OGH 8ObA82/11h

OGH8ObA82/11h26.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günter Steinlechner und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. H***** K*****, vertreten durch Mag. Priska Seeber, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Vill Dr. Helfried Penz und Mag. Christoph Rupp, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 20.871,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. September 2011, GZ 15 Ra 75/11h-26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revision ist grundsätzlich beizupflichten, dass das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Begründung die Begriffe Scheingeschäft und Umgehungsgeschäft und deren Rechtsfolgen vermischt hat. Aus den folgenden Gründen zeigt die Revision mit ihren auf diesen Begründungsmangel gestützten Überlegungen dennoch keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Fehlbeurteilung auf, weil sich der Mangel auf das rechtliche Ergebnis nicht auswirkt.

2. Nach § 916 ABGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird, nichtig („absolutes“ Scheingschäft). Soll dadurch aber ein anderes („verdecktes“) Geschäft verborgen werden, bleibt dieses grundsätzlich gültig und ist nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen (ua Binder in Schwimann³, § 916 ABGB Rz 10). Maßgeblich ist der übereinstimmende tatsächliche Parteiwille.

In diesem Sinn lässt etwa eine zwecks Gebühren- und Steuerhinterziehung zum Schein reduzierte Entgeltfestsetzung die Durchsetzung des verdeckt vereinbarten vollen Entgeltanspruchs zu, selbst wenn die Scheingeschäftshandlung als solche strafbar wäre (SZ 24/183; 48/36; RIS-Justiz RS0016866).

Im Unterschied zum Scheingeschäft, dessen Gestaltung bloß vorgetäuscht ist, ist ein Umgehungsgeschäft von den Parteien gewollt und es wird tatsächlich realisiert, allerdings zu dem Zweck, den wirtschaftlichen Erfolg eines anderen Geschäfts herbeizuführen. Das umgangene Geschäft muss keineswegs verboten sein, sondern kann auch aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen von den Vertragsteilen nicht gewollt werden.

Ein Umgehungsgeschäft ist - entgegen der nicht näher spezifizierten Ansicht des Berufungsgerichts - nur dann ungültig, wenn das primär angestrebte, also umgangene Rechtsgeschäft verboten ist und der Verbotszweck das Umweggeschäft mit erfasst. Es unterliegt der Inhaltskontrolle des § 879 ABGB in Bezug auf Gesetz- und Sittenwidrigkeit (Binder aaO Rz 22; Krejci in Rummel³, § 879 ABGB Rz 37).

3. Ob von Vertragsteilen Erklärungen nur zum Schein abgegeben wurden, ist keine Rechts-, sondern eine vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Tatsachenfrage (RIS-Justiz RS0043460; Rummel in Rummel³, § 916 ABGB Rz 5).

Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen hat die Klägerin mit der durch ihren Geschäftsführer vertretenen Beklagten vor Beginn ihrer Tätigkeit mündlich einen Dienstvertrag als Chefärztin mit einem Jahresbruttogehalt von 120.000 EUR und einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden geschlossen („verdecktes“ Geschäft).

Sowohl der spätere schriftliche Werkvertrag zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als selbstständiger Wahlarzt über die Leistung von Ordinationsvertretungen, als auch ein schriftlicher Dienstvertrag mit der Beklagten über ein Beschäftigungsausmaß von 30 Wochenstunden bei einem Bruttoentgelt von nur 53.522 EUR jährlich wurden nach den Feststellungen nur zum Schein abgegeben, eine tatsächliche Umsetzung war von den Parteien nicht gewollt.

Dieser Sachverhalt führt jedoch zu dem letztlich auch vom Berufungsgericht erzielten Ergebnis, dass die Rechtsbeziehungen der Streitteile nicht nach dem Inhalt der - nichtigen - Scheingeschäfte, sondern nur nach dem verdeckten Geschäft, dem mündlichen Dienstvertrag, zu beurteilen sind. Gründe, aus denen dieser Dienstvertrag einen unerlaubten Inhalt haben sollte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Die Frage, ob die Beklagte und deren Geschäftsführer den Patienten ambulante oder stationäre Leistungen erbringen dürfen und wer welche erbrachten Leistungen wie abrechnet, haben weder mit dem vereinbarten Ausmaß der Wochenarbeitszeit der Chefärztin noch mit deren Gehalt etwas zu tun.

4. Von einer einheitlichen Streitpartei, die nur gemeinsam klagen oder geklagt werden kann, ist dann auszugehen, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muss (RIS-Justiz RS0035496; RS0035479; RS0035468). Davon kann im vorliegenden Verfahren keine Rede sein.

Die Klägerin begehrt ausschließlich Entgelt und Beendigungsansprüche aus einem mit der Beklagten geschlossenen Dienstvertrag. Völlig unstrittig war der Geschäftsführer der Beklagten ad personam nicht Vertragsteil dieses Dienstvertrags, weshalb die vorliegende Entscheidung auf seine eigene Rechtsbeziehung zur Klägerin keinen Einfluss hat. Mangels Parteistellung wäre er in einem eigenen Prozess gegen die Klägerin auch nicht an den gegenständlichen Verfahrensausgang, einschließlich der Beurteilung der Vorfrage, ob die schriftlichen Vertragswerke ein Scheingeschäft darstellten, gebunden.

5. Die Anmeldung einer Wahlarztpraxis war nach den Feststellungen keine Verpflichtung der Klägerin aus dem mündlichen Dienstvertrag, sondern nur eine Option, die ihr eine Erhöhung des Einkommens ermöglichen sollte. Die nachfolgende Abmeldung der Wahlarztpraxis kann schon aus diesem Grund keine Vertragsverletzung gegenüber der Beklagten darstellen.

6. Die Behauptung, die Austrittserklärung der Klägerin sei verspätet erfolgt, wird in der Revision inhaltlich nicht ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0043654).

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