OGH 1Ob44/12w

OGH1Ob44/12w26.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Mag. Manfred Kantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 132.125 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2011, GZ 4 R 188/11w-59, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Juni 2011, GZ 15 Cg 207/08f-55, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt in Süddeutschland ein Transportunternehmen und führt hauptsächlich Abfalltransporte nach Italien durch. Am 27. 5. 2003 erließ der Landeshauptmann von Tirol für die Inntalautobahn (A 12) ein sektorales Fahrverbot (Sektorales Fahrverbot-Verordnung [SF-VO] 2003), das Transporte von bestimmten Massengütern (unter anderem Abfall, Steine, Aushub) durch Lkw mit einem 7,5 t übersteigenden höchstzulässigen Gesamtgewicht betraf. Der EuGH stellte mit Urteil vom 15. 11. 2005, C-320/03 , fest, dass die Republik Österreich mit dieser Erlassung verkehrsbeschränkender Maßnahmen gegen ihre Verpflichtungen aus den Art 28 und 29 EG verstoßen hatte. Die am 17. 12. 2007 erlassene SF-VO 2007 (LGBl 92) des Landeshauptmanns von Tirol verbot ab 2. 5. 2008 auf Abschnitten der A 12 den Transport von Abfällen laut europäischem Abfallverzeichnis, Steinen, Erde und Aushub durch Lkw und Sattelkraftfahrzeuge mit einem 7,5 t übersteigenden höchstzulässigen Gesamtgewicht. Mit Urteil vom 21. 12. 2011, C-28/09 , stellte der EuGH fest, dass die Republik Österreich mit der Erlassung eines sektoralen Fahrverbots durch die SF-VO 2007 gegen ihre Verpflichtungen aus den Art 28 und 29 EG verstoßen hat.

Die Klägerin begehrte Schadenersatz von 132.125 EUR und die Feststellung der Haftung der Republik Österreich für künftige Schäden aus der Erlassung der unionsrechtswidrigen SF-VO 2007.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 15. 11. 2005 der Republik Österreich zugestanden, dass diese aufgrund der Überschreitung der Schadstoffemmissionsgrenzwerte im Sinne der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. 9. 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität nach deren Art 8 Abs 3 zum Handeln (Erstellung eines Aktionsplans zur Erreichung der Grenzwerte) verpflichtet gewesen war. Er vermisste aber eine schlüssige Darlegung, inwieweit die österreichischen Behörden bei Ausarbeitung der SF-VO 2003 hinreichend untersucht hätten, ob das Ziel der Verringerung von Schadstoffemmissionen nicht durch andere, den freien Verkehr weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden könnte und tatsächlich eine realistische Ausweichmöglichkeit auf andere Verkehrsträger oder andere Straßenverbindungen bestünde.

In ihrer außerordentlichen Revision vermag die Klägerin nicht überzeugend darzulegen, dass den österreichischen Behörden bei Erlassung der SF-VO 2007 eine offenkundige Verkennung der Vorgaben des EuGH, die ihnen als qualifiziert rechtswidrig im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zum Unionsrecht (vgl EuGH 30. 9. 2003, C 224/01 , Slg 2005, I-9871) oder als unvertretbar im Sinne des AHG vorzuwerfen wäre, unterlaufen wäre und dass demnach die Beurteilung der Vorinstanzen korrigiert werden müsste. Vor Ausarbeitung und Erlassung der Verordnung wurden ja verkehrstechnische Analysen und Messungen der Luftqualität vorgenommen, ein „Aktionsprogramm Luft“ erstellt sowie die (von der Klägerin ausgenützte und im Vergleich zur „Brennerroute“ teils günstigere) Möglichkeit, auf Alternativrouten oder die „Rollende Landstraße“ auszuweichen, ebenso geprüft wie die Auswirkungen alternativer verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf die Luftqualität. Welche zusätzlichen konkreten Untersuchungen und Überprüfungen von Organen der Republik noch zu fordern gewesen wären, legt die Klägerin nicht dar.

Einer weiteren Begründung, insbesondere zur angeblichen Unschlüssigkeit der Klage, bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte