Spruch:
1. Die Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.448,26 EUR (darin enthalten 542,38 EUR USt und 194 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 16. 8. 2008 ereignete sich bei der T-förmigen Einmündung der Abfahrt der Arlberg-Schnellstraße S 16 in die bevorrangte Klostertalerstraße L 97 ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw-Lenker, dessen Haftpflichtversicherer die klagende Partei ist, von der Arlberg-Schnellstraße kommend nach links in die Klostertalerstraße einfahren wollte. Aus seiner Annäherungsrichtung gesehen von links auf der Klostertalerstraße näherte sich ein Mountainbikefahrer. Im Unfallszeitpunkt war vom Pkw-Lenker aus gesehen auf einer Wiese links der Abfahrt eine mobile Werbetafel der beklagten Partei so aufgestellt, dass sie die Sicht des Pkw-Lenkers nach links in einem Abstand von 100 bis zu 20 m vor der Ordnungslinie der Kreuzung beschränkte. Darüber hinaus stand in diesem Bereich ein Verkehrsschild, das aus einer Entfernung von etwa 25 oder 30 m bis 9 m vor der Ordnungslinie eine weitere Sichtbehinderung für den Pkw-Lenker mit sich brachte. Ab einer Entfernung von 9 m vor der Ordnungslinie hatte der Pkw-Lenker dann freie Sicht nach links und damit auch auf den sich nähernden Mountainbikefahrer.
Der Pkw-Lenker näherte sich mit auf Schritttempo verringerter Geschwindigkeit der Ordnungslinie. Aus dieser Geschwindigkeit hätte er auf den letzten 9 m vor der Ordnungslinie problemlos durch eine leichte Bremsung stehen bleiben können. Der Lenker des Pkw fuhr aber in die Kreuzung ein, wo er mit dem Mountainbikefahrer kollidierte, der dabei schwere Verletzungen erlitt.
Die klagende Partei hat als Haftpflichtversicherer des Pkw-Lenkers in diesem Zusammenhang insgesamt 115.081,17 EUR an die Vorarlberger Gebietskrankenkasse und weitere 3.842,53 EUR an den Geschädigten selbst ausbezahlt.
Sie macht, ausgehend von einer Haftungsteilung 2 : 1 zu ihren Lasten, ein Drittel des letztgenannten Betrags sowie in Bezug auf Zahlungen an die Vorarlberger Gebietskrankenkasse weitere 30.000 EUR als Pauschalbetrag im Regressweg geltend. Die Plakattafel sei ohne entsprechende Bewilligung, insbesondere gemäß §§ 21 und 25 BStG 1971 und § 84 Abs 2 StVO, aufgestellt gewesen. Die dadurch geschaffene Sichtbehinderung habe eine Gefahr für Verkehrsteilnehmer geschaffen.
Die Beklagte wendet ein, die Plakattafel sei mit Zustimmung der Straßenmeisterei als mobile Werbetafel aufgestellt worden, sie unterliege weder § 84 StVO noch § 21 BStG. Im Übrigen habe sie keine adäquat kausale Sichtbehinderung dargestellt, weil der Pkw-Lenker bei ordnungsgemäßer Beobachtung des Verkehrs sein Fahrzeug unfallverhindernd zum Stillstand hätte bringen können. Außerdem sei die Zusammensetzung der Klagsforderung unklar und das Begehren daher nicht schlüssig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Die grundsätzlich rechtswidrig aufgestellte Werbetafel sei für den Unfall nicht mitursächlich geworden, weil der Pkw-Lenker auch nach Wegfall der Sichtbehinderung den Unfall verhindern hätte können.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass der Pauschalbetrag von 30.000 EUR infolge Unschlüssigkeit abgewiesen, der Betrag von 1.280,84 EUR dagegen zugesprochen wurde. Das Berufungsgericht ging wie die Klage von einer Verschuldensteilung 2 : 1 zu Lasten der klagenden Partei und weiters davon aus, dass die Sichtbehinderung durch die Werbetafel unfallkausal war. Bei Nichtaufstellung der Plakattafel zum Unfallszeitpunkt hätte keine Sichtbehinderung bestanden und wäre die Kollision nicht erfolgt. Die Tatsache, dass der Pkw-Lenker den Radfahrer am Ende seiner Annäherung an die Kreuzung sehen und den Unfall ohne weiteres vermeiden hätte können, begründe zwar ein erhebliches Verschulden des Pkw-Lenkers, ändere aber nichts an der Kausalität der Sichtbehinderung.
Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen sowohl der klagenden als auch der beklagten Partei. Die klagende Partei hält ihr abgewiesenes Klagebegehren für schlüssig und die diesbezügliche Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig. Die beklagte Partei bekämpft die vom Berufungsgericht angenommene Kausalität der Plakattafel für das Unfallereignis.
Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil dem Berufungsgericht zur Frage der Kausalität nicht gefolgt werden kann, sie ist auch berechtigt.
Die Verursachung (Kausalität) ist - neben dem Schaden - die erste Hauptvoraussetzung eines Schadenersatzes. Es ist zu prüfen, ob der potentiell Haftpflichtige den Schaden durch eigenes Verhalten verursacht hat. Ein positives Verhalten ist für einen Erfolg ursächlich, wenn es ihn herbeigeführt, ihn bewirkt hat. Nach der Formel von der conditio sine qua non ist zu fragen, ob der Erfolg (Schaden) auch ohne das zu prüfende Verhalten (den zu prüfenden Umstand) eingetreten wäre. Ein Verhalten ist ursächlich für einen Erfolg, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass dann der Erfolg entfiele (für viele Koziol-Welser, Bürgerliches Recht II13 309).
Im vorliegenden Fall fuhr der Pkw-Lenker nach den Feststellungen in Annäherung an die Ordnungslinie bei der Kreuzung mit „Schrittgeschwindigkeit, sohin mit einer Geschwindigkeit von etwa 4 km/h“. Dies bedeutet eine Geschwindigkeit von rund 1,11 m/s, sodass er für das Durchfahren der Wegstrecke von 9 m mit freier Sicht rund 8 Sekunden benötigte. Selbst nach dem Ende der kombinierten Sichtbehinderung durch die Werbetafel und das Verkehrsschild standen ihm also rund 8 Sekunden zur Verfügung, um den sich von links auf der bevorrangten Straße nähernden Mountainbiker wahrzunehmen. Im Hinblick auf die von ihm eingehaltene Schrittgeschwindigkeit hätte er auch durch eine leichte Bremsung problemlos stehenbleiben können.
Der Pkw-Lenker hatte also nach dem Ende der Sichtbehinderung bei sorgfältigem Verhalten ausreichend Zeit, auf den sich nähernden Mountainbiker zu reagieren und sein Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten.
Kausal für den Unfall war daher nicht die Werbetafel als sichtbehindernder Umstand, sondern die in der Phase der bereits wieder erreichten freien Sicht nach links offenbar unterlassene Beobachtung des aus dieser Richtung herannahenden Verkehrs.
Es war daher die abweisende erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.
2. Damit kommt es aber auf die von der außerordentlichen Revision der klagenden Partei geltend gemachte Frage der Schlüssigkeit ihres Hauptbegehrens nicht mehr an, sodass diese Revision zurückzuweisen war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)