OGH 10ObS63/12f

OGH10ObS63/12f24.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Karbiener Rechtsanwälte OG in Lambach, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Jänner 2012, GZ 12 Rs 189/11t‑11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. August 2011, GZ 16 Cgs 23/11w‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 154,85 EUR (davon 25,81 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erhielt für ihren am 28. 8. 2002 geborenen Sohn S***** von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden: „SVA der gewerblichen Wirtschaft“) Kinderbetreuungsgeld zuerkannt, und zwar für das Jahr 2003 in Höhe von 5.303,45 EUR und für das Jahr 2004 in Höhe von 5.317,98 EUR.

In beiden Jahren lag der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin über der gesetzlichen Zuverdienstgrenze.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 22. 10. 2007 wurde über ihr Vermögen das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom 15. 11. 2007 verpflichtete die SVA der gewerblichen Wirtschaft die Klägerin zum Rückersatz des im Jahr 2003 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes von 5.303,45 EUR und meldete die Forderung im Schuldenregulierungsverfahren an; die Forderung wurde vom Masseverwalter anerkannt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 17. 1. 2008 wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und mit Rechtskraft dieses Beschlusses das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.

Mit Bescheid vom 3. 4. 2008 verpflichtete die SVA der gewerblichen Wirtschaft die Klägerin zum Rückersatz (auch) des für das Jahr 2004 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 5.317,98 EUR.

Am 12. 6. 2010 brachte die Klägerin ihre Tochter S*****a zur Welt, für die sie von der beklagten Gebietskrankenkasse das Kinderbetreuungsgeld nach § 5c Abs 1 KBGG in Höhe von 8,38 EUR täglich als Differenz zum Wochengeld vom 12. 6. bis 7. 8. 2010 und in Höhe von 33 EUR täglich für den anschließenden Zeitraum vom 8. 8. 2010 bis 11. 6. 2011 bezog. Der Gesamtanspruch auf Kinderbetreuungsgeld für S*****a betrug demnach 10.641,66 EUR.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 19. 1. 2011 wurde festgestellt, dass der laufende Kinderbetreuungsgeldanspruch für S*****a bis zur Hälfte mit dem von der SVA der gewerblichen Wirtschaft rückgeforderten Kinderbetreuungsgeld (für die Jahre 2003 und 2004) in Höhe von 10.621,43 EUR (somit im Umfang von 5.320,83 EUR) aufgerechnet werde.

In ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, das Kinderbetreuungsgeld für ihre Tochter S*****a ohne Anrechnung der Forderung der SVA der gewerblichen Wirtschaft auf Rückzahlung von geleistetem Kinderbetreuungsgeld für ihren Sohn S***** im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen. Beim Rückforderungsanspruch der SVA der gewerblichen Wirtschaft handle es sich um eine Konkursforderung. Da die beklagte Partei aufgrund ihrer Leistungspflicht auf Kinderbetreuungsgeld für die am 12. 6. 2010 geborene S*****a ‑ somit erst nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens ‑ Schuldnerin der Klägerin geworden sei, sei eine Aufrechnung unzulässig.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung und wendete ein, nach der dem eigentlichen Exekutionsrecht vorrangigen Norm des § 31 Abs 4 KBGG könnten Rückforderungen auf eine nach dem KBGG zu erbringende Leistung bis zur Hälfte aufgerechnet werden. Das für S*****a gebührende Kinderbetreuungsgeld von 33 EUR täglich sei daher zur Hälfte einzubehalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht ging es im Wesentlichen davon aus, nur das der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners sei dessen freier Verfügung entzogen, während der unpfändbare Teil der Bezüge nicht der Exekution unterliege und deshalb auch nicht in die Insolvenzmasse fiele. Die Pfändungsbeschränkungen der EO stünden einer Aufrechnung bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung iSd § 31 Abs 4 KBGG nicht entgegen. Die Beschränkung des § 12a IO für die Aufrechnung der Forderung gelte nicht für unpfändbare Bezugsteile. Die Befugnis zur trägerübergreifenden Aufrechnung der Rückforderung der SVA der gewerblichen Wirtschaft habe die beklagte Partei mit Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes am 1. 10. 1999 und somit vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen der Klägerin erlangt. Die durch Zustellung des angefochtenen Bescheids bewirkte Aufrechnung sei somit zulässig und wirksam.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Das von der Klägerin in der Variante nach § 5c KBGG für ihre Tochter S*****a bezogene pauschale Kinderbetreuungsgeld sei gemäß § 43 Abs 1 KBGG nicht pfändbar und falle nicht in die Insolvenzmasse. Gemäß § 31 Abs 4 KBGG sei eine Aufrechnung bis zur Hälfte der Leistung möglich. § 31 Abs 4 KBGG sei als eine dem eigentlichen Exekutionsrecht vorrangige spezielle Norm zu betrachten, sodass insoweit auch eine Aufrechnung in den pfändungsfreien Teil rechtlich zulässig sei. Das Kinderbetreuungsgeld unterliege nicht den Aufrechnungsbeschränkungen der Insolvenzordnung, insbesondere nicht § 20 IO. Auch eine analoge Anwendung des § 113a IO komme für unpfändbare Bezüge (Bezugsteile) nicht in Betracht, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob dem Kinderbetreuungsgeld Einkommensersatzfunktion iSd § 113a IO zukomme. Dass die Aufrechnung nach § 31 Abs 4 KBGG auch auf laufende Leistungen für ein anderes Kind als jenes zulässig sei, für das zu Unrecht Kinderbetreuungsgeld bezogen worden sei, ergebe sich nicht nur aus Praktikabilitätserwägungen, da das Überschreiten der Zuverdienstgrenze in der Regel erst lange im Nachhinein bekannt werde, sondern auch aus der in § 31 Abs 7 KBGG vorgesehenen siebenjährigen Verjährungsfrist. Der Regelfall, auf den die gesetzlichen Aufrechnungsbestimmungen zugeschnitten seien, sei die Aufrechnung auf einen späteren (neuen) Leistungsbezug aus Anlass der Geburt eines weiteren Kindes. Das Berufungsgericht sprach aber aus, dass die Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage der Aufrechenbarkeit von Forderungen nach § 31 Abs 4 KBGG, bezogen auf laufende Leistungen für ein anderes Kind als jenes, für das zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin bringt zusammengefasst vor: Wenngleich § 31 Abs 4 KBGG dem eigentlichen Exekutionsrecht als speziellere Norm vorgehe, sei diese Bestimmung nicht auch gegenüber den Regelungen der IO die speziellere Norm. Dem Wortlaut des § 113a Abs 1 IO sei nicht zu entnehmen, dass auf die Konkursverfangenheit eines Leistungsanspruchs mit Einkommensersatzfunktion oder auf die Pfändbarkeit des Leistungsanspruchs abzustellen sei. Folgte man der (gegenteiligen) Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der Sozialversicherungsträger gegenüber anderen Insolvenzgläubigern gegeben. Es werde daher angeregt, die Rechtssache gemäß Art 140 B‑VG dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungskonformität des § 31 Abs 4 KBGG vorzulegen. § 31 Abs 4 KBGG sei einschränkend auszulegen. Eine Aufrechnung, die eine Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes für ein Jahre später geborenes Kind bewirke, sei unbillig und führe zu sozialen Härten, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt seien.

Dazu ist auszuführen:

I.1. Vorweg ist klarzustellen, dass gemäß § 273 Abs 1 IO die Änderungen dieses Bundesgesetzes durch das IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) mit 1. 7. 2010 in Kraft getreten sind und ‑ soweit die folgenden Absätze nichts anderes bestimmen - auf Insolvenzverfahren (Konkursverfahren, Sanierungsverfahren) Anwendung zu finden haben, die nach dem 30. 6. 2010 eröffnet oder wieder aufgenommen werden. Angesichts der eingangs festgehaltenen Verfahrensdaten sind die materiellrechtlichen Änderungen der KO durch das IRÄG 2010 daher noch nicht anzuwenden, sodass auf die Terminologie der KO zurückzugreifen ist (8 Ob 126/10b; 8 Ob 64/11m).

