OGH 10ObS112/12m

OGH10ObS112/12m23.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Hermann Furtner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Stefan Jöchtl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Engelbert‑Weiß‑Weg 10, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Kostenersatz, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. April 2012, GZ 11 Rs 34/12t‑16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. November 2011, GZ 16 Cgs 42/11m‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

A. Die Äußerung der beklagten Partei zur Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

B. Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Beide Parteien haben ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

A. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittel‑ oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Nachträge oder Ergänzungen sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS‑Justiz RS0041666). Die von der beklagten Partei vorgelegte Äußerung zur Revisionsbeantwortung des Klägers ist daher zurückzuweisen.

B. Mehr als 20 Jahre hatte der Kläger im Unterkiefer eine Prothese, die mit einem Geschiebe rechts an den Restzähnen befestigt war. Sie wurde schadhaft und sollte daher dringend erneuert werden. Er ließ von einem Zahnarzt einen Behandlungsplan und einen Kostenvoranschlag für eine neue Teilprothese oben und unten mit jeweils zwei Geschieben erstellen. Der Kostenvoranschlag belief sich auf 8.927,40 EUR. Die angebotene abnehmbare Versorgung entsprach nicht den Vorstellungen des Klägers. Er befürchtete einen weiteren Zahnverlust durch Belastung der für die Halteelemente vorgesehenen Eckzähne im Unterkiefer, zumal der linke hintere Eckzahn schon verschoben war und wackelte.

Am 5. 10. 2010 ließ sich der Kläger in einer Zahnarztpraxis in Ungarn im Unterkiefer auf jeder Seite je drei Implantate und im Oberkiefer je zwei Implantate einsetzen. Auf diesen Implantaten wurden Kronen angebracht. Die Implantate kosteten 4.300 EUR, die Implantataufbauköpfe 700 EUR und die Kronen 2.640 EUR.

Der Kläger ist weder ein Patient mit Lippen‑, Kiefer‑ oder Gaumenspalten, noch ein Tumorpatient in postoperativer Rehabilitation. Er ist auch kein Patient nach polytraumatischen Kieferfrakturen in der posttraumatischen Rehabilitation. Er weist extreme Kieferrelationen nicht auf.

Bei ihm besteht ein einseitig freies Ende im Unterkiefer links. Eine Prothese kann daher aufgrund der damit verbundenen Mikrobewegungen zu einer Zahnlockerung führen. Seine beiden Eckzähne sind wurzelbehandelt. Sie weisen schon einen gewissen Abbau des Zahnhalteapparats auf und sind zudem durch einen angeborenen verkehrten Überbiss belastet. Sowohl in Bezug auf den Tragekomfort als auch in Bezug auf die Erhaltung der Restzähne ist daher die durchgeführte Zahnversorgung mit Implantaten die qualitativ bessere Methode im Vergleich zur abnehmbaren Teilprothese. Allerdings stellt der abnehmbare Zahnersatz eine mögliche Alternative dar.

Die Lebensdauer von Prothesen beträgt mindestens sechs Jahre. Im vorliegenden Fall ist aufgrund des Zustands der Eckzähne, an denen die untere Prothese mit Klammern hätte befestigt werden müssen, nicht gesichert, dass diese Tragedauer einzuhalten wäre. Auch im Oberkiefer ist aufgrund eines Vorschadens (Entzündungsherdes) am Zahn 25 nicht gesichert, dass die Tragedauer einer Prothese von sechs Jahren erreicht würde. Der Vorschaden am Zahn 25 kann auch Beeinträchtigungen der Lebensdauer der Implantate nach sich ziehen. Bei Implantaten ist eine Lebensdauer von 20 Jahren durchaus möglich. Im Allgemeinen ist bei Implantaten im Unterkiefer eine 10‑Jahres‑Verlustrate von 10 % und im Oberkiefer von 20 % anzunehmen.

