OGH 4Ob157/12k

OGH4Ob157/12k18.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. b***** Gesellschaft mbH, und 2. b***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. P***** Gesellschaft mbH, 2. A***** P***** und 3. H***** P*****, alle vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 69.000 EUR) und wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert 67.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2012, sowie den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 14. Juni 2012, GZ 2 R 99/12k, 2 R 100/12g-31, womit sowohl das Urteil des Landesgerichts Linz vom 23. Februar 2012, GZ 5 Cg 160/11s-8, als auch der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 13. April 2012, GZ 5 Cg 160/11s-17, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revision wird zurückgewiesen.

2. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

3. Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit je 2.452,88 EUR bestimmten Kosten der Revisions- und der Revisionsrekursbeantwortung (darin je 408,81 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerinnen und die Erstbeklagte stehen als Backmittelerzeuger im Wettbewerb; der Zweit- und der Drittbeklagte sind geschäftsführende Gesellschafter der Erstbeklagten.

Ein Grundstück, auf dem sich die Betriebsanlage der Beklagten befindet, ist im Flächenwidmungsplan als Betriebsbaugebiet ausgewiesen. Der nördliche Teil dieses Grundstücks, der unmittelbar an ein als Wohngebiet gewidmetes Nachbargrundstück anschließt, ist im Flächenwidmungsplan vom 9. Juni 2000 (Beschluss des Gemeinderats der zuständigen Gemeinde vom 7. September 2000, Kundmachung am 15. November 2000) als Schutzzone im Bauland (Frei- und Grünflächen, Bepflanzung mit der Kurzbezeichnung „Ff“) gewidmet. In diesem Bereich errichtete die Erstbeklagte eine asphaltierte Fläche, die als Umkehrschleife für an- und abfahrende LKW verwendet wird, die zur Loseverladesiloanlage fahren. Darüber hinaus befindet sich in dieser Schutzzone auch ein Abstellplatz für Müllcontainer, die je nach Art des gelagerten Abfalls in unterschiedlichen Intervallen entleert werden. Die Umkehrschleife wurde im Zug des Ausbaus der Betriebsanlage um die Loseverladesiloanlage im Jahr 2001 angelegt. Sie war im Einreichplan vorgesehen, bei der Bauverhandlung sahen die Gewerbebehörde und die Anrainer darin eine Optimierung. Die Gewerbebehörde stellte in der Folge fest, dass die Errichtung der Loseverladesiloanlage den Voraussetzungen des § 359b GewO entspreche. Der Bürgermeister erteilte die diesbezügliche Baubewilligung. Der Standort der Abfallcontainer war bereits im Abfallwirtschaftskonzept 1994 vorgesehen. Das Konzept 2004 sah eine Erweiterung vor. Die Abfallanlage wird in der konzipierten Form betrieben.

Die Klägerinnen begehrten die Verpflichtung der Beklagten, es zu unterlassen, den als Schutzzone gewidmeten Grundstücksteil mit LKW auf dem Weg zur Loseverladesiloanlage zu befahren und als Mülllagerplatz samt Beladung durch Stapler und Entladung durch LKW zu nutzen. Darüber hinaus erhoben sie ein Veröffentlichungsbegehren. Die widmungswidrige Nutzung der Schutzzone könne im Hinblick auf die Raumordnungsvorschriften des Landes baurechtlich nicht bewilligt sein. In den gewerberechtlichen Verhandlungen seien die örtlichen Gegebenheiten nur am Rande und für den Mülllagerplatz gar nicht behandelt worden, sodass sie von den Genehmigungsbescheiden nicht erfasst würden. Die Beklagten hätten Rechtsbruch begangen und könnten sich auf keine vertretbare Rechtsansicht berufen, weil sich die Widmung der Schutzzone klar und eindeutig aus dem Flächenwidmungsplan ergebe. Ihr Rechtsbruch sei spürbar, weil dadurch der Wettbewerb nicht nur unerheblich beeinflusst werde.

Die Beklagten wendeten ein, alle Betriebsanlagen der Erstbeklagten seien behördlich rechtskräftig genehmigt.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und wies nur das Veröffentlichungsbegehren ab. Die Nutzung der seit 2000 bestehenden Schutzzone, die einen Puffer zwischen dem Wohn- und Betriebsbaugebiet bilden solle, für den LKW-Verkehr und die Müllablagerung sei widmungs- und damit rechtswidrig. Daran ändere weder die Baubewilligung noch die Zustimmung der Nachbarn etwas.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin darüber hinaus die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, weil die Beklagten ihr Verhalten auch nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils fortgesetzt hätten.

