OGH 9ObA74/12s

OGH9ObA74/12s22.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Dr. Peter Schnöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei Betriebsrat der L***** GmbH, Standort Graz, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Mai 2012, GZ 7 Ra 10/12p-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob einem Standort Betriebseigenschaft iSd § 34 Abs 1 ArbVG zukommt, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Sie begründet daher idR keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht ein Korrekturbedarf aufgrund einer groben Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts besteht. Das ist hier nicht der Fall:

1. Als Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG gilt jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. In der „organisatorischen Einheit“ muss die Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszwecks und der Organisation zum Ausdruck kommen. Dieser Einheit muss also ein gewisses Mindestmaß an Selbstständigkeit, insbesondere in technischer Hinsicht, eingeräumt sein, und auch dem Ergebnis des Arbeitsvorgangs dieser Einheit muss eine wenn auch beschränkte Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit von anderen Betriebsvorgängen eigen sein (RIS-Justiz RS0051107).

2. Die Klägerin ist Teil eines weltweit tätigen deutschen Konzerns und betreibt in Österreich an zehn Betriebsstandorten die Produktion und den Handel von Gasen für den technischen, medizinischen und den Lebensmittelbereich. Am Standort Graz sind 28 Mitarbeiter in vier Geschäftsbereichen (Technik, Produktion, Healthcare und Verkauf) tätig, die den in Linz, Stadl-Paura und Wien ansässigen Bereichsleitern weisungsunterworfen sind. Das Kerngeschäft in Graz ist die Gasbereitstellung für ein Stahlwerk sowie die Abdeckung des Flüssiggasmarktes.

3. Mit dem Vorbringen, dass es - als klares Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen und selbstständigen Betriebs - einen Standortleiter, Herrn Ing. P*****, gebe und eine strenge Trennung zwischen Produktion und den übrigen Bereichen nicht vorgenommen werden könne, entfernt sich die Revisionswerberin insofern vom festgestellten Sachverhalt, als Ing. P***** neben seiner Funktion als gewerberechtlicher Ansprechpartner des Standorts lediglich Leiter und Kostenstellenverantwortlicher des Bereichs Produktion ist, der 11 der 28 Mitarbeiter umfasst, er selbst dem Bereichsleiter für Produktion weisungsunterworfen ist, bezüglich der in der Produktion tätigen Mitarbeiter zwar eine Vorschlags-, jedoch keine Entscheidungsbefugnis hat, das Bestellsystem zentral über ein EDV-System geregelt ist, er als Kostenstellenverantwortlicher für die Produktion nur Bestellungen bis 5000 EUR zustimmen kann und das von ihm geplante Teilbudget für die Luftzerlegungsanlage von übergeordneter Stelle zu genehmigen ist. Aus seiner Funktion kann daher weder auf eine Leitung noch eine organisatorische Einheit des Standorts Graz geschlossen werden.

4. Die Revisionswerberin hinterfragt weiter, warum durch das Hinzutreten anderer Aufgaben im Rahmen eines bereits bestehenden selbstständigen Betriebs iSd § 34 ArbVG dessen Eigenschaft als solcher verloren gehen sollte. Dies übersieht jedoch, dass das Berufungsgericht dem Bereich Produktion ein für die Betriebseigenschaft ausreichendes Maß an Selbständigkeit gerade nicht abschließend zuerkannt hat und die drei weiteren Bereiche Technik, Healthcare und Verkauf auch nicht ohne weiteres dem Bereich Produktion zurechenbar sind, weil dem Produktionsleiter gegenüber den dort tätigen weiteren 17 Mitarbeitern - von Fällen der Gefahr im Verzug abgesehen - keine Weisungsbefugnis zukommt und sie auch keinen einheitlichen Betriebszweck unter seiner Leitung verfolgen.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Stichworte