OGH 7Ob125/12a

OGH7Ob125/12a26.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Rathaus, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, und den Nebenintervenienten W***** W*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.868,99 EUR sA, über die Rekurse der klagenden Partei und des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 23. Mai 2012, GZ 1 R 125/08x-5, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs des Nebenintervenienten wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er insgesamt lautet:

„Der Antrag des Nebenintervenienten auf Berichtigung des Urteils des Oberlandesgerichts Wien vom 16. 10. 2008 wird abgewiesen.

Der Nebenintervenient hat die Kosten des Berichtigungsantrags selbst zu tragen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 492,86 EUR (darin enthalten 74,66 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekurses und die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin machte als Werkbestellerin gegenüber der Beklagten als Werkunternehmerin 22.868,99 EUR sA an Schadenersatz aus einer planwidrigen und nicht fachgerechten Montage von Zaunstehern am Dach eines Schulgebäudes geltend. Die fehlerhaften Arbeiten hätten eine Beschädigung der Dachisolierung und dadurch einen Wassereintritt in das Gebäude zur Folge gehabt. Der Klagsbetrag ergebe sich aus den Sanierungs- und Schadenbehebungskosten der eingesetzten Professionisten von 28.103,55 EUR sowie 15 % Baubetreuungskosten der Klägerin von 4.215,53 EUR und betrage somit 32.319,08 EUR. Davon seien 9.450,09 EUR aus einer von der Klägerin bereits gezogenen Bankgarantie beglichen worden.

Die Beklagte und der die Montagearbeiten als ihr Subunternehmer durchführende Nebenintervenient behaupteten unter anderem die fachgerechte Durchführung der Arbeiten und wandten darüberhinaus deren fehlende Kausalität für die Beschädigung der Isolierung, schadenskausal mangelhafte Arbeiten durch die Baufirma und ein wesentliches Mitverschulden der Klägerin wegen Planungsfehlern ein. Weiters hielt die Beklagte dem Klagebegehren eine Gegenforderung von 7.070,40 EUR für im Zuge der Schadensbehebung durchgeführte Demontage- und Wiedermontagearbeiten aufrechnungsweise entgegen.

Mit Urteil vom 23. 4. 2008 gab das Erstgericht der Klage mit einem Betrag von 18.653,46 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 4.215,33 EUR sA ab.

Den von der Beklagten und dem Nebenintervenienten dagegen erhobenen Berufungen gab das Berufungsgericht teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass die Klagsforderung mit 9.326,73 EUR zu Recht und die eingeforderte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es sprach daher der Klägerin 9.326,73 EUR sA zu und wies (unter Einschluss des bereits rechtskräftig abgewiesenen Teils) das Mehrbegehren von 13.542,26 EUR sA ab. Ausgehend von einer Obsiegensquote der Klägerin in erster Instanz von etwa 40 % und einem gleichteiligen Obsiegen im Berufungsverfahren sprach es der Beklagten 3.710,96 EUR sowie dem Nebenintervenienten 2.496,29 EUR an Kosten erster Instanz und der Beklagten und dem Nebenintervenienten je 467 EUR an Kosten zweiter Instanz zu. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Der Nebenintervenient stellte daraufhin einen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der Revision nach § 508 ZPO, den er insbesondere auf eine fehlerhafte Anwendung der Judikatur zur alternativen Kausalität analog § 1302 ABGB gründete. Dieser Antrag wurde vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 24. 2. 2009 zurückgewiesen. Dass das Berufungsurteil ausgehend von der darin geäußerten Rechtsansicht fehlerhaft wäre, wurde im Antrag nach § 508 ZPO nicht behauptet.

