OGH 15Os40/12i

OGH15Os40/12i25.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Uljanov als Schriftführerin in der Strafsache gegen Oguz Y***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, AZ 46 Hv 106/11b des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 29. November 2011, GZ 46 HV 106/11b-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. November 2011, GZ 46 Hv 106/11b-37, verletzt, soweit darin gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der Oguz Y***** mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Vollzugsgericht vom 14. März 2011, GZ 44 BE 171/11t-5, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde, § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Der Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben und es wird vom Widerruf der Oguz Y***** mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Vollzugsgericht vom 14. März 2011, GZ 44 BE 171/11t-5, gewährten bedingten Entlassung (ON 15 S 5) aus Anlass des Urteils des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. November 2011, GZ 46 Hv 106/11b-37, abgesehen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als (Jugend-)Schöffengericht vom 4. Dezember 2009, GZ 46 Hv 22/09x-27, wurde Oguz Y***** des Verbrechens des Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach § 142 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Aus dem unbedingten Teil der verhängten Freiheitsstrafe wurde der Verurteilte mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Vollzugsgericht vom 14. März 2011, GZ 44 BE 171/11t-5 (= ON 46 des zuvor genannten Strafakts), am 15. April 2011 gemäß § 46 Abs 1 StGB - bei einem Strafrest von einem Monat - unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Aufgrund neuerlicher Delinquenz innerhalb der zuvor genannten Probezeiten wurde Oguz Y***** mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. November 2011, GZ 46 Hv 106/11b-37, der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

Unter einem fasste die Einzelrichterin gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluss, die dem Angeklagten Oguz Y***** mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Vollzugsgericht vom 14. März 2011, GZ 44 BE 171/11t-5, gewährte bedingte Entlassung zu widerrufen.

Auch dieser Beschluss erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. November 2011 steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach dem durch das Strafrechtsänderungs- gesetz 2008, BGBl I 2007/109, eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht des Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem gemäß § 43a Abs 3 oder Abs 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn (wie hier) nicht zugleich auch die bedingte Nachsicht des anderen Teils dieser Strafe widerrufen wird (RIS-Justiz RS0125448).

Diese Gesetzesverletzung hat sich zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt (§ 292 letzter Satz StPO), weshalb der Oberste Gerichtshof sich veranlasst sah, diesen aufzuheben und vom Widerruf der bedingten Entlassung aus Anlass des Urteils des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. November 2011, GZ 46 Hv 106/11b-37, abzusehen.

Stichworte