Spruch:
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Der Revisionsrekurswerber ist ein Sohn des Erblassers. Er beantragte in seiner Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigter die Inventarisierung des Nachlasses, insbesondere stellte er den Antrag, mehrere näher bezeichnete Kommanditanteile des Verstorbenen, die dieser zu Lebzeiten in eine Privatstiftung eingebracht hatte, unter Zugrundelegung ihrer Verkehrswerte zum Todestag in das Inventar aufzunehmen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag in seiner Entscheidung gemäß § 166 Abs 2 AußStrG ab. Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers keine Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass es eine Präzisierung des Spruchs vornahm. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob Gesellschaftsanteile, die der Verstorbene schon zu Lebzeiten in eine Privatstiftung eingebracht hat, in das Inventar aufzunehmen sind.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Ausspruch des Rekursgerichts bindet den Obersten Gerichtshof nicht (§ 59 Abs 3 AußStrG). Selbst wenn eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung fehlt, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft. Der vorliegende Revisionsrekurs des Antragstellers spricht keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG über den Anlassfall hinaus relevante Rechtsfrage an.
1. Nach § 166 Abs 1 AußStrG dient das unter den Voraussetzungen des § 165 AußStrG zu errichtende Inventar als vollständiges Verzeichnis der Verlassenschaft, und zwar aller körperlichen Sachen und aller vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen und ihres Werts im Zeitpunkt seines Todes. Rechte, die nicht dem Verstorbenen zustanden, sondern einem Dritten erst aufgrund des Todesfalls erwachsen - wie der vom Antragsteller behauptete Anspruch auf Pflichtteilserhöhung nach § 785 ABGB - können daher kein Bestandteil des Inventars sein. Wird die Behauptung bestritten, dass eine Sache zum Verlassenschaftsvermögen zählt, so hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob diese Sache in das Inventar aufgenommen beziehungsweise ausgeschieden wird.
Werte, die der Verstorbene unter Lebenden an eine Privatstiftung österreichischen Rechts übertragen hat, scheiden aus seinem Vermögen aus. Der Stifter erwirbt durch die Übertragung kein Eigentum und auch keine vererbbaren sonstigen Rechte an der Privatstiftung. Charakteristikum der Privatstiftung ist vielmehr der Umstand, dass einem „eigentümerlosen“ Vermögen Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird, wodurch eine Verselbständigung des Vermögens erreicht wird (Arnold/Ludwig, Stiftungshandbuch 1.5.; RIS-Justiz RS0052195). Die Privatstiftung kann wie eine fiktive natürliche Person Eigentum erwerben, ohne selbst jemandem zu gehören.
Stiftungsvermögen einer österreichischen Privatstiftung gehört im Fall des Ablebens des Stifters daher nicht zu seinen „körperlichen Sachen oder vererblichen Rechten“ iSd § 166 Abs 1 AußStrG, was ihrer Aufnahme in das Inventar offenkundig entgegensteht. Umso weniger trifft diese gesetzliche Definition auf bloß abstrakte „Verkehrswerte“ von im Stiftungsvermögen enthaltenen Kommanditanteilen zu, deren Einbeziehung der Revisionsrekurs - in Erkenntnis der fehlenden Nachlasszugehörigkeit der Anteile - anstrebt.
2. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Frage einer allfälligen Schenkungsanrechnung analog § 785 Abs 1 ABGB nichts mit der hier zu beurteilenden Frage der Inventarisierung zu tun hat, steht mit der klaren Gesetzeslage im Einklang.
Das Inventar wird ausschließlich für Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens aufgenommen; die darüber ergehenden Entscheidungen haben Wirkungen nur für dieses Verfahren, nicht aber darüber hinaus. Dem Noterben kann das Inventar zwar als Anhaltspunkt für die Berechnung seines Pflichtteils dienen, der Inhalt ist aber - genauso wie ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis des Erben - in keiner Weise bindend und hat auf das Ergebnis einer erhobenen Pflichtteilsklage keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0007784).
Richtig ist, dass nach herrschender Auffassung Zuwendungen an eine Privatstiftung unter bestimmten Umständen als unentgeltliche Zuwendungen oder „Schenkungen“ iSd § 785 Abs 1 ABGB anzusehen sein können, die bei der Bestimmung der Höhe des Pflichtteils anzurechnen sind (Egger in Schwimann, ABGB-TaKomm Rz 2 zu § 785; Schauer, Privatstiftung und Pflichteilsrecht, NZ 1993, 251; 6 Ob 290/02v).
Ein Schenkungspflichtteil nach § 785 ABGB ist aber nicht im Verlassenschaftsverfahren, sondern mit Klage gegen den Nachlass oder die Erben durchzusetzen. Im streitigen Verfahren steht einem Pflichtteilsberechtigten erforderlichenfalls auch ein Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch über den Wert des zugewendeten Vermögens zu (Egger aaO Rz 5). Eine bereits im Verlassenschaftsinventar enthaltene Bewertung des anzurechnenden Geschenks wäre hingegen für den Pflichtteilsergänzungskläger prozessual wertlos, weil das entscheidende Gericht an den Inhalt des Inventars nicht gebunden ist.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen der klaren Rechtslage, sodass die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vorliegen und der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.
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