OGH 6Ob60/12k

OGH6Ob60/12k19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** B.V., *****, vertreten durch Mag. Peter Melicharek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Rohregger Scheibner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Ö***** GmbH, *****, vertreten durch DDr. Harald Schröckenfuchs, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung von Generalversammlungsbeschlüssen (Streitwert 205.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2012, GZ 1 R 247/11t‑99, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ob ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern verstößt, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS‑Justiz RS0060175 [T3]) und stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

2. Die Verpflichtung, bei Wahl des Ortes und Termins der Generalversammlung auf die Interessen der Gesellschafter Bedacht zu nehmen, folgt aus der allgemeinen Treuepflicht (Enzinger in Straube, GmbHG § 38 Rz 10; vgl auch Koppensteiner in Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 38 Rz 7). Die Treuepflicht des Gesellschafters einer GmbH gebietet auch eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter bei Ermöglichung der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Generalversammlung nicht zu einem Zeitpunkt angesetzt werden darf, an dem bekanntermaßen Gesellschafter nicht anwesend sein werden (RIS‑Justiz RS0059692).

3. Auch nach der Kommentarliteratur zum deutschen Recht ist bei der Terminfindung auf bekannte Verhinderungen der Gesellschafter Rücksicht zu nehmen (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG § 51 Rz 14; Karsten Schmidt/Seibt in Scholz, GmbH § 48 Rz 12; zur Abwägung zwischen dem Teilnahmerecht und der Dringlichkeit der Generalversammlung Liebscher in Münchener Kommentar GmbH § 48 Rz 100 f).

4. Im vorliegenden Fall musste die Vertreterin der klagenden Partei aus den Niederlanden anreisen, dessen ungeachtet fand die Generalversammlung ‑ obwohl die Gesellschaft lediglich zwei Gesellschafter hat ‑ an einem anderen als den von der klagenden Partei bekanntgegebenen Terminen stattfand. Zudem erfolgte die Einberufung nicht separat, sondern war in einem Konvolut „monthly correspondence“ enthalten. Schließlich wurde in der Einladung zur erstreckten Generalversammlung nicht auf die Beschlussunfähigkeit der ersten Versammlung hingewiesen. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage von einer Anfechtbarkeit iSd § 41 GmbHG begründenden nicht ordnungsgemäßen Einberufung ausgingen, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

5. Die Revision bringt daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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