/09m-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Werner M***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (I./) und des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in R***** und anderen Orten

I./ im Zeitraum zwischen 1. Jänner 2008 und 15. Oktober 2008 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Transportvermittlungsgesellschaft M***** GmbH (zuvor A***** GmbH) mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die im Urteilsspruch näher bezeichneten 17 Transportunternehmen durch Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der M***** GmbH, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Durchführung von Transportaufträgen bzw Erbringung von Transportleistungen, sohin zu Handlungen verleitet, welche diese Frachtunternehmen in einem Gesamtbetrag von 197.425,82 Euro an ihrem Vermögen schädigten;

II./ ab 1. Jänner 2007 bis 15. Oktober 2008 als Geschäftsführer, somit leitender Angestellter der M***** GmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, Bestandteile des Gesellschaftsvermögens der M***** GmbH verheimlicht, beiseite geschafft bzw nicht bestehende Verbindlichkeiten vorgeschützt oder anerkannt oder sonst das Gesellschaftsvermögen wirklich bzw scheinbar verringert, und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er in diesem Zeitraum Zahlungen in der Höhe von 11.952,04 Euro vom Geschäftskonto der M***** GmbH bzw aus dem Gesellschaftsvermögen der M***** GmbH an seine private Reinigungskraft, Marina Me*****, ohne betriebswirtschaftliche und rechtliche Veranlassung leistete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die allgemein vorgebrachten „Vorbemerkungen“ nehmen zum Teil zwar einzelne Beschwerdeeinwände vorweg, erschöpfen sich aber im Wesentlichen in einer Wertung der Verfahrensführung durch den Vorsitzenden des Schöffengerichts und des Urteils aus Sicht des Angeklagten. Solcherart sind sie keinem bestimmten Anfechtungspunkt zuzuordnen und daher unbeachtlich (14 Os 92/03).

Dem aus Z 3 erhobenen Einwand, die Zeugen Christian S***** und Brigitte L***** seien über das ihnen angeblich zustehende Entschlagungsrecht gemäß § 157 Abs 1 Z 1 StPO nicht belehrt worden, sodass sie im Hinblick auf den Anklagepunkt III./ zur Vermeidung einer Selbstbezichtigung genötigt gewesen seien, den Angeklagten zu belasten, das Erstgericht deren Angaben aber auch der Beweiswürdigung hinsichtlich der Verpflichtung zum Ausgleich des Verrechnungskontos der M***** GmbH (Schuldspruch I./) zu Grunde gelegt habe, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil eine Missachtung dieser Belehrungsvorschrift nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (§ 159 Abs 3 StPO; vgl RIS-Justiz RS0124907; Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 24 ff).

Darüber hinaus käme dieser erst nach den Tatzeitpunkten getroffenen Vereinbarung und demzufolge den sie betreffenden Angaben der genannten Zeugen - wie auch vom Gericht zutreffend erkannt (US 18 f) - ohnedies keine Relevanz bei der Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage zu.

Das weitere den Schuldspruch I./ betreffende Vorbringen von Verfahrens- und Mängelrüge (Z 4 und 5) richtet sich ausschließlich gegen die Annahme der Zahlungsfähigkeit bzw die diesbezügliche Begründung, obwohl der Angeklagte wegen der Vortäuschung seiner Zahlungswilligkeit und -fähigkeit (US 9 f) schuldig erkannt wurde. Da aber bereits die - insoweit unbekämpfte - Annahme der Zahlungsunwilligkeit für die Unterstellung der dem Schuldspruch I./ zugrunde liegenden Taten unter den Tatbestand des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB ausreicht, kommt der darüber hinausgehenden (auch nicht als erschwerend angenommenen) Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit keine entscheidende Bedeutung bei der Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage zu.

Der Vollständigkeit halber sei jedoch festgehalten, dass das Urteil auch in der Annahme der Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten an keinem Nichtigkeit bewirkenden Mangel leidet:

Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung des Antrags auf Einvernahme eines informierten Vertreters des Finanzamts K***** zum Beweis dafür, „dass der Beschuldigte bis zum 15. Oktober 2008 mit der M***** keinerlei Rückstände beim Finanzamt hatte und die Forderungsanmeldungen des Finanzamts ausschließlich auf Forderungen beruhen, welche auf die Zeit nach dem Firmenverkauf zurückzuführen sind“ (ON 58 S 10), rügt und die Begründung dieser Entscheidung, wonach sich aus der Forderungsanmeldung die jeweiligen Forderungen des Finanzamts und deren Fälligkeit ergebe (ON 58 S 10 f), kritisiert, ist ihr einerseits zu entgegnen, dass die Richtigkeit einer abweislichen Begründung nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318). Andererseits lässt sich die jeweilige Abgabenschuld ohnedies aus dem von den Tatrichtern dem Schuldspruch zugrunde gelegten (US 11) Sachverständigengutachten ON 25 ersehen, dessen Richtigkeit der Beschwerdeführer nicht in Zweifel zieht (vgl jeweils in ON 25 TZ 108 ff, darin insbesondere TZ 126; TZ 149 ff, darin insbesondere TZ 176; TZ 234; TZ 299). Welche darüber hinausgehenden Informationen von einem informierten Vertreter des Finanzamts zu erwarten gewesen wären, lässt der Beweisantrag unbeantwortet, sodass dessen Abweisung Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzte.