Mit Bescheid vom 15. 2. 2011 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Kostenerstattung/Kostenzuschuss für die Implantate ab.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger ‑ soweit im Revisionsverfahren von Interesse ‑ Zahlung von 7.640 EUR als Ersatz der Kosten der Implantate. Bei einer Behandlung in Österreich wäre ihm auch ein Kostenersatz zugestanden. Die Zahnbehandlung in Ungarn sei besser und kostengünstiger gewesen als in Österreich. Die Implantate seien medizinisch notwendig gewesen. Die zuvor an einem Eckzahn befestigte Prothese habe nicht mehr gehalten. Darüber hinaus habe die Implantatversorgung im Gegensatz zur Prothesenversorgung einen Zahnverlust vermieden. Beim Kläger sei die Implantatversorgung günstiger gewesen als die Prothesenversorgung. Die von der beklagten Partei verlangte Bewilligung hätte keine andere Einschätzung erbracht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Festsitzender Zahnersatz sei nach ihrer Satzung nur dann zu erbringen, wenn ein abnehmbarer Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. Die mit Implantaten ausgefüllten Lücken wären auch mit einer abnehmbaren Prothese zu versorgen gewesen. Sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, vorab die Situation im Kiefer noch zum Zeitpunkt des Bestehens der Metallprothese zu begutachten. Es sei Sinn und Zweck einer vorausgehenden Bewilligung, dass der Versicherungsträger die Voraussetzungen für die geeignete Versorgung prüfen könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, nach § 30 Abs 3 der Satzung der beklagten Partei werde als unentbehrlicher Zahnersatz der abnehmbare Zahnersatz samt den medizinisch notwendigen Halteelementen erbracht. Festsitzender Zahnersatz werde hingegen ohne medizinische Notwendigkeit nicht erbracht. Dafür übernehme die Kasse auch keine Kosten. Die Gebisssanierung sei beim Kläger medizinisch notwendig gewesen. Der Erfolg der gesetzten Maßnahmen müsse auf eine bestimmte Zeit gewährleistet werden, die den Bestimmungen der Satzung über die neuerliche Übernahme der Kosten entspreche. Dass im konkreten Fall diese Haltbarkeitsdauer von sechs Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht worden wäre, habe der hiefür beweispflichtige Kläger nicht nachzuweisen vermocht. Die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen seien zwar medizinisch an sich notwendig und im Verhältnis zu einer Versorgung mit einer Prothese qualitativ besser und zweckmäßiger gewesen, das Ziel hätte aber auch mit abnehmbarem Zahnersatz erreicht werden können. Dem Argument des Klägers, die Versorgung mit Implantaten in Ungarn sei günstiger gewesen als eine prothetische Versorgung in Österreich, sei entgegenzuhalten, dass eine entsprechende prothetische Versorgung in Ungarn wiederum günstiger gewesen wäre als die dort durchgeführte Versorgung mit Implantaten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. Es änderte mit Zwischenurteil das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es aussprach, das Klagebegehren bestehe dem Grunde nach zu Recht.

