Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 6. Mai 2011, GZ 23 Hv 42/11s-7, verletzt in seinem Punkt 1./, soweit darin gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde, das Gesetz in § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.
Der Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Linz auf Widerruf der Said H***** mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, gewährten bedingten Entlassung abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. März 2008, GZ 28 Hv 14/08f-27, wurde Said H***** des Verbrechens des durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 erster Fall, 15 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Unter einem fasste das Gericht den Beschluss, jeweils vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 4 U 409/06a des Bezirksgerichts Vöcklabruck und AZ 26 Hv 83/07m des Landesgerichts Linz abzusehen, jedoch zu letztgenanntem Verfahren die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.
Mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, wurde Said H***** am 2. Mai 2008 nach Verbüßung von drei Monaten und zehn Tagen aus dem unbedingten Teil der zu AZ 28 Hv 14/08f des Landesgerichts Linz verhängten Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.
Aufgrund neuerlicher Delinquenz wurde Said H***** mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Aus Anlass dieser Verurteilung fasste das erkennende Gericht den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO jeweils die bedingte Strafnachsicht zu AZ 4 U 409/06a des Bezirksgerichts Vöcklabruck und AZ 26 Hv 83/07m des Landesgerichts Linz sowie die zu AZ 20 BE 292/08z des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht gewährte bedingte Entlassung (aus dem unbedingten Teil der mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. März 2008, GZ 28 Hv 14/08f-27, verhängten Freiheitsstrafe) zu widerrufen. Vom Widerruf der mit letztgenanntem Urteil gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe (im Ausmaß von zehn Monaten) sah das Landesgericht Linz jedoch gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ab. Dieses Urteil und die Beschlüsse erwuchsen in Rechtskraft.
Mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 7. Oktober 2008, GZ 20 BE 665/08b-6, wurde Said H***** aus Freiheitsstrafen von insgesamt neun Monaten und 20 Tagen, nämlich den zu AZ 26 Hv 83/07m und 27 Hv 79/08g des Landesgerichts Linz verhängten Freiheitsstrafen sowie hinsichtlich des aufgrund der bedingten Entlassung aus dem zu AZ 28 Hv 14/08f verhängten unbedingten Strafteil verbliebenen Strafrests, nach Verbüßung von fünf Monaten und 13 Tagen am 21. Oktober 2008 nach § 46 Abs 1 StGB bedingt entlassen (Strafrest vier Monate und sieben Tage).
Mit Note vom 9. Oktober 2008 teilte das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht der Staatsanwaltschaft Linz mit, bei dieser Beschlussfassung zur Vermeidung eines Nachteils für Said H***** (fiktiv) angenommen zu haben, die bedingte Entlassung zu AZ 20 BE 292/08z des Landesgerichts Linz wäre nicht widerrufen worden.
Mit Urteil vom 17. August 2010, AZ 11 Os 72/10p, hob der Oberste Gerichtshof aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, im Umfang des Widerrufs der mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, gewährten bedingten Entlassung auf, sah vom Widerruf dieser bedingten Entlassung aus Anlass der Verurteilung des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, ab und wies dabei auf die als Folgewirkung der festgestellten Verletzung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB erforderliche Anpassung des (sich auf die neuerliche bedingte Entlassung des Said H***** aus dem gegenständlichen Strafrest beziehenden Teils des) Beschlusses des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 7. Oktober 2008, GZ 20 BE 665/08b-6, hin.
Aufgrund neuerlicher Delinquenz (Tatzeitpunkte von Frühsommer bis Dezember 2010) wurde Said H***** mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. Mai 2011, GZ 23 Hv 42/11s-7, der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs 2 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Aus Anlass dieser Verurteilung fasste das erkennende Gericht den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die zu AZ 20 BE 292/08z und AZ 20 BE 665/08b, jeweils des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht gewährten bedingten Entlassungen zu widerrufen (1./). Vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. März 2008, GZ 28 Hv 14/08f-27, gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe (im Ausmaß von zehn Monaten) sah das Landesgericht Linz jedoch gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO ohne Verlängerung der Probezeit ab (2./). Dieses Urteil und diese Beschlüsse erwuchsen in Rechtskraft.
Mit (aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts Linz, AZ 7 Bs 116/11z, seit 28. Juni 2011 rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Linz vom 8. Februar 2011, GZ 34 Hv 76/10m-24, wurde Said H***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 neunter Fall, Abs 3 und Abs 5 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und unter Bedachtnahme nach §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. Mai 2011, GZ 23 Hv 42/11s-7 nach § 27 Abs 5 SMG zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der zu Punkt 1./ des Beschlusses des Landesgerichts Linz vom 6. Mai 2011, GZ 23 Hv 42/11s-7, (unter anderem) ausgesprochene Widerruf der zu AZ 20 BE 292/08z des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht gewährten bedingten Entlassung vom 15. April 2008 mit dem Gesetz nicht in Einklang:
Nach dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, in den Rechtsbestand eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem gemäß § 43a Abs 3 oder 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn zugleich (wie hier) in Ansehung des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe vom Widerruf abgesehen wird (RIS-Justiz RS0125448).
Vorliegend hat das Landesgericht Linz in seinem Beschluss vom 6. Mai 2011, GZ 23 Hv 42/11s-7, (neben der mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 7. Oktober 2010, AZ 20 BE 665/08b, gewährten, aufgrund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. August 2010, AZ 11 Os 72/10p, nur noch die Strafen bzw Strafreste aus den Verurteilungen des Landesgerichts Linz zu AZ 26 Hv 83/07m und 27 Hv 79/08g betreffenden bedingten Entlassung) die mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z, gewährte bedingte Entlassung aus dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht vollzogenen Strafrest des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe aus GZ 28 Hv 14/08f-27 des Landesgerichts Linz (im Ausmaß von einem Monat und 20 Tagen) widerrufen, gleichzeitig aber vom Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils derselben Freiheitsstrafe (im Ausmaß von zehn Monaten) ohne Verlängerung der Probezeit abgesehen.
Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, diesen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der diesem mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08x-6, gewährten bedingten Entlassung abzuweisen, weil dieser fehlerhafte Vorgang Said H***** zum Nachteil gereicht.
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