OGH 1Ob113/12t

OGH1Ob113/12t1.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Ing. H***** Z*****, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, gegen die beklagten Parteien 1. J***** G*****, und 2. M***** G*****, vertreten durch Mag. Klaus Haberler, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen Unterlassung und gegen die beklagte Partei J***** G*****, wegen Unterlassung Beseitigung, Wiederherstellung und Zahlung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2011, GZ 18 R 186/11y-14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 9. Juni 2011, GZ 3 C 1189/10w, 1071/10t-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihres Prozessvertreters die mit 818,66 EUR (darin 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision ist entgegen der Auffassung des Revisionswerbers und des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil die Entscheidung von keiner iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt. Die Vorwürfe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie sind unberechtigt (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Zu dem allein gegen den Erstbeklagten gerichteten Unterlassungs-, Beseitigungs-, Wiederherstellungs- und Zahlungsbegehren haben die Vorinstanzen festgestellt, dass auf dem Grundstück der Beklagten in der Zeit vom 15. 9. bis 20. 11. 2010 Bauarbeiten durchgeführt wurden und die Beklagten den damit beauftragten Generalunternehmer schon vor Arbeitsbeginn darauf hinwiesen, es dürfe zu keinen Problemen mit den Grundstücksnachbarn kommen und insbesondere dürfe der an die Liegenschaft der Beklagten anschließende niveaugleiche Grundstücksteil des Klägers und der Weg oberhalb des asphaltierten Bereichs nicht in Anspruch genommen werden. Nachdem es am 22. 9. 2010 zur Benützung dieses Grundstücksteils durch Arbeiter des Generalunternehmers mit einem kleinen Bagger - ohne Wissen der Beklagten - gekommen war, kam es zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem auf der Baustelle tätigen Unternehmer. Noch am selben Tag wurden auf dem Grundstück des Klägers abgelagerte Baumstrünke entfernt und eine Rampenkonstruktion gebaut, um ohne Beanspruchung des Grundstücks des Klägers mit dem Bagger zur Baustelle zufahren zu können. Kurz danach erklärte der Kläger bei einem persönlichen Gespräch dem Polier und einem weiteren Arbeiter des Generalunternehmers, die Arbeiter dürften die unmittelbar an das Grundstück der Beklagten anschließende Fläche zum kurzfristigen Be- und Entladen nutzen; nach Abschluss der Bauarbeiten müsse aber alles wieder so hergerichtet werden, wie es war. Außer den Baumstrünken wurde im Zuge der Bauarbeiten nichts auf dem Grundstück des Klägers ab- oder zwischengelagert, jedenfalls kein Baumaterial und insbesondere auch keine Schrauben, Styroporteile oder Nägel. Nach Abschluss der Arbeiten brachten Mitarbeiter des Generalunternehmers von der Baustelle übrig gebliebenen Humus auf die in Anspruch genommene Grundstücksfläche des Klägers auf.

Wenn das Berufungsgericht unter den festgestellten Umständen die Passivlegitimation des Erstbeklagten als vermeintlicher „mittelbarer Störer“ verneint hat, kann darin eine korrekturbedürftige (erhebliche) Fehlbeurteilung des Einzelfalls nicht erkannt werden. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang besonders betont, dass der Erstbeklagte den Generalunternehmer darauf hingewiesen hatte, das Grundstück des Klägers nicht zu benutzen, und auch von (potentiellen) Rechtsverletzungen, etwa der Ablagerung von Baumstrünken oder dem Zufahren mit dem Bagger über diesen Grundstücksteil, keine Kenntnis hatte. Die Schlussfolgerung, er habe bis zu diesen Störungen realistischerweise keine Möglichkeit gehabt, diese zu unterbinden (vgl dazu nur RIS-Justiz RS0103058), begegnet somit keinen Bedenken. Nach der Zusage des Klägers, die Arbeiter dürften seinen Liegenschaftsteil im bestimmten Sinne benutzen, stellten die der Gestattung entsprechenden Benützungshandlungen jedenfalls keinen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum des Klägers mehr dar. Dem Einwand des Revisionswerbers, spätestens mit der Zustellung der Klage habe dem Erstbeklagten bewusst sein müssen, dass die ursprünglich erteilte Zusage widerrufen wurde, hielt das Berufungsgericht zutreffend entgegen, dass nach diesem Zeitpunkt erfolgte Inanspruchnahmen des betreffenden Grundstücksteils nicht festgestellt wurden, wogegen er in der Revision nichts Stichhaltiges ins Treffen führt.

Auch der Verweis des Revisionswerbers darauf, dass er die Gestattung kurzfristiger Be- und Entladevorgänge an die Auflage geknüpft habe, dass nach Abschluss der Arbeiten alles wieder so hergestellt werden müsse, wie es war, jedoch zu Unrecht nicht festgestellt worden sei, dass die Maßnahme unterblieben, und „so kein Erlaubnistatbestand verwirklicht“ sei, geht offenbar von der unrichtigen Auffassung aus, eine unterbliebene oder unvollständige Erfüllung der „Auflage“, die Fläche wieder in den vorigen Zustand zu versetzen, führte dazu, dass von vornherein eine Erlaubnis nicht vorgelegen und der Eingriff in sein Liegenschaftseigentum damit unberechtigt gewesen sei. Vernünftigerweise kann die Erklärung des Klägers aber nur so ausgelegt werden, dass er einerseits eine bestimmte Inanspruchnahme dieses Liegenschaftsteils gestattete, der Generalunternehmer - bzw dessen Arbeiter - hingegen die Verpflichtung übernehmen mussten, dem früheren Zustand der Fläche wiederherzustellen. Eine allfällige Verletzung der Wiederherstellungspflicht könnte aber keineswegs die erteilte Erlaubnis rückwirkend zum Wegfall bringen. Schon gar nicht ist erkennbar, inwieweit unter den gegebenen Umständen dem Erstbeklagten der Vorwurf rechtswidriger Störung des Eigentums des Klägers gemacht werden könnte, konnte auch doch dieser ohne weiteres damit rechnen, dass der Generalunternehmer die gewünschte Wiederherstellung der Grundfläche nach Beendigung der Arbeiten tatsächlich durchführen werde.