Es führte aus, dass die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein müsse, das Maß des Notwendigen aber nicht übersteigen dürfe. Diese Bestimmung sei auch für den Zahnersatz anwendbar. § 33 Abs 3 der Satzung der beklagten Partei, wonach eine Neuherstellung eines Zahnersatzstücks frühestens nach sechs Jahren geleistet werde, komme nicht bloß die Funktion eines Leistungsausschlusses zu. Der Erfolg eines zweckmäßigen Zahnersatzes müsse nämlich auch auf eine bestimmte Zeit gewährleistet sein, und zwar auf eine solche, die den Bestimmungen der Satzung über die neuerliche Übernahme der Kosten entspreche. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass bei üblichem Gebrauch ohne Veränderungen im Mund ein Zahnersatzstück seine Funktion in der angeführten Dauer gewährleisten müsse. Das Erstgericht habe festgestellt, dass aufgrund des Zustands der Eckzähne, an denen die untere Prothese mit Klammern hätte befestigt werden müssen, nicht gesichert sei, dass die Tragedauer ‑ die Lebensdauer von Prothesen betrage mindestens sechs Jahre ‑ einzuhalten wäre. Auch im Oberkiefer sei nicht gesichert, dass die Tragedauer einer Prothese von sechs Jahren erreicht würde. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, es sei nicht nachgewiesen worden, dass diese Haltbarkeitsdauer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht worden wäre, finde jedenfalls hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrades keine Deckung in den Feststellungen des Erstgerichts. In welchem Ausmaß nämlich nicht gesichert sei, dass die Haltbarkeitsdauer sechs Jahre erreichen werde, sei eine Tatfrage. Die Feststellung, es sei nicht gesichert, dass eine Tragedauer von sechs Jahren einzuhalten wäre, könne nur so verstanden werden, dass nicht festgestellt werden könne, dass eine Haltbarkeitsdauer des abnehmbaren Zahnersatzes von sechs Jahren zu erreichen sei. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass die Sechs‑Jahres‑Frist erreicht werden könne, es sei aber auch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit sicher. Die (objektive) Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Leistung nicht gegeben seien, treffe den Versicherungsträger. Es wäre daher Sache der beklagten Partei gewesen, ihre Behauptung, eine Versorgung mit abnehmbarem Zahnersatz sei ausreichend und zweckmäßig, auch zu beweisen. Die negative Feststellung gehe zu Lasten der beklagten Partei. Daher sei eine Versorgung mittels abnehmbaren Zahnersatzes als nicht ausreichend und zweckmäßig zu beurteilen. Der Kläger habe Anspruch auf festsitzenden Zahnersatz als Pflichtleistung. Die von § 30 Abs 5 der Satzung der beklagten Partei geforderte Bewilligung stehe europarechtlichen Grundsätzen entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fielen Gesundheitsleistungen, die Gegenstand sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche seien, unter die Dienstleistungsfreiheit der Art 56 ff AEUV. Eine nationale Regelung, die die Erstattung der Kosten der Zahnbehandlung durch einen Zahnarzt in einem anderen Mitgliedstaat nach den Tarifen des Versicherungsstaats von der Genehmigung des Trägers der sozialen Sicherheit des Versicherten abhängig mache, verstoße gegen Art 56 ff AEUV. Dass für die vom Kläger zum Kostenersatz eingereichten Leistungen in der Satzung ein Tarif nicht vorgesehen sei, könne an der grundsätzlichen Berechtigung des Anspruchs des Klägers nichts ändern. In seinem Fall hätten sich die Kostenzuschüsse an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen zu orientieren. Trotz fehlenden Tarifs und trotz nicht eingeholter Genehmigung bestehe der Anspruch des Klägers auf Kostenersatz dem Grunde nach zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Auswirkungen einer nicht eingeholten Genehmigung der Leistung eines in einem EU‑Mitgliedstaat zu erbringenden festsitzenden Zahnersatzes auf die Beweislast des Anspruchswerbers oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht habe vorgefunden werden können. Zudem gehe die jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung in die Richtung, dass trotz des Grundsatzes, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen habe, die Nähe zum Beweis den Ausschlag für die Zuteilung der Beweislast gebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und auch berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, Zahnersatz sei eine satzungsmäßige Mehrleistung, für die § 121 Abs 3 ASVG automatisch gelte, und keine gesetzliche Mindestleistung. Was nicht von der Satzung vorgesehen sei, könne auch nicht gerichtlich durchgesetzt werden. Die in der Satzung festgelegte Mindesthaltbarkeitsdauer schränke überdies den Leistungsanspruch auch in zeitlicher Hinsicht ein. Von dieser Einschränkung sei aber eine Neuherstellung vor Fristablauf ausgenommen, wenn sie infolge von Veränderungen im Mund notwendig werde. Die Ansicht des Berufungsgerichts, immer dann, wenn das Erreichen der Mindesthaltbarkeitsdauer nicht sicher sei, gebühre über die Satzungsregelung hinaus festsitzender Zahnersatz, stelle daher den Zweck der Regelung auf den Kopf. Es treffe den Versicherten die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens von Anspruchsvoraussetzungen. Die Satzung könne als materielle Anspruchsvoraussetzung auch eine vorherige Bewilligungspflicht normieren. Verfehlt sei die Ansicht des Berufungsgerichts, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbiete im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit eine solche vorherige Bewilligungspflicht. Gegenstand dieser Judikatur seien Regelungen gewesen, die ausschließlich für den Leistungsbezug im (EU‑)Ausland eine solche vorherige Bewilligung verlangten. Die Regelung der Satzung der beklagten Partei verlange hingegen für alle Leistungen des Zahnersatzes, egal ob sie im Ausland oder im Inland erbracht werden, die vorherige Bewilligung. Die Regelung diskriminiere also nicht.