Dagegen wendeten die Beklagten neuerlich ein, keinen vorwerfbaren Rechtsbruch begangen zu haben.

Das Erstgericht erließ darüber hinaus auch die beantragte einstweilige Verfügung, machte deren Vollzug jedoch vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 600.000 EUR abhängig.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten das Urteil im Sinne gänzlicher Klageabweisung und über Rekurs der Beklagten die Unterlassungsverfügung im Sinn gänzlicher Antragsabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision bzw der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob und welche Rechtswirkungen ein Flächungswidmungsplan entfalte. Die Nutzung der Beklagten entspreche zwar nicht dem Flächenwidmungsplan, dessen ungeachtet liege aber kein Rechtsbruch iSd § 1 UWG vor, weil sich der Flächenwidmungsplan nur an die Gemeinde richte, die keine dagegen verstoßenden Baubewilligungen erteilen dürfe. Ein Rechtsbruch der Beklagten als Bauwerberin oder Gewerbetreibende würde nur dann vorliegen, wenn sie ihr Grundstück ohne die erforderliche Genehmigung oder gegen eine solche verstoßend nutzen würde. Der von den Klägerinnen erhobene Unterlassungsanspruch bestehe daher nicht und könne auch nicht gesichert werden.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die gegen die Klageabweisung erhobene Revision der Klägerinnen als auch ihr Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Sicherungsantrags, mit denen sie jeweils die Stattgebung bzw einstweilige Sicherung der von ihnen erhobenen Unterlassungsansprüche anstreben, sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rechtsmittelgerichts nicht zulässig.

Bereits zu 4 Ob 49/92 sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass bei einer bau- und gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage nicht aus einem allfälligen Widerspruch der Baugenehmigung zur Flächenwidmung dem Betriebsanlagenbetreiber ein Rechtsbruch iSd § 1 UWG vorzuwerfen sei, wenn weder ein Verstoß gegen die Genehmigungsbescheide behauptet wird noch irgendeine rechtswidrige Einflussnahme des Beklagten auf die zuständigen Behörden, welche die Genehmigungsbescheide erließen. Ob aber die Bescheide zu Unrecht erlassen wurden, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Sobald dem Beklagten die zuständigen Verwaltungsbehörden die entsprechenden Bewilligungen erteilt haben, kann ihm nicht aus der Erwägung, dass ein Bescheid im Hinblick auf den Flächenwidmungsplan - welcher sowohl bei der Baubewilligung als auch bei der gewerbebehördlichen Bewilligung zu berücksichtigen ist - rechtswidrig sei, gesetz- und sittenwidriges Verhalten vorgeworfen und das verwaltungsbehördlich genehmigte Verhalten verboten werden (4 Ob 49/92). Diese Rechtsprechung wurde in der Folge mehrfach fortgeschrieben (RIS-Justiz RS0077861). Mehrfach wurde die Vertretbarkeit einer bestimmten Rechtsansicht dann angenommen, wenn das beanstandete Verhalten durch Genehmigungen der zuständigen Verwaltungsbehörde gedeckt ist; die Richtigkeit dieser Genehmigungen ist im Wettbewerbsprozess nicht zu prüfen (4 Ob 115/06z; 4 Ob 152/06s; 4 Ob 225/07w).

Die Auffassung der Beklagten, aufgrund bau- und gewerbebehördlicher Genehmigung im Einzelfall berechtigt zu sein, den von den Klägerinnen beanstandeten Betrieb zu führen, ist daher als vertretbar zu beurteilen. Ob die konkrete Flächenwidmung allenfalls den erteilten Genehmigungen entgegenstand, ist daher im Lauterkeitsprozess nicht zu prüfen. Damit kann aber auch die vom Rechtsmittelgericht und den Klägerinnen als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Frage nach der Wirkung des Flächenwidmungsplans auf den Betriebsinhaber auf sich beruhen.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nach §§ 502 Abs 1 bzw 528 Abs 1 ZPO sind sowohl Revision als auch Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Klägerinnen haben den Beklagten, welche jeweils auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwiesen, gemäß §§ 41 und 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung und der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

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