OGH 11Os102/12b

OGH11Os102/12b9.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marcus V***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Mai 2012, GZ 032 Hv 38/12h-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcus V***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I) und zweier Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er am 9. Februar 2012 in Wien

(I) dadurch, dass er dem Taxifahrer Manfred M***** mit einem Pfefferspray ins Gesicht sprühte und dessen Brieftasche samt einer unbekannten Summe Bargeldes an sich nahm, dem Genannten mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte;

(II) ein Fixiermesser mit einhändig schnell zu öffnender Klinge und einen Pfefferspray, sohin Waffen besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5a, 9 [lit] a, 9 [lit] b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf „neuerliche Begutachtung“ zum Beweis dafür, dass er „im Zeitpunkt der Begehung zumindest im Sinne einer vollen Berauschung beeinträchtigt war“ (ON 25 S 25), Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Da dem zur Klärung der Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt beigezogenen medizinischen Sachverständigen, auf dessen Gutachten (ON 12; ON 25 S 21 f) die Tatrichter ihre Entscheidung stützten (US 4), sämtliche Beweisergebnisse zur Verfügung gestanden waren, der Rechtsmittelwerber selbst an der Befunderhebung mitgewirkt hatte und den Parteien auch ausreichend Gelegenheit zur Befragung des Sachverständigen geboten worden war, könnte die - willkürfrei - unterbliebene Gutachtensergänzung oder Befassung eines weiteren Sachverständigen nur dann erfolgreich aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer einen der in § 127 Abs 3 erster Satz StPO genannten Mängel des Befundes oder des Gutachtens aufzuzeigen imstande gewesen wäre (RIS-Justiz RS0117263). Das - teils unbestimmte, teils unzutreffende - Antragsvorbringen, der Sachverständige wäre „nicht bereit gewesen, auf die tatsächlich konsumierte Menge einzugehen“ und sei „nur aufgrund einer einzelnen Schilderung eines Geschehensablaufs zu seinem Gutachten gekommen“ (ON 25 S 25), vermag dies nicht. Hatte doch der Experte - neben den Bekundungen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen - nicht nur den behaupteten Erinnerungsverlust des Angeklagten und die Ergebnisse der rund drei Stunden nach der Tat an diesem vorgenommenen polizeiamtsärztlichen Untersuchung, sondern auch die Mengen an Alkohol und sonstigen Substanzen, die der Angeklagte vor der Tatausführung zu sich genommen haben will, bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt (ON 12 S 8; ON 25 S 21).

Da bei Prüfung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung sowie den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325) und die materielle Überzeugungskraft eines im Sinne des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien Sachverständigengutachtens der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (RIS-Justiz RS0097433; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351), hat das den Antrag ergänzende - teils auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte - Beschwerdevorbringen, mit dem der Angeklagte die sachliche Richtigkeit des Gutachtens in Frage zu stellen versucht, auf sich zu beruhen.

Zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Nichtigkeitswerbers vermögen die Hinweise der Tatsachenrüge (Z 5a) auf Vermutungen seiner Lebensgefährtin über die Menge der eingenommenen Medikamente und des genossenen Alkohols (ON 25 S 19 f) sowie auf einen positiven Drogenharntest beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die entsprechenden erstgerichtlichen Feststellungen zu erwecken.

Dem - nominell aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO, inhaltlich als Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) erhobenen - Vorwurf der „Scheinbegründung“ zuwider ist der vom Erstgericht gezogene Schluss aus äußeren Umständen der Tat auf das dieser zu Grunde liegende subjektive Handlungselement nicht nur rechtsstaatlich vertretbar, sondern bei leugnenden oder wie hier (aus welchem Grund auch immer) keine inhaltlichen Angaben zum Geschehensablauf machenden Angeklagten auch in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Insoweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) die Aussagen des Zeugen Manfred M*****, auf welche das Schöffengericht seine Feststellungen zum Hergang der vom Schuldspruch (I) erfassten Tat gründete (US 4), lediglich anders bewertet, verkennt er den von einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld verschiedenen Anfechtungsrahmen.

Die Rüge bezweifelt ferner - ausnahmslos ohne Benennung der Fundstellen in den Akten - die vom Erstgericht angestellten beweiswürdigenden Überlegungen zum Tatmotiv des Angeklagten und zu dessen „Erfahrung mit Delikten gegen fremdes Vermögen“. Sie spricht damit keine entscheidenden Tatsachen an und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Mit dem (nominell auf § 281 Abs 1 Z „9a“ StPO gestützten, der Sache nach Nichtigkeit nach Z 10 leg cit reklamierenden) Einwand rechtlich verfehlter Annahme des Verbrechens des Raubes anstelle von „Körperverletzung und allfällig Entwendung“ zu Schuldspruch (I) setzt sich der Beschwerdeführer - entgegen der Verfahrensordnung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584) - mit eigenständiger Würdigung der Beweisergebnisse über die zur subjektiven Tatseite getroffenen Urteilsannahmen (US 3) hinweg.

Die weitere Rechtsrüge behauptet bloß, der dem Nichtigkeitswerber mit Schuldspruch (II) zur Last liegende Besitz eines Pfeffersprays wäre „nicht tatbestandsmäßig“ (Z „9b“, der Sache nach Z 9 lit a), während die zu Schuldspruch (I) beschriebene Tat (lediglich) dem § 142 Abs 1 StGB zu subsumieren sei (Z 10). Sie leitet aber weder methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb ein Pfefferspray - entgegen ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0093928 [T55]) - nicht sowohl im Sinne des § 1 Abs 1 WaffG als auch im Sinne des § 143 StGB eine Waffe darstellen sollte, noch legt sie dar, aus welchem Grund dessen vorsätzlicher Besitz - in Anbetracht des festgestellten Waffenverbots gemäß § 12 WaffG (US 3) - keine nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründen sollte, und entzieht sich damit einer meritorischen Erwiderung.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass die Feststellungen, wonach das im Schuldspruch (II) genannte Fixiermesser über eine auch in eingeklapptem Zustand herausragende Klinge verfügt, die kraft einer besonderen Öffnungsvorrichtung - ohne Zuhilfenahme der weiteren Hand - nicht nur leicht und schnell mit dem Daumen, sondern auch bloß durch eine ruckartige Bewegung der das Messer führenden Hand sofort ausgeklappt werden kann (US 3), einen ihrem Wesen nach zur Beseitigung oder Herabsetzung der Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung bestimmten Gegenstand im Sinne des § 1 Z 1 WaffG beschreiben und daher die rechtliche Unterstellung nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG unter diesem Aspekt jedenfalls zu tragen vermögen (vgl RIS-Justiz RS0081910, RS0081914, RS0082031).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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