Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Justino C***** „des“ Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A./I./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./II./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - in Linz
A./I./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und bereits wegen einer Straftat nach Abs 1, nämlich wegen § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG aF verurteilt worden ist, wobei er
1./ von Mai bis November 2010 pro Woche zumindest ca 10 Gramm Cannabiskraut, sohin insgesamt ca 260 Gramm Cannabiskraut, teils kommissionsweise von Siegfried W***** sowie von Jänner bis Mai 2011 (bei wöchentlichen Übergaben zu je ca 60 Gramm) insgesamt ca 1.000 Gramm Cannabiskraut (Reinheitsgehalt rund 12 %) von Jose A***** erwarb und abzüglich äußerst geringer Mengen für den gelegentlichen Eigenkonsum an zahlreiche unbekannte Abnehmer verkaufte;
2./ zwischen November 2010 und Anfang Mai 2011 insgesamt ca 10 Gramm Kokain an Jose A***** verkaufte.
II./ von Mai 2010 bis Mai 2011 100 Gramm Cannabis ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum besessen.
Ausschließlich gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels (A./I./1./ und 2./) richtet sich die auf Z 3, 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dieser kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrens- und Mängelrüge ist voranzustellen, dass die Tatrichter - wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - gestützt auf die kriminaltechnische Auswertung der sichergestellten Suchtgifte (US 7) hinreichend deutlich zum Ausdruck brachten, dass die im Schuldspruch A./I./1./ genannte Cannabismenge als Wirkstoff 12 % Delta-9-THC enthielt (US 17). Demzufolge wurde der Angeklagte, ausgehend von der festgestellten Bruttomenge, nämlich von 1.260 Gramm und unter Beachtung der in der Suchtgiftverordnung für Delta-9-Tetrahydrocannabinol festgesetzten Grenzmenge von 20 Gramm schuldig erkannt, anderen vorschriftswidrig Suchtgifte in einer die Grenzmenge etwa 7-fach übersteigenden Menge überlassen zu haben.
Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ist dann nichtig aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO, wenn es die Tat nicht hinreichend individualisiert oder wenn es die für die rechtsrichtige Subsumtion bedeutsame Ordnungsfunktion nicht erfüllt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 285 bis 288).
Mit ihrer den Urteilstenor betreffenden Kritik am Wort „ca“, das nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zwar der Relativierung, aber nur im rechnerischen Kleinstbereich dient, zeigt die Verfahrensrüge (Z 3) keine Missachtung der genannten Bestimmung auf. Dem Individualisierungsgebot des § 260 Abs 1 Z 1 StPO wurde durch Anführung von Tatort, Tatzeitraum, Art und Herkunft des Suchtgifts von namentlich genau bezeichneten Personen entsprochen. Eine weitere Konkretisierung der Suchtgiftmenge ist gegenständlich weder für die Subsumtion noch für die Abgrenzung von anderen Taten von Relevanz. Im Übrigen streiten im Fall einer nachfolgenden Verurteilung allfällige Zweifel an der Individualisierungsgrundlage für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen eines Verfolgungshindernisses (RIS-Justiz RS0120226; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 268).
Die Tatrichter stellten (zusammengefasst) fest, dass der Angeklagte zunächst insgesamt 1.260 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 12 %, also von 151,2 Gramm Delta-9-THC, von Siegfried W***** und Jose A***** erworben hatte und die Suchtgifte, abgesehen von einer äußerst geringen Menge für den Eigenkonsum, sukzessive an zahlreiche unbekannt gebliebene Abnehmer gewinnbringend weiter verkaufte (US 7 und 17).
Dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zuwider macht die gleichzeitige Annahme der Tatrichter, wonach der Angeklagte einen äußerst geringen Teil des zum Weiterverkauf erworbenen Cannabiskrauts selbst konsumiert hat, die Feststellung der Überlassung einer die Grenzmenge jedenfalls mehrfachen übersteigenden Menge von Suchtgift nicht undeutlich.