Hierzu wurde erwogen:

1. § 153 Abs 1 ASVG bestimmt, dass Zahnbehandlung nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zu gewähren ist. Abs 2 legt fest, dass der unentbehrliche Zahnersatz „unter Kostenbeteiligung“ des Versicherten gewährt werden kann, wobei an die Stelle der Sachleistung auch Zuschüsse zu den Kosten eines Zahnersatzes geleistet werden können; näheres wird wiederum durch die Satzung des Versicherungsträgers geregelt. Zahnbehandlung und Zahnersatz werden gemäß Abs 3 als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Vertragsgruppenpraxen, Wahlärzte, Wahlgruppenpraxen, Vertragsdentisten, Wahldentisten, in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) des Versicherungsträgers oder in Vertragseinrichtungen gewährt. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes vorgesehen sind, müssen diese in den Zahnambulatorien und bei den freiberuflich tätigen Vertragsfachärzten, Vertragsdentisten und Vertragsgruppenpraxen gleich hoch sein; in gesamtvertraglichen Vereinbarungen nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden.

2. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Satzung 2007 der beklagten Partei, avsv Nr 82/2007 in der Fassung der ersten Änderung, avsv Nr 68/2008 (vgl § 50 Abs 3 der Satzung 2011, avsv Nr 88/2011).

Darin heißt es:

„Zahnbehandlung und Zahnersatz

(§ 153 ASVG)

§ 30. (1) Die Zahnbehandlung und der unentbehrliche Zahnersatz werden von der Kasse im Umfang der Anhänge 1, 2, 3 und 5 geleistet.

(2) Unentbehrlicher Zahnersatz ist der Zahnersatz, der notwendig ist, um eine Gesundheitsstörung zu vermeiden oder zu beseitigen.

(3) Als unentbehrlicher Zahnersatz wird im Allgemeinen der abnehmbare Zahnersatz samt medizinisch notwendiger Halteelemente (Klammerzahnkrone) erbracht. Festsitzender Zahnersatz wird nur dann erbracht, wenn ein abnehmbarer Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht möglich ist; dies ist insbesondere der Fall bei

1. Patienten/Patientinnen mit Lippen‑, Kiefer- und Gaumenspalten,

2. Tumorpatienten/Tumorpatientinnen in der postoperativen Rehabilitation,

3. Patienten/Patientinnen nach polytraumatischen Kieferfrakturen in der posttraumatischen Rehabilitation,

4. Patienten/Patientinnen mit extremen Kieferrelationen (z.b. extreme Progenie, Prognathie, totale Atrophie des Kieferkammes),

die eine prothetische Versorgung mit abnehmbarem Zahnersatz nicht zulassen. Zum unentbehrlichen Zahnersatz gehört auch die notwendige Reparatur von unentbehrlichen Zahnersatzstücken. Für festsitzenden Zahnersatz ohne diese medizinische Notwendigkeit übernimmt die Kasse keine Kosten.

(4) Kronen, Brücken, gegossene Stiftaufbauten und Implantate gelten jedenfalls als festsitzender Zahnersatz.

(5) Kieferregulierungen, unentbehrlicher Zahnersatz (auch bei vorzeitiger Neuherstellung gemäß § 33 Abs 3) oder Zuschüsse zu diesen Leistungen sowie Zuschüsse zu Leistungen der Zahnbehandlung gemäß § 31 Abs 2 und Kostenerstattungen gemäß § 31 Abs 3 zweiter Satz müssen ‑ grundsätzlich vor Behandlungsbeginn ‑ von der Kasse genehmigt werden. Dies gilt nicht für die Reparatur von kieferorthopädischen Apparaten und Zahnersatzstücken.

(6) ...

(7) ...

(8) ...

(9) Die Kosten für Zahnbehandlung und Zahnersatz werden von der Kasse nur für Arbeiten in allgemein körperverträglichem Material und einwandfreier Ausführung übernommen.

Konservierend‑chirurgische Zahnbehandlung

§ 31. ...

Kieferregulierungen

(§ 153 ASVG)

§ 32. ...