I.2. Durch die Eröffnung des Konkurses wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört, oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 1 Abs 1 KO). Die Konkursmasse ist zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursgläubiger zu verwenden (§ 1 Abs 2 KO). Hingegen bleibt konkursfreies Vermögen dem Schuldner zur freien Verfügung. Zum konkursfreien Vermögen zählen auch die pfändungsfreien (unpfändbaren) Bezüge bzw Bezugsteile (RIS‑Justiz RS0107924; RS0063790, Buchegger in Buchegger/Bartsch/Pollak [Hrsg], Österreichisches Insolvenzrecht4, § 1 KO Rz 104 f). Die durch § 1 KO verfügte Spaltung des Schuldnervermögens in die Konkursmasse einerseits und in das konkursfreie Vermögen andererseits gilt auch im Schuldenregulierungsverfahren (RIS‑Justiz RS0107924).

I.3. Die Unpfändbarkeit des Anspruchs auf pauschales Kinderbetreuungsgeld ergibt sich aus § 43 Abs 1 KBGG. Das Verbot der Pfändbarkeit wurde darüber hinaus auch ausdrücklich in § 290 Abs 1 Z 10 EO aufgenommen.

I.4. Aus der Unpfändbarkeit ergibt sich auch das Aufrechnungsverbot gemäß § 293 Abs 3 EO gegen Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss. Eine Ausnahme davon besteht aber für Rückforderungen iSd § 31 Abs 4 KBGG

, nach dem Rückforderungen, die gemäß § 31 Abs 1 bis 3 KBGG vorgeschrieben wurden, auf die zu erbringenden Leistungen bis zur Hälfte derselben aufgerechnet werden können; sie vermindern den Leistungsanspruch entsprechend (Ehmer/Lamplmayr/Mayr/Nöstlinger/Reiter/Stummer KBGG2, 264).

I.5. Dass § 31 Abs 4 KBGG als eine dem Sozialversicherungsrecht zuzuzählende Aufrechnungsbe-stimmung (wie etwa auch § 103 ASVG oder § 71 GSVG), als dem eigentlichen Exekutionsrecht vorrangige spezielle Norm zu betrachten ist und daher die Pfändungsbeschränkungen der Exekutionsordnung einer Aufrechnung bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung iSd § 31 Abs 4 KBGG nicht entgegenstehen (10 ObS 215/01t; 10 ObS 16/04g, SSV‑NF 18/46 jeweils mwN), zieht die Revisionswerberin nicht in Zweifel. Sie vermeint aber, infolge der Anwendbarkeit der spezielleren Regelungen der KO sei es (dennoch) im vorliegenden Fall im Hinblick auf § 113a KO zu einem Verlust der Aufrechnungsmöglichkeit gekommen. Diesem Rechtsstandpunkt ist nicht zu folgen:

I.6.1. Dazu ist vorerst auf § 12a KO einzugehen, der für den Spezialfall des Konkurses eine Beschränkung der Aufrechnung gegen Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion vorsieht. Eine derartige Aufrechnung kann nur für eine Zeitspanne von zwei Jahren nach Ablauf des Kalendermonats der Konkurseröffnung erfolgen. Diese Bestimmung dient dazu, künftig anfallende Bezüge auf Dauer nicht nur einzelnen Gläubigern zukommen zu lassen. Soweit aber unpfändbare Bezüge (Bezugsteile) betroffen sind, ist der Verlust der Aufrechnungsbefugnis dem Wortlaut des § 12a KO nicht zu entnehmen; es geht nicht hervor, dass ausnahmsweise Rechte am konkursfreien Vermögen beschnitten werden sollten. Vor allem ist im Hinblick auf den Zweck des § 12a KO nicht ersichtlich, warum der Zugriff auf unpfändbare Einkünfte begrenzt werden sollte. Dienen diese Bezugsteile nicht zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger, sind sie auch von den rechtspolitischen Zielsetzungen des § 12a KO nicht erfasst (10 ObS 233/02s, SSV‑NF 16/138).

I.6.2. Nach § 113a KO erlöschen Aussonderungs- und Absonderungsrechte an einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion, wenn sie nicht bis zur Abstimmung über einen Zahlungsplan geltend gemacht worden sind. Fraglich ist die (analoge) Anwendbarkeit des § 113a KO auf Aufrechnungsberechtigte iSd § 12a Abs 2 KO. In der Lehre wird dazu die Auffassung vertreten, dass wegen des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen § 12a KO und § 113a KO auch Aufrechnungsberechtigte bei sonstigem Verlust ihre Aufrechnungsmöglichkeit anzeigen müssen (vgl Konecny in Konecny/Schubert § 113a KO Rz 10).

Der erkennende Senat hat in den Entscheidungen 10 ObS 54/11f und 10 ObS 44/12m aufgezeigt, dass es jedenfalls bei einer Aufrechnung des Sozialversicherungsträgers (nur) auf den unpfändbaren Teil der Pension keiner Anzeige des Aufrechnungsberechtigten im Sinn einer analogen Anwendung des § 113a KO (nunmehr IO) bedürfe, da der ‑ dem § 12a KO ähnliche ‑ Regelungszweck jedenfalls nicht die Unterlassung der Geltendmachung der Aufrechnungsbefugnis in den insolvenzfreien Teil des Schuldnervermögens erfasse. Die Aufrechnungsbefugnis in das insolvenzfreie Schuldnervermögen verschaffe dem Aufrechnungsberechtigten nur eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit und beeinträchtige die Gläubiger nicht (10 ObS 44/12m).

Daraus folgt, dass auch im vorliegenden Fall, in dem der rückzufordernde Betrag ausschließlich auf das unpfändbare (pauschale) Kinderbetreuungsgeld aufgerechnet wird, die (analoge) Anwendbarkeit des § 113a KO zu verneinen ist. Sind unpfändbare Bezüge bzw Bezugsteile betroffen, wird die Aufrechnungsbefugnis durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens nicht tangiert (10 ObS 152/01b, SSV‑NF 15/105; 10 ObS 215/01t mwN). Dieser Grundsatz gilt auch, wenn das Schuldenregulierungsverfahren ‑ wie hier ‑ zu einem vor dem Aufrechnungsbescheid liegenden Zeitpunkt eröffnet wurde (10 ObS 233/02s, SSV‑NF 16/138).

II. Der erkennende Senat vermag ‑ auch unter Berücksichtigung der Revisionsausführungen - weiterhin keine Verfassungswidrigkeit im Sinne einer gleichheitswidrigen und grundrechtswidrigen Bevorzugung der Gläubigergruppe der Sozialversicherungsträger zu erkennen (RIS‑Justiz RS0110624). Den von der Revisionswerberin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ist insbesondere entgegenzuhalten, dass ‑ wie oben bereits dargelegt ‑ die Aufrechnung in das insolvenzfreie Schuldnervermögen dem Aufrechnungsberechtigten eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit verschafft und die Gläubiger nicht beeinträchtigt.

III.1. Wie sich aus dem Wortlaut des § 31 Abs 4 KBGG ergibt, können Rückforderungen auf „die zu erbringenden Leistungen“ bis zur Hälfte derselben aufgerechnet werden. Eine gleichlautende Regelung findet sich auch in § 3 der für Bezugszeiten vor dem 1. 1. 2008 geltenden KBGG‑Härtefälle‑Verordnung BGBl II 2001/405 idF BGBl II 91/2004. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Regelungen ergibt, ist dann, wenn der/die Rückzahlungsverpflichtete eine laufende Leistung nach dem KBGG bezieht, die Hereinbringung der offenen Forderung im Wege der Aufrechnung zulässig, wobei dem Leistungsbezieher jedenfalls die Hälfte seines Leistungsanspruchs ausgezahlt werden muss (vgl Dierschmid, KGG 129, zur insoweit gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 39 Abs 4 KGG). Eine Einschränkung der Aufrechnung bzw eine Ausnahmeregelung dahin, dass nur auf die für jenes Kind zu erbringenden Leistungen aufgerechnet werden könne, für das zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde, nicht aber auf für ein weiteres Kind zu erbringende Leistungen nach dem KBGG, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

III.2. Das von der Revisionswerberin gewünschte (gegenteilige) Auslegungsergebnis wäre nur dann erreichbar, wenn § 31 Abs 4 KBGG zu weit gefasst wäre und auf den nach dem Zweck oder Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt werden müsste („teleologische Reduktion“).