Die mit Blick auf den Schuldspruch A./II./ erfolgende Thematisierung übergeht, dass selbst der vom Beschwerdeführer zu A./I./ für den Eigenkonsum sichtlich angestrebte Abzug von 100 Gramm Cannabiskraut brutto im Hinblick auf die dann noch verbleibende Menge von 1.160 Gramm Cannabiskraut brutto bei dem festgestellten Reinheitsgehalt von 12 % auf die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Unterstellung der Taten unter ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a SMG keinen Einfluss hat.
Der Einwand, der zu A./I./1./ und der zu A./II./ angenommene Suchtgifterwerb zum Eigenkonsum stehe dem Grundsatz ne bis in idem diametral entgegen, ist nicht nachzuvollziehen.
Von einer fehlenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der zur Reinsubstanz getroffenen Annahmen kann gegenständlich keine Rede sein. Das Erstgericht hat die Konzentration der Suchtgifte auf die in der Hauptverhandlung durch einverständliche Verlesung des gesamten Akteninhalts (ON 46a S 4) vorgekommene Untersuchung der bei der Bezug habenden Tätergruppe (unter anderem auch bei Siegfried W***** und Jose A***** sichergestellten) Suchtgifte gestützt und hievon einen durchschnittlichen Reinheitsgehalt von etwa 12 % errechnet (US 7). Der Vorwurf der Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten zufolge Überraschung des Angeklagten von einer ihm nicht bekannten Gerichtsnotorietät ist gegenständlich unberechtigt. Selbst wenn der Reinheitsgehalt als allgemeiner Erfahrungswert des Gerichts festgestellt worden wäre, läge bei entsprechendem Hinweis im Anklagevortrag kein Verstoß gegen Art 6 MRK vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463; RIS-Justiz RS0119094 [T1]). Die Behauptung der Mängelrüge, die Wirkstoffkonzentration sei in der Anklage nicht erörtert worden, trifft gerade nicht zu (vgl ON 27 S 7 iVm ON 38 S 3).
Nicht der gelegentliche Eigenkonsum ist für den Schuldspruch A./I./ von Bedeutung, sondern die Feststellung der Überlassung von Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge an andere. Wie das Erstgericht zu einer solchen Feststellung kam, legte es dem - im Rahmen der Rechtsrüge erstatteten - Vorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entsprechend, also formell korrekt, dar (US 13).
Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt finden sich in US 17.
Da bereits die zu A./I./ festgestellte Suchtgiftmenge die rechtliche Unterstellung der Taten unter das vom Erstgericht angenommene Verbrechen des Suchtgifthandels trägt, hätte die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a), die in Bezug auf die Weitergabe von „Kokain“ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen erblickt, Ausführungen zur rechtlichen Relevanz des Einwands enthalten müssen.
Aus welchem Grund es zur Subsumtion unter ein Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG weiterer Festellungen zu einer auch das 10-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge bedurft hätte, legt die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar und entzieht sich dadurch einer meritorischen Erwiderung.
Soweit der Beschwerdeführer eine Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG anstrebt (Z 10), zeigt er allein mit der Bezugnahme auf den festgestellten Konsum von Cannabiskraut und entsprechender Zeugenaussagen, kein taugliches Tatsachensubstrat für die Annahme einer - von ihm selbst ausdrücklich in Abrede gestellten (vgl US 9) - Gewöhnung an Suchtgifte auf.
Die rechtsfehlerhafte grundsätzliche Verneinung der Anwendbarkeit des § 43 StGB wird von der Sanktionsrüge (Z 11) lediglich behauptet (vgl US 18 und die Anführung spezialpräventiver Erfordernisse). Die - ungeachtet misslungener Formulierung („Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen nach dem SMG bei mehrfacher Qualifikation hinsichtlich der Vergehen mit dem Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB“) - sichtlich gemeinte erschwerende Gewichtung des Zusammentreffens von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen derselben und verschiedener Art, verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot.
Der Vollständigkeit halber ist, weil der Subsumtionsfehler dem Angeklagten zum Vorteil gereicht, zum Schuldspruch A./I./ lediglich anzumerken, dass jedes die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquantum dem Erfordernis des § 28a Abs 1 SMG genügt. Sobald der Täter mehr als die 2-fache Grenzmenge an Suchtgift einem anderen überlässt, verwirklicht er ein weiteres Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG (RIS-Justiz RS0123911).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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