Zum Zahlungsbegehren führt der Revisionswerber nichts aus. Es genügt daher der Hinweis, dass der Erstbeklagte schon deshalb nicht bereichert sein kann, weil die Fläche ja nicht von ihm, sondern von den Arbeitern des Generalunternehmers - und überwiegend aufgrund der ihnen erteilten Erlaubnis - genutzt wurde. Bei seinen Ausführungen zum Beseitigungsbegehren missachtet der Kläger die im Ergebnis eindeutigen Feststellungen der Vorinstanzen über den fehlenden Konnex zwischen den Bauarbeitern und den auf seinem Grundstück vorgefundenen Materialien.

Das Berufungsgericht hat weiters auch die Abweisung des gegen beide Beklagten gerichteten Begehrens, sie seien schuldig, das Abstellen von Fahrzeugen - auch durch von ihnen beauftragte oder ermächtigte Dritte - auf dem Dienstbarkeitsweg, der über ihr Grundstück führt, zu unterlassen, bestätigt, und die Revision letztlich zugelassen, obwohl auch in diesem Zusammenhang keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist.

Nach den getroffenen Feststellungen hielten die LKW des Generalunternehmers während der Bauphase - jedoch nicht täglich - in der Früh und am Abend jeweils etwa eine halbe Stunde zum Be- und Entladen zumeist auf dem asphaltierten Teil des Wegs (auf der Liegenschaft der Beklagten), zeitweise aber auch oberhalb dieses Bereichs (auf der Liegenschaft des Klägers). Bei den Ladetätigkeiten war stets ein Arbeiter in der Nähe, der das jeweilige Fahrzeug bei Bedarf wegfuhr bzw in eine Parkmöglichkeit auf dem Grundstück der Beklagten zurücksetzte oder auswich und so die Durchfahrt ermöglichte. Durchschnittlich wurde der Servitutsweg jeden zweiten Tag von anderen Fahrzeugen benutzt; zumeist konnten diese Fahrzeuge den Weg ungehindert passieren.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, bei einer „ungemessenen“ Dienstbarkeit seien im Rahmen der ursprünglichen oder vorhersehbaren Art ihrer Ausübung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten für den Rechtsumfang maßgeblich. Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit erfordere eine Interessenabwägung, in die auch wirtschaftliche Vorteile und Nachteile einzubeziehen seien. Eine Abwägung der Interessen der servitutsberechtigten Oberlieger und jener der Beklagten ergebe, dass eine verstärkte, aber zeitlich auf die Bauarbeiten beschränkte Nutzung des im Eigentum der Beklagten stehenden Wegs trotz bestehender Dienstbarkeit zulässig gewesen sei. Daher sei auch die Vorgabe an den Generalunternehmer, den Weg „soweit wie möglich“ freizuhalten, unter den gegebenen Verhältnissen sachgerecht gewesen. Andernfalls wären die Beklagten gezwungen gewesen, Umbaumaßnahmen überhaupt zu unterlassen, was nicht rechtens sein könne. Die Revision wurde letztlich mit dem Argument zugelassen, dass der Frage der Zumutbarkeit vorübergehender Beeinträchtigungen im Zuge von Baumaßnahmen insbesondere unter Berücksichtigung des vom Kläger in der Berufung genannten § 7 NÖ BauO, der „Verpflichtungen gegenüber den Nachbarn“ regle, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Die genannte Bestimmung wirft aber entgegen der Auffassung des Revisionswerbers schon deshalb keine erheblichen Rechtsfragen auf, weil sie ersichtlich eine zwar nur „vorübergehende“ Benützung von fremden Grundstücken im Sinne einer zeitlich begrenzten, aber während dieser Zeit durchgehenden Inanspruchnahme im Auge hat, nicht aber bloß ganz kurzfristige, wenn auch wiederholte Benützungen, die jedoch während der übrigen Zeit dem bzw den Berechtigten die Ausübung ihrer Rechte (hier: des Fahrrechts auf dem Servitutsweg) unbeschränkt ermöglichen. Eine Entscheidung der Baubehörde ist daher in Fällen wie dem vorliegenden zweifelsfrei für die (jeweils kurzfristige) Alleinbenützung des Servitutswegs für Be- und Entladetätigkeiten nicht erforderlich gewesen. Dem Berufungsgericht ist auch dahin zuzustimmen, dass eine Interessenabwägung einen besonderen Bedarf eines einzelnen Berechtigten - dass auch die Beklagten zur Wegbenutzung berechtigt sind, wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen - in der Weise zu berücksichtigen hat, dass dieser kurzfristig berechtigt ist, den Weg intensiver zu nutzen als andere, wenn diese dadurch nicht erheblich belastet werden (vgl auch RIS-Justiz RS0097856 [T9, T12]). Dass dies im Falle eines einspurigen Wegs dazu führen kann, dass andere Berechtigte während der Zeit des besonderen Bedarfs gelegentlich eine gewisse Wartezeit hinnehmen müssen, ist nicht zu vermeiden. Im vorliegenden Fall hielt sich die Beeinträchtigung anderer Benützer ohnehin in Grenzen, steht doch fest, dass der Servitutsweg durchschnittlich nur jeden zweiten Tag von einem anderen Fahrzeug befahren wurde und diese Fahrzeuge ohnehin zumeist ungehindert passieren konnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

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