Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden in Ansehung der Forderung der Republik Österreich auf Zahlung von Gerichtsgebühren nach TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 160 EUR dahin abgeändert, dass
a) diese Forderung als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt,
b) der Nachlass in diesem Betrag der Republik Österreich zur vollständigen Berichtigung dieser Forderung an Zahlungs statt überlassen und
c) der nach Berichtigung dieser und zweier weiterer bevorrechteter Forderungen verbleibende Nachlass der Bezirkshauptmannschaft Tulln ‑ Fachgebiet Soziales zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von 58.591,25 EUR sowie der Finanzverwaltung des Finanzamts Hollabrunn‑Korneuburg‑Tulln zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von 2.795,20 EUR, jeweils im Verhältnis zur Summe dieser Forderungen, an Zahlungs statt überlassen wird.
Die dadurch erforderliche Änderung der Vollzugs‑ und Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.
Text
Begründung
Der Nachlass von L***** F***** ist überschuldet. An Forderungen wurden angemeldet:
Gebühren des Gerichtskommissärs 1.323,00 EUR
Beträge, die der Sachwalterin für das
letzte Jahr vor dem Tod zuerkannt wurden 638,24 EUR
Gerichtsgebühr für die Prüfung der
Schlussrechnung der Sachwalterin
(TP 7 lit c Z 2 GGG) 160,00 EUR
Pflegeheimkosten 58.591,25 EUR
Abgabenforderung 2.795,20 EUR
Das Erstgericht überließ den Nachlass den Gläubigern an Zahlungs statt, und zwar zunächst dem Gerichtskommissär und der Sachwalterin in der jeweils angemeldeten Höhe zur vollständigen Berichtigung ihrer Forderungen (§ 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Abs 1 Z 1 IO bzw § 154 Abs 2 Z 2 AußStrG) und sodann der Pflegeinstitution, der Republik Österreich und der Finanzverwaltung des zuständigen Finanzamts zur verhältnismäßigen Berichtigung ihrer Forderungen (§ 154 Abs 2 Z 3 AußStrG).
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Rekurs der Republik Österreich, die eine vollständige Berichtigung ihrer Gebührenforderung anstrebte.
Das Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung. Auch wenn die Bestätigung der Schlussrechnung eines Sachwalters zwangsläufig erst nach dem Tod der betroffenen Person erfolgen könne, betreffe sie doch inhaltlich nur das Sachwalterschaftsverfahren. Die in diesem Verfahren angefallene Pauschalgebühr sei mit den Kosten eines Verlassenschaftskurators oder des Gerichtskommissärs nicht gleichzusetzen. Die Überprüfung der Schlussrechnung im Sachwalterschaftsverfahren sei kein eindeutiger Nutzen für die Verlassenschaft und die Verlassenschaftsgläubiger. § 154 Abs 2 Z 2 AußStrG privilegiere ausdrücklich nur die Kosten des Sachwalters, soweit diesem für das letzte Jahr Beträge zuerkannt worden seien. Als der Gesetzgeber im Budgetbegleitgesetz 2009 die Gebühr für die Bestätigung der Rechnungslegung eingeführt habe, habe er keine Veranlassung gesehen, die Bestimmung des § 154 Abs 2 AußStrG entsprechend anzupassen. Er habe daher eine Privilegierung der Gebühr im Gesetz gerade nicht vorgesehen. Diese sei als allgemeine Forderung im Sinn des § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG nach den bevorrechteten Forderungen nur quotenmäßig zu berichtigen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Republik Österreich ist zulässig und berechtigt:
1. Streitpunkt im gegenständlichen Verfahren ist, in welchem Rang die Pauschalgebühr für die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung (TP 7 lit c Z 2 GGG) zu befriedigen ist. Bei der Frage des Befriedigungsrangs von Kosten handelt es sich nach nunmehr herrschender Rechtsprechung nicht um eine Entscheidung im Kostenpunkt (RIS‑Justiz RS0044267 [T2]; RS0007399 [T1]; vgl Zechner in Fasching/Konecny 2 § 528 ZPO Rz 141; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 528 Rz 38 jeweils mwN). Der Revisionsrekurs ist daher nicht nach § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG jedenfalls unzulässig.
2. Die Revisionsrekurswerberin ist rechtsmittellegitimiert, weil jedem Verlassenschaftsgläubiger das Recht zusteht, die Überlassung an Zahlungs statt und damit auch die in diesem Beschluss erfolgte Art der Aufteilung der vorhandenen Aktiven unter mehrere Gläubiger zu bekämpfen (1 Ob 631/90 mwN; RIS‑Justiz RS0006659).
3. In der Sache hat der Oberste Gerichtshof in der ausführlich begründeten Entscheidung 10 Ob 21/12d ausgesprochen, dass die Gerichtsgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung des Sachwalters (TP 7 lit c Z 2 GGG) als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO vorrangig zu berichtigen sei. Maßgebender Zeitpunkt für die Qualifikation einer Forderung als Masseforderung sei bei einer Überlassung an Zahlungs statt der Tod des Erblassers. Der die Gebührenpflicht auslösende Sachverhalt sei hier die Bestätigung der Schlussrechnung (bei Beendigung der Vermögensverwaltung) durch das Pflegschaftsgericht, die (bei bis zum Tod bestehender Sachwalterschaft) zwangsläufig nach diesem Zeitpunkt erfolge. Damit sei der Tatbestand des § 46 Z 2 IO erfüllt.
4. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Damit sind die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen unbekämpft geblieben sind, dahin abzuändern, dass die strittige Gebührenforderung als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt und der Nachlass (die Guthaben des Erblassers) in diesem Umfang der Republik Österreich zur vollständigen Berichtigung ihrer Forderung überlassen wird. Die Zuweisungen an den Gerichtskommissär und die Sachwalterin bleiben davon unberührt, jene an die beiden Gläubiger, deren Forderungen unter § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG fallen und an die im Verhältnis der Höhe ihrer unbestrittenen Forderungen zu verteilen ist, vermindern sich entsprechend.
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