Mit Berichtigungsantrag vom 4. 4. 2012 macht der Nebenintervenient nunmehr geltend, der Ausspruch des Berufungsgerichts gründe auf einem offenkundigen, einer Berichtigung nach § 419 ZPO zugänglichen Rechenfehler des Berufungsgerichts. Aus den Entscheidungsgründen ergebe sich eindeutig, dass das Berufungsgericht eine gleichteilige Schadenstragung habe vornehmen wollen. Davon ausgehend ergebe sich bei richtiger Berechnung des von der Beklagten zu tragenden Schadens nur eine berechtigte Klagsforderung von 4.601,69 EUR. Infolge der dadurch rechnerisch unrichtig ermittelten Obsiegensquoten sei auch die Kostenentscheidung entsprechend zu berichtigen.

Darüber hinaus habe das Berufungsgericht auf Grund eines weiteren berichtigungsfähigen Irrtums die Eigenleistungen der Beklagten zur Schadensgutmachung von 7.070,40 EUR übersehen, welche unter Zugrundelegung des 50%igen Mitverschuldens zu einer berechtigten Gegenforderung von 3.535,20 EUR führten. Der Zuspruch an die Klägerin sei daher sogar auf 1.066,49 EUR zu berichtigen, die Kostenentscheidung sei entsprechend anzupassen.

Mit dem angefochtenen Beschluss berichtigte das Berufungsgericht sein Urteil im Spruch dahingehend, dass es die Klagsforderung mit 4.601,63 EUR, die Gegenforderung jedoch als nicht zu Recht bestehend feststellte, die Beklagte zur Zahlung von 4.601,63 EUR sA verpflichtete, das darüber hinausgehende Klagebegehren von 18.267,30 EUR abwies, die Klägerin zum Ersatz der Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens in Höhe von 12.120,96 EUR an die Beklagte und von 7.344,88 EUR an den Nebenintervenienten verhielt und der Klägerin die Tragung der Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 1.476,45 EUR gegenüber der Beklagten und von 1.476,46 EUR gegenüber dem Nebenintervenienten auftrug. Gleichzeitig berichtigte es auch die Begründung seiner Kostenentscheidung unter Zugrundelegung der sich aus der berichtigten Entscheidung ergebenden Obsiegensquoten. Den darüber hinausgehenden Berichtigungsantrag des Nebenintervenienten wies es ab und verhielt die Klägerin dazu, dem Nebenintervenienten die mit 28,45 EUR bestimmten Kosten des Berichtigungsantrags zu ersetzen.

Rechtlich erachtete es, dass aus seinem Berufungsurteil vom 16. 10. 2008 eindeutig und auch für die Parteien zweifelsfrei der Entscheidungswille erkennbar sei, die Beklagte zur Tragung der Hälfte des der Klägerin entstandenen Schadens zu verpflichten. Aus den vom Erstgericht übernommenen von der Klägerin unbekämpft gebliebenen Feststellungen über die Höhe des Schadens von 28.103,55 EUR ergebe sich somit eine Haftung der Beklagten über einen Betrag von 14.051,78 EUR. Unter Abzug des von der Klägerin aus einer Bankgarantie bereits vorprozessual vereinnahmten Betrags von 9.450,09 EUR ergebe sich rechnerisch eine zu Recht bestehende Klagsforderung von 4.601,69 EUR (statt 9.326,73 EUR). Das führe auch zu einem Zuspruch in dieser Höhe sowie - angesichts einer eingeklagten Summe von 22.868,99 EUR sA - zu einer Abweisung von 18.267,30 EUR sA (statt 13.542,26 EUR sA). Dieser anhand der rechtlichen Beurteilung klar erkennbare Irrtum des Berufungsgerichts bei der Errechnung des zuzusprechenden Kapitalbetrags müsse auch die Unrichtigkeit der von der Relation zwischen dem eingeklagten und dem zugesprochenen Betrag abhängigen Kostenentscheidung zur Folge haben. Da es sich dabei nur um eine Weiterführung der offenkundig irrtümlichen Berechnung des Kapitalbetrags handle, sei auch dieser zwingende „Folgefehler“ einer Berichtigung zugänglich.