Diese Interpretationsmethode stellt bei zu weit geratenen gesetzlichen Tatbeständen das Gegenstück zur Analogie dar. Sie verschafft der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung, indem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung am Gesetzeszweck orientiert (RIS‑Justiz RS0008979 [T10]; RS0106113). Die (verdeckte) Lücke besteht in diesen Fällen im Fehlen einer nach der ratio legis notwendigen Ausnahmeregelung. Vorausgesetzt ist aber stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (vgl RIS‑Justiz RS0008979 [T3]).

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor:

In den Materialien zu § 31 KBGG finden sich zur Absicht des Gesetzgebers keine Ausführungen (RV 620 BlgNR 21. GP 65). Der klare Gesetzeszweck des § 31 Abs 4 KBGG liegt aber (ebenso wie jener des gleichlautenden § 3 KBGG‑Härtefäll‑Verordnung) darin, Rückforderungsan-sprüche im Wege der Aufrechnung in jenen Fällen einbringlich zu machen, in denen parallel zum Rückforderungsanspruch eine laufende Leistung nach dem KBGG gewährt wird.

Gelingt im Allgemeinen die Einbringlichmachung im Wege der Aufrechnung, kommt es zu einer wechselseitigen Schuldtilgung ohne Leistungsaustausch und erübrigt sich die Einleitung und Betreibung eines Exekutionsverfahrens (Griss in KBB3, § 1438 Rz 1). Außerdem bietet die Möglichkeit der Aufrechnung dem Krankenversicherungsträger Sicherheit, dies insbesondere im Fall der Insolvenz des Rückforderungsverpflichteten. Gerade dieser in der Sicherstellung der Einbringlichkeit des Rückforderungsanspruchs liegende Normzweck des § 31 Abs 4 KBGG steht aber der Annahme einer verdeckten Lücke im Sinne einer ‑ von der Revisionswerberin gewünschten ‑ Ausnahmeregelung entgegen. Den ins Treffen geführten Billigkeitserwägungen hat der Gesetzgeber in § 31 Abs 4 KBGG ohnedies in der Weise Rechnung getragen, dass dem Leistungsbezieher jedenfalls die Hälfte seines Leistungsanspruchs ausbezahlt werden muss und dem Krankenversicherungsträger in Härtefällen die Ermessensentscheidung eingeräumt wird, die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zuzulassen, die Rückforderung zu stunden oder auf die Rückforderung ganz oder teilweise zu verzichten. Für die Annahme weiterer ‑ im Gesetz bzw der KBGG‑Härtefälle‑Verordnung nicht vorgesehener - Billigkeitstatbestände besteht kein Raum. Bei der von der Klägerin gewünschten Auslegung wäre § 31 Abs 4 KBGG zudem in vielen Fällen seines Anwendungsbereichs entkleidet. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird das Überschreiten der gesetzlichen Zuverdienstgrenze aus einkommenssteuerrechtlichen Gründen in der Regel erst lange im Nachhinein ermittelt, sodass oftmals die Rückforderung nicht so rechtzeitig erfolgt, dass noch auf die für das selbe Kind nach dem KBGG zu erbringende Leistung aufgerechnet werden könnte.

Ausgehend vom Zweck des § 31 Abs 4 KBGG besteht daher keine Grundlage für eine den Gesetzeswortlaut korrigierende teleologische Reduktion in dem von der Revisionswerberin gewünschten Sinn.

Die Revision bleibt daher erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin angesichts ihrer aktenkundigen Einkommensverhältnisse (ON 14, ON 26 im Akt 15 S 53/07x) die Hälfte der Revisionskosten zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0085871).

Stichworte