Die diesen Beweisantrag ergänzenden Beschwerdeausführungen - insbesondere jene, dass die Vernehmung eines Vertreters des Finanzamts dem Schöffensenat „auch hinsichtlich der anderen Forderungsanmeldungen vor Auge geführt (hätte), dass man bei der Beurteilung des Vorsatzes des Angeklagten differenzieren und sich die Mühe machen muss, auch hinsichtlich der bestehenden Verbindlichkeiten den Kenntnis- und Bewusstseinsstand des Angeklagten maßgeblichen Zeitraum zu erforschen“ - sind schon deshalb unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Das Erstgericht musste auf die Aussage des Zeugen Mag. Markus D***** zu seiner Prognose über die Entwicklung des überschuldeten Unternehmens nicht eingehen, weil Thema des Zeugenbeweises - was die Mängelrüge (Z 5) übersieht - nicht Schlussfolgerungen oder Meinungen, sondern nur Wahrnehmungen sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352).

Das Schöffengericht stützte sich - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers unter Hinweis auf TZ 332 des Sachverständigengutachtens von Mag. Martin G***** (ON 25) - mängelfrei auf diese Expertise zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens, weil der Sachverständige in allen errechneten Varianten zu einer Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit zum 31. Dezember 2007 gelangte (vgl TZ 108, TZ 330). Im Ergebnis bekämpft der Beschwerdeführer die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Ob es zu Exekutionen, zu - allenfalls eingehaltenen - Ratenzahlungen an die Unternehmen Q***** bzw N*****, zur Anerkennung von Forderungsanmeldungen durch den Masseverwalter, zur Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt, der Sozialversicherung, den Dienstnehmern und jenen Schuldnern, mit denen eine Ratenzahlung vereinbart war, oder zu Pfändungen durch das Finanzamt kam, der Kontokorrentkredit des Angeklagten bis zum Unternehmensverkauf in „absolut unverdächtiger Weise“ geführt wurde, es ihm am 15. Oktober 2008 möglich gewesen sei, von seinem Betriebskonto 25.000 Euro abzuheben, in welcher Höhe sich das Finanzamt nach Konkurseröffnung dem Exekutionsverfahren anschloss und in welchem Verhältnis die Zeugen Brigitte L***** und Christian S***** zueinander standen, ist nicht entscheidungswesentlich, weil weder das individuelle Verhalten der Gläubiger noch erst nach den Tatzeitpunkten gelegene Vorgänge für die Entscheidung der Schuld- und Subsumtionsfrage relevant sind.

Wie bereits vom Schöffengericht zutreffend ausgeführt (US 20), ist es ebenfalls nicht von Belang, ob der Angeklagte allenfalls in der Lage gewesen wäre, Barmittel zuzuschießen, zumal ein solcher Zuschuss und eine hiedurch bewirkte Schuldenreduktion eben nicht erfolgte. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das Vorbringen des Nichtigkeitswerbers, er habe im Jahre 2008 bei der W***** GmbH ein Nettoeinkommen von ca 6.700 Euro lukriert, mit der von ihm vorgelegten Beilage IV./ nicht in Einklang zu bringen ist.

Auf ein positives Jahresergebnis im Jahr 2008 angesichts des Erlasses der Verbindlichkeiten durch die N***** GmbH in der Höhe von ca 240.000 Euro musste das Schöffengericht nicht eingehen, weil sich - was der Beschwerdeführer verschweigt - aufgrund der Vorträge von 400.763 Euro selbst unter Berücksichtigung dieses Verzichts ein Bilanzergebnis von minus 207.044 Euro (TZ 181 in ON 25) bzw ein Gesamtkapital von minus 151.044 Euro (TZ 151 in ON 25) ergibt.

Als aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) bezeichnet der Beschwerdeführer die Feststellung, wonach er bereits vor dem Tätigwerden der Subfrächter die Bezahlung von seinen Auftraggebern erhalten habe (US 9), behauptet aber nicht, dass das Erstgericht insoweit den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben hätte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467).

Das Vorbringen zum Schuldspruch II./ lässt außer Acht, dass Zahlungsunfähigkeit und das Andrängen von Gläubigern nicht tatbestandsimmanent sind (Kirchbacher in WK² § 156 Rz 1; Kienapfel BT II3 § 156 RN 6 f), sodass in diesem Umfang beweiswürdigende Erwägungen der Erstrichter nicht geboten waren.

Mit der abschließenden Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS-Justiz RS0117445, RS0102162).

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich, großteils unter Wiederholung der bereits in der Mängelrüge vorgetragenen Argumente neuerlich ausschließlich gegen die vom Erstgericht angenommene Kenntnis des Angeklagten von der Zahlungsfähigkeit der M***** GmbH, ohne die weiters neben einer Täuschung über die Zahlungsfähigkeit konstatierte Zahlungsunwilligkeit in Zweifel zu ziehen. Damit berührt sie jedoch keine (für sich allein) für die Lösung der Schuldfrage entscheidende Tatsache (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 474).

Soweit die Beschwerde vorbringt, die Annahme eines bedingten Vorsatzes auf Schädigung zu Schuldspruch II./ sei „völlig unhaltbar und tatsächlich nicht mehr als eine reine Spekulation oder eine Vermutung zu Lasten des Angeklagten“, lässt sie die zur prozessordnungsgemäßen Ausführung der Tatsachenrüge (Z 5a) erforderliche Bezugnahme auf konkrete Aktenstücke vermissen (RIS-Justiz RS0119424).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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