Zahnersatz

(§ 153 ASVG)

§ 33. (1) Die Kasse erbringt den unentbehrlichen Zahnersatz, soweit nicht ein Anspruch

1. aus der gesetzlichen Unfallversicherung,

2. nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz - KOVG,

3. nach dem Heeresversorgungsgesetz ‑ HVG,

4. nach dem Opferfürsorgegesetz ‑ OFG,

5. nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen ‑ VOG,

6. nach dem Impfschadengesetz oder

7. nach dem Strafvollzugsgesetz ‑ StVG

besteht.

(2) Der unentbehrliche Zahnersatz wird im Umfang des Anhanges 1 als Sachleistung (Vertragsleistung oder Kostenerstattung) geleistet. Muss aus medizinischen Gründen (z.B. wegen nachgewiesener Allergie gegen ein Vertragsmaterial) oder weil ein abnehmbarer Zahnersatz nicht anders Halt findet, für die Herstellung eines unentbehrlichen Zahnersatzes ein Material oder ein besonderes Halteelement verwendet werden, das in den Verträgen nicht vorgesehen ist, leistet die Kasse für die Differenzkosten auf das höherwertige Material bzw das Halteelement einen Zuschuss, dessen Höhe im Anhang 2 bestimmt ist. In anderen Fällen erbringt die Kasse für derartige Leistungen keinen Zuschuss.

(3) Hat die Kasse für ein Zahnersatzstück eine Leistung erbracht, wird eine Neuherstellung frühestens nach sechs Jahren geleistet, es sei denn, dass infolge notwendig gewordener Extraktionen oder anderer Veränderungen im Mund eine vorzeitige Neuherstellung notwendig wird. Für Reservestücke werden keine Kosten übernommen.

(4) Für verlorene oder nicht durch normalen Gebrauch beschädigte Zahnersatzstücke leistet die Kasse vor Ablauf der im Abs 3 genannten Frist keinen Ersatz.

(5) Für unentbehrlichen Zahnersatz sind vom/von der Versicherten (Angehörigen) Zuzahlungen zu leisten. Die Höhe der Zuzahlungen ist im Anhang 4 zur Satzung festgesetzt. Für den aus medizinischen Gründen notwendigen festsitzenden Zahnersatz (§ 30 Abs 3 zweiter Satz) leistet die Kasse Zuschüsse, deren Höhe im Anhang 2 bestimmt wird. Die Kasse hat bei der Festsetzung der Höhe der Zuschüsse auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kasse, das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten und auf die Höhe der Zuzahlungen einer allfälligen Fachleistungserbringung Bedacht zu nehmen.“

3. Zahnersatz wird nach den Bestimmungen der Satzung als Pflichtleistung erbracht (10 ObS 157/09z SSV‑NF 24/17mwN). Der Gesetzgeber hat allerdings nicht statuiert, dass Zahnersatz als Mindestleistung gewährt werden muss. Der Leistungsanspruch wird im speziellen Fall auch von Zahnersatz aufgrund gesetzlicher Ermächtigung von der Satzung umgrenzt (10 ObS 157/09z mwN).

4. Die Satzungen der Krankenversicherungsträger sind generelle Akte der Selbstverwaltung, die verfassungsrechtlich als Verordnung zu qualifizieren sind (RIS‑Justiz RS0053701). Wenn das Gesetz die nähere Determinierung für einen Anspruch einer Verordnung überlässt, ist der Anspruch auf der Grundlage der Verordnung zu prüfen. Es wäre unzulässig unter Übergehung einer gehörig kundgemachten (vgl RIS‑Justiz RS0053701) Verordnung die die Grundlage bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Anspruchsgrundlage heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0105188 [T1]).

5. Dass die hier maßgebliche Satzung zwischen abnehmbarem und festsitzendem Zahnersatz unterscheidet und letzterer nur dann zu erbringen ist, wenn ein abnehmbarer Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, ist nach ständiger Rechtsprechung verfassungsrechtlich unbedenklich (RIS‑Justiz RS0108530). Auch die Satzungsbestimmung des § 30 Abs 3 letzter Satz, wonach für festsitzenden Zahnersatz ohne diese medizinische Notwendigkeit die Kasse keine Kosten übernimmt, ist ‑ wie bereits vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen ‑ zulässig (10 ObS 157/09z mwN).

6. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen trifft es beim Kläger nicht zu, dass ein abnehmbarer Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Er zählt auch nicht zu dem Kreis von Patienten, für die nach § 30 Abs 3 der Satzung 2007 die Leistung festsitzenden Zahnersatzes zu erbringen ist, wenn der Zustand dieser Patienten eine prothetische Versorgung mit abnehmbarem Zahnersatz nicht zulässt. Aufgrund des Leistungsausschlusses in § 30 Abs 3 letzter Satz der Satzung 2007 hat der Kläger daher keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den festsitzenden Zahnersatz (vgl § 30 Abs 4 der Satzung 2007).

7. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich ein Anspruch des Klägers nicht auf § 33 Abs 3 der Satzung 2007 gründen. Nach der Rechtsprechung muss auch Zahnersatz ausreichend und zweckmäßig sein, darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (10 ObS 157/09z; 10 ObS 252/97z = SSV‑NF 11/96 mwN). Zweckmäßig ist der Zahnersatz, wenn die gesetzten Maßnahmen nach dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Maßnahme objektiv geeignet waren, die beeinträchtigten Funktionen des Kauens, Beissens oder Sprechens wiederherzustellen. Der Erfolg muss dabei auf eine bestimmte Zeit gewährleistet sein, die den Bestimmungen der Satzung über die neuerliche Übernahme der Kosten entspricht (RIS‑Justiz RS0083804). Das Maß des Notwendigen (als grundsätzliches Ziel) bestimmt sich zwar aus dem Zweck der Leistung; notwendig ist jedoch nur jene Maßnahme, die zur Erreichung des Zwecks unentbehrlich oder unvermeidbar ist (10 ObS 157/09z mwN). Nach den Feststellungen ist der festsitzende Zahnersatz beim Kläger nicht in diesem Sinn notwendig, weil abnehmbarer Zahnersatz medizinisch möglich ist.

Dass im zu entscheidenden Fall nicht gesichert ist, dass der medizinisch mögliche abnehmbare Zahnersatz aufgrund des Zustands der Eckzähne im Unterkiefer, an denen die untere Prothese mit Klammern hätte befestigt werden müssen, und aufgrund eines Entzündungsherdes am Zahn 25 nicht erst nach sechs Jahren hergestellt werden müsste, vermag eine Leistungspflicht der beklagten Partei für festsitzenden Zahnersatz nicht zu begründen. Zum einen ist ersichtlicher Zweck der Norm auch, den Leistungsanspruch in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen. Zum anderen bedenkt sie gerade den Fall, dass eine vorzeitige Neuherstellung infolge notwendig gewordener Extraktionen oder anderer Veränderungen im Mund notwendig wird. Diesfalls leistet die Kasse auch die vorzeitige Neuherstellung. Schon deshalb ist die Annahme unzutreffend, die Anspruchsvoraussetzung für festsitzenden Zahnersatz ‑ nämlich die medizinische Unmöglichkeit abnehmbaren Zahnersatzes ‑ sei auch dann gegeben, wenn abnehmbarer Zahnersatz wegen nicht ausschließbarer oder gar sicherer Veränderungen im Mund vorzeitig neu hergestellt werden müsste. Die vom Kläger in seiner Berufung angestrebte Feststellung, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Haltbarkeitsdauer nicht erreicht werden kann, ist daher nicht entscheidungserheblich.

8. Ist schon aus diesen Gründen der Klagsanspruch zu verneinen und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen, muss der Frage der Bedeutung des in der Satzung vorgesehenen Genehmigungsvorbehalts (§ 30 Abs 5 der Satzung 2007) für den Leistungsanspruch und im Zusammenhang mit einer Inanspruchnahme von Zahnersatzleistungen im EU‑Ausland nicht nachgegangen werden.

9. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Klägers gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Aktuelle berücksichtigungswürdige Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse, die einen ausnahmsweisen Kostenersatz nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht bescheinigt und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Die beklagte Partei als Versicherungsträger iSd § 77 Abs 1 Z 1 ASGG hat die Kosten ihrer Revision ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.

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