OGH 6Ob54/12b

OGH6Ob54/12b19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Weixelbaum Humer & Partner OG Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen 31.063,30 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2012, GZ 6 R 370/11s-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. September 2011, GZ 3 Cg 52/11y-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.751,04 EUR (darin 291,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Vor dem Erstgericht ist zwischen den Parteien mit den gleichen Parteirollen das Verfahren 2 Cg 107/06x anhängig. Im ersten Rechtsgang wurde das klagsabweisende Urteil vom 25. 11. 2009 mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. 5. 2010 bestätigt und die ordentliche Revision nicht zugelassen. Über Verlangen des Beklagten zahlte die klagende Partei daraufhin - um eine Exekutionsführung aufgrund der vollstreckbaren Kostentitel zu vermeiden - die Prozesskosten von 31.063,30 EUR. Parallel dazu erhob die klagende Partei eine außerordentliche Revision.

Mit Beschluss vom 16. 2. 2011, 7 Ob 143/10w, hob der Oberste Gerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück. Daraufhin hob das Oberlandesgericht Linz mit seiner neuerlichen Entscheidung vom 22. 3. 2011 das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Nunmehr fordert die Klägerin den Kostenbetrag von 31.063,30 EUR zurück.

Der Beklagte bestritt die Rückzahlungsverpflichtung und wendete eine Regressforderung aus einer Zahlung als Bürge für die Klägerin als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht wies die Aufrechnungseinrede ab und gab der Klage statt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts zahlte der Beklagte aus seiner Bürgschaftsverpflichtung für eine Verbindlichkeit der Klägerin am 21. 9. 2011 einen Teilbetrag von 62.500 EUR. Der zugrundeliegende Gesamtsachverhalt ist Gegenstand des nach wie vor anhängigen Verfahrens 2 Cg 107/06x des Erstgerichts. Der Beklagte hat bei der Raiffeisenbank Grieskirchen ein neues Konto eröffnet und auf dieses 31.063,30 EUR mit der Widmung „Hinterlegung Prozesskosten“ eingezahlt.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass nach § 505 Abs 4 zweiter Satz ZPO die Urteile der ersten und der zweiten Instanz dann, wenn eine außerordentliche Revision erhoben werde, vollstreckbar seien. Die Zahlung der Judikatschuld während des der Erhebung der außerordentlichen Revision nachfolgenden Schwebezustands führe nicht sofort zu einer Tilgung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Hebe der Oberste Gerichtshof - wie hier - die Entscheidung der Vorinstanzen auf, stehe dem Leistenden noch vor Abschluss des fortzusetzenden Verfahrens ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB zu, weil der Grund der Bezahlung, nämlich das vollstreckbare Urteil, nachträglich weggefallen sei. Gegen diesen Rückforderungsanspruch könne gemäß § 1440 ABGB nicht wirksam aufgerechnet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Erwägungen der Entscheidung 7 Ob 6/04i hätten infolge eines Größenschlusses umso mehr für Kosten zu gelten, weil die Kosten zum Hauptanspruch akzessorisch seien.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil neben der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der das Berufungsgericht gefolgt sei, auch Entscheidungen veröffentlicht seien, wonach das in Analogie zu § 1440 Satz 2 ABGB grundsätzlich bejahte Aufrechnungsverbot wiederum eingeschränkt wurde, wenn mit Gegenforderungen des Rückgabepflichtigen auf Seiten des Rückfordernden gerechnet werden musste.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Anders als in dem der Entscheidung 7 Ob 6/04i zugrunde liegenden Sachverhalt soll im vorliegenden Fall nicht mit der Klagsforderung des zugrunde liegenden Prozesses aufgerechnet werden. Allerdings besteht nach den Feststellungen des Erstgerichts ein Zusammenhang mit dem Gesamtsachverhalt des ursprünglichen Prozesses. Dies vermag aber an der grundsätzlichen Anwendbarkeit der in der Entscheidung 7 Ob 6/04i enthaltenen Erwägungen auf den vorliegenden Fall nichts zu ändern. Aus dem Normzweck des § 505 Abs 4 Satz 2 ZPO ergibt sich ein schutzwürdiges Interesse an der effektiven Rückforderbarkeit des Geleisteten für den Fall, dass die außerordentliche Revision zum Erfolg führt (RIS-Justiz RS0033960; Mader, JBl 2005, 319 [Entscheidungsglosse]).

Daran vermag auch jene Rechtsprechungslinie nichts zu ändern, wonach § 1440 ABGB jedenfalls überall dort außer Betracht zu bleiben habe, wo von vornherein Ansprüche des Schuldners aus diesem Rechtsverhältnis zu erwarten sind, etwa wenn dieser den laufenden Aufwand für die Erhaltung der Sache getragen hat oder die Verwahrung entgeltlich erfolgte (RIS-Justiz RS0116433). Diese Entscheidungen ergingen nicht zur hier ausschließlich anzuwendenden Bestimmung des § 505 Abs 4 Satz 2 ZPO. Außerdem kann der diesen Entscheidungen zugrunde liegende Gedanke, dass derjenige, der mit Gegenforderungen rechnen muss oder diese sogar bereits kennt (vgl 1 Ob 37/03b), sich nicht auf das Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB berufen kann, auf die vorliegende Konstellation nicht übertragen werden. Diese Überlegung kann nämlich nur in jenen Fällen greifen, in denen der Betreffende seine Dispositionen danach ausrichten kann, ob mit Gegenansprüchen zu rechnen ist. Im vorliegenden Fall war die Klägerin jedoch aufgrund des vollstreckbaren Urteils unabhängig davon, ob sie mit Gegenansprüchen rechnet, zur Leistung verpflichtet. Entgegen den Revisionsausführungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die eingewendete Gegenforderung unstrittig ist.

Damit hängt die Entscheidung des vorliegenden Falls aber nicht von Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität ab, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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