OGH 14Os65/12h

OGH14Os65/12h28.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Günter W***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Februar 2012, GZ 072 Hv 75/11t-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch (teilweise eine rechtliche Kategorie und einzelne Taten einer gleichartigen Verbrechensmenge betreffende, demnach rechtlich verfehlte, aber prozessual bedeutungslose [vgl dazu für alle: Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1 und 7; RIS-Justiz RS0115553]; vgl auch US 18) Freisprüche enthaltenden - Urteil wurde Günter W***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I/A) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall (I/B), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (I/C) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) in Wien und S*****

A) mit unmündigen Personen den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

1) von Mai 2004 bis 5. März 2007 mit seiner am 6. März 1993 geborenen Stieftochter Michelle S*****, indem er etwa alle vier bis sechs Wochen Vaginal- und wechselseitigen Oralverkehr durchführte und die Genannte sowohl mit den Fingern als auch mit der Faust vaginal penetrierte;

2) von 2007 bis 12. August 2011 mit seiner am 17. Dezember 1997 geborenen Stieftochter Georgina S*****, indem er ein bis zwei Mal monatlich Vaginal- und Oralverkehr durchführte;

B) zwischen Mai 2004 und 12. August 2011 Michelle S***** mehrfach mit Gewalt zur Vornahme von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs, genötigt, indem er ihren Kopf zu seinem Penis drückte, wobei er sie durch die Taten in besonderer Weise erniedrigte, indem er jeweils in ihren Mund ejakulierte;

C) mit seinen minderjährigen Stieftöchtern geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen, und zwar

1) im Winter 2010 an der am 27. Dezember 1994 geborenen Melanie S*****, indem er sie an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils mit einem Finger vaginal penetrierte, Oralverkehr mit ihr durchführte und „die Durchführung eines Vaginalverkehrs versuchte“;

2) von Mai 2004 bis 12. August 2011 durch die zu I/A/1 und I/B geschilderten und gleichartige Tathandlungen an der am 6. März 1993 geborenen Michelle S*****;

3) von 2007 bis 12. August 2011 durch die zu I/A/2 geschilderten Tathandlungen an der am 17. Dezember 1997 geborenen Georgina S*****;

(II) am 12. August 2011 in S***** Michelle S***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper ihrer eigenen oder anderer ihr nahestehender Personen zur - besonders wichtige Interessen, nämlich ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, verletzenden - Unterlassung der Information anderer, insbesonders des Rudolf H*****, über die zu I/A und I/C beschriebenen Vorfälle und damit zur Unterlassung der Verhinderung weiterer sexueller Übergriffe zu nötigen versucht, indem er ihr einige Schläge mit der Hand ins Gesicht versetzte und ihr ankündigte, „dass ihr etwas passieren würde, wenn sie etwas erzähle“.

Rechtliche Beurteilung

Die inhaltlich nur gegen den Schuldspruch I/B gerichtete, aus den Gründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter ihre Überzeugung von mehrfacher gewaltsamer Nötigung der Michelle S***** zur Durchführung eines Oralverkehrs am Angeklagten und Ejakulation in deren Mund (Schuldspruch I/B) aus den für glaubwürdig erachteten diesbezüglichen Depositionen der Genannten anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 14 S 47 f) abgeleitet (US 13), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.

Soweit die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) in diesem Zusammenhang angeblich übergangene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) überhaupt deutlich und bestimmt bezeichnet, ist ihr zunächst zu entgegnen, dass das Erstgericht im Rahmen der diesbezüglichen Beweiswürdigung eingehend darlegt hat, aus welchen Gründen es die insoweit leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtete (US 13), womit es unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten war, sich mit sämtlichen Details seiner Aussage auseinanderzusetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Aus welchem Grund die in der Rüge - isoliert und sinnentstellt - zitierten Passagen aus den Angaben des Tatopfers Michelle S***** (etwa dass sie der Angeklagte beim Oralverkehr „am Hinterkopf genommen“ habe, wobei sie sagte: „Ich will das nicht.“ und dass es „2 oder 3 Mal“ zu Tathandlungen wie den im Schuldspruch I/B beschriebenen gekommen sei [ON 14 S 47 f]) der vorgenommenen rechtlichen Beurteilung als mehrere Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollten, wird nicht erklärt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) leitet die Behauptungen, die zum Schuldspruch I/B festgestellten Tathandlungen seien nicht dem Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB zu unterstellen und die Ejakulation in den Mund sei „kein erniedrigendes Verhalten“, nicht aus dem Gesetz ab und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die festgestellten Gewalthandlungen des Angeklagten (gegen den ausdrücklichen Willen des Tatopfers erfolgtes vier- bis fünfminütiges Hinabdrücken dessen Kopfes zum Penis des Täters) die vorgenommene Subsumtion jedenfalls zu tragen vermögen (vgl zum Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 idgF und § 201 Abs 2 idF BGBl I 2002/134: RIS-Justiz RS0095232, RS0095260). Das Ejakulieren in den Mund ist zudem keinesfalls notwendige Begleiterscheinung des Oralverkehrs, sondern stellt vielmehr - auch im Kontext mit den übrigen im Urteil angeführten Tatmodalitäten - eine derart schwerwiegende Herabsetzung des Opfers dar, dass damit das mit einer Vergewaltigung jedenfalls verbundene Maß an Demütigung erheblich überschritten wurde (vgl RIS-Justiz RS0095315 [T4 und T6]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die gegen schöffengerichtliche Urteile nicht zustehende Berufung wegen Schuld - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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