Ein Entscheidungswille des Berufungsgerichts, der Beklagten die Hälfte der behaupteten, der Klägerin im Zuge der Sanierungsarbeiten in Rechnung gestellten Beträge zuzusprechen, sei der Berufungsentscheidung nicht zu entnehmen. Die entsprechende Gegenforderung sei nicht Gegenstand näherer Erörterungen in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils. Es stehe auch nicht fest, dass der Ausspruch, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, dem damaligen Entscheidungswillen des Berufungsgerichts widersprochen habe. Jedenfalls sei ein derartiger allfälliger Irrtum für die Parteien aus den Entscheidungsgründen nicht erkennbar.

Gegen die Berichtigung des Berufungsurteils wendet sich der Rekurs der Klägerin, gegen die Abweisung des weitergehenden Berichtigungsantrags wendet sich der Rekurs des Nebenintervenienten.

Die Klägerin und der Nebenintervenient erstatteten Rekursbeantwortungen.

Die Beklagte beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

1) § 519 ZPO regelt (nur) die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Berufungsgerichts im Berufungsverfahren. § 519 ZPO ist daher auf Beschlüsse des Berufungsgerichts außerhalb des Berufungsverfahrens nicht anzuwenden (Zechner in Fasching/Konecny 2 § 519 ZPO Rz 1; E. Kodek in Rechberger 3, § 519 ZPO Rz 6). Diese sind demnach anfechtbar (RIS-Justiz RS0057215). Das Berufungsgericht hat seinen Berichtigungsbeschluss nach Rechtskraft und damit nach Abschluss, sohin außerhalb des Berufungsverfahrens gefasst. Der Berichtigungsbeschluss unterliegt demnach nicht der Zulässigkeitsbeschränkung nach § 519 Abs 1 ZPO (6 Ob 225/01h, 5 Ob 217/09m, 7 Ob 234/09a; Zechner aaO § 519 ZPO Rz 37) und auch nicht jener nach § 419 Abs 2 Satz 2 ZPO, weil keine weitere anfechtbare Entscheidung im Hauptverfahren ergehen kann (7 Ob 234/09a).

Die Rekurse sind damit grundsätzlich zulässig.

2) Zum Rekurs des Nebenintervenienten

Gemäß § 520 Abs 1 ZPO wird der Rekurs durch Überreichung eines Schriftsatzes bei dem Gericht erhoben, dessen Beschluss angefochten wird, doch sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz beim Gericht erster Instanz zu überreichen.

Der Rekurs ist demnach beim jeweiligen Erstgericht einzubringen. Der Begriff „bei Gericht erster Instanz“ ist aus funktioneller Sicht zu verstehen. Deshalb muss das Erstgericht nicht jedenfalls ein solches nach den Kriterien des Gerichtsorganisationsgesetzes sein (Zechner aaO § 520 ZPO Rz 1).

So wird beispielsweise das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über einen Delegierungsantrag als Erstgericht tätig. Rekurse gegen solche Entscheidungen sind daher bei dem Oberlandesgericht einzubringen, das über den Antrag entschieden hat (RIS-Justiz RS0046243). Auch Rekurse gegen einen Beschluss, mit dem über einen Ablehnungsantrag entschieden wurde, sind bei dem Gericht einzubringen, das in der Ablehnungssache entschieden hat (RIS-Justiz RS0109787).

Entscheidet demnach das Oberlandesgericht nicht in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Rechtsmittelverfahren, wird es funktionell als Erstgericht tätig. Dies ist auch dann der Fall, wenn es über den Antrag auf Berichtigung seiner Berufungsentscheidung nach Rechtskraft und somit außerhalb des Berufungsverfahrens entscheidet. Es trifft hier keine Entscheidung über ein Rechtsmittel an die zweite Instanz, übt also nicht die Gerichtsbarkeit im Berufungsverfahren aus und wird daher auch in diesem Fall funktionell als Erstgericht tätig (vgl 5 Ob 68/09z). Aus § 520 Abs 1 ZPO, gegen den der Oberste Gerichtshof keine Bedenken hegt, die zu einer Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 B-VG Anlass geben, folgt daher, dass die Rekurse gegen den Berichtigungsbeschluss beim Oberlandesgericht Wien einzubringen waren.

Wenn das Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet wird, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS-Justiz RS0041584).

Der Berichtigungsbeschluss wurde dem Nebenintervenienten am 4. 6. 2012 zugestellt. Sein dagegen gerichteter Rekurs langte am 28. 6. 2012 beim Handelsgericht Wien und erst am 5. 7. 2012 beim Oberlandesgericht Wien ein. Der Rekurs des Nebenintervenienten ist daher verspätet und zurückzuweisen.

3) Zum Rekurs der Klägerin

Der Rekurs der Klägerin wurde im Sinn der obigen Ausführungen fristgerecht beim Oberlandesgericht Wien eingebracht. Er ist zulässig, rechtzeitig und auch berechtigt.

Nach § 419 ZPO sind Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten im Urteil zu berichtigen. Die offenbare Unrichtigkeit, die einer Berichtigung im Sinne des § 419 Abs 1 ZPO zugänglich ist, darf daher nur die Wiedergabe des zur Zeit der Entscheidung bestehenden Entscheidungswillens des erkennenden Richters betreffen. Nicht der Inhalt des Entscheidungswillens, sondern nur Fehler bei seiner Wiedergabe sind berichtigungsfähig (RIS-Justiz RS0041489). Ist aus der angefochtenen Entscheidung nicht zweifelsfrei der Entscheidungswille zu erkennen, dann kommt eine Entscheidungsberichtigung nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0041519 [T1]). Sobald der Urteilsspruch durch die Entscheidungsgründe gedeckt erscheint, ist eine Berichtigung des Urteilsspruchs überhaupt ausgeschlossen. Es liegt in diesem Fall eben keine offenbare Unrichtigkeit des Urteils im Sinn des § 419 Abs 1 ZPO, kein klar erkennbarer Irrtum des Gerichts vor. Die Korrektur eines solchen Urteils kann daher nur im Rechtsmittelweg erfolgen (RIS-Justiz RS0041517).

Aus der Berufungsentscheidung in seiner unberichtigten Fassung ergibt sich, dass das Berufungsgericht von einer Verschuldensteilung von 1 : 1 zwischen Klägerin und Beklagter ausging und die vom Erstgericht festgestellte Höhe der Klagsforderung von 18.653,46 EUR halbierte.

Warum das Berufungsgericht bei dieser Vorgangsweise den von der Klägerin bereits vorprozessual vereinnahmten Betrag von 9.450,09 EUR unberücksichtigt ließ, lässt sich aus dem Berufungsurteil in seiner unkorrigierten Form nicht entnehmen. Damit liegt aber kein dem Gericht und den Parteien klar erkennbarer Irrtum vor, weshalb die Entscheidungsberichtigung unzulässig ist.

Dem Rekurs der Klägerin ist daher Folge zu geben und der Berichtigungsantrag abzuweisen; auf den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmangel (keine Möglichkeit zur Stellungnahme zum Berichtigungsantrag) kommt es daher nicht an.

4) Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat allerdings keine Gerichtsgebühren zu tragen, sodass ihr dafür kein Ersatz zusteht. Da sie in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Nebenintervenienten hingewiesen hat, sind ihr auch die Kosten der Rekursbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuzusprechen (RIS-Justiz RS0035979, RS0123222). Ein Streitgenossenzuschlag gebührt ihr nicht, weil sie hier nur dem Nebenintervenienten gegenübersteht.

Es mangelt an einer gesetzlichen Bestimmung, den unterlegenen Nebenintervenienten, der sich allein am Rekursverfahren beteiligt, zum Kostenersatz zu verpflichten. Die Kosten des Rekursverfahrens sind daher der Beklagten aufzuerlegen, der der Nebenintervenient im Rechtsstreit beigetreten ist (vgl RIS-Justiz RS0036057).

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