OGH 12Os185/11i

OGH12Os185/11i12.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann S***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 2, 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 18. Oktober 2011, GZ 13 Hv 85/11m-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann S***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 2, 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von 1. Jänner 2001 bis 31. Mai 2010 in P***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mitarbeiter der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Oberösterreich durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche die Pensionsversicherungsanstalt um mehr als 50.000 Euro am Vermögen schädigte, nämlich dadurch, dass er es entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung unterließ, der Pensionsversicherungsanstalt die wesentliche Besserung seines Gesundheitszustands, insbesondere die Mobilität betreffend, mitzuteilen, zur Auszahlung von Pflegegeld der Stufe 5 statt der Stufe 1, was einen Übergenuss von insgesamt 71.727,81 Euro bewirkte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) geht die erforderliche Grundlage ab:

Auf welches konkrete (vgl Schmoller, WK-StPO § 55 Rz 34 f, 49) Beweisthema die begehrte Einholung von Gutachten von Sachverständigen aus den Fachgebieten der Urologie und der Rheumatologie abzielte, war nicht zu ersehen. Das in der Beschwerde Nachgetragene ist prozessual verspätet: Bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS-Justiz RS0099618).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) wendet sich der Sache nach gegen die Feststellungen zum Pflegebedarf des Angeklagten (US 4).

Dessen diesbezügliche Verantwortung wurde - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend - dem Rechtsmittelvorbringen zuwider sehr wohl erwogen (US 6). Weshalb sich das Erstgericht in Ansehung des Bedarfs an Pflegetätigkeit über das eingeholte Gutachten hinaus mit Befunden, Attesten und Krankengeschichten oder der Häufigkeit von Spitalsaufenthalten des Angeklagten hätte befassen sollen, legt die Beschwerde nicht dar (RIS-Justiz RS0099508). Soweit sie pauschal auf die „Aussagen“ des Zeugen Roland R***** und auf Konstatierungen zur subjektiven Tatseite rekurriert, ist sie nicht am Erfordernis deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) orientiert.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit den vorgebrachten Hinweisen auf Angaben der Zeugen Günther B***** und Petra S***** werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.

Das pauschale Abstellen auf den „gesamten Akteninhalt“ lässt die nach der Prozessordnung gebotene Bezugnahme auf konkrete Beweismittel vermissen (RIS-Justiz RS0117446).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert auf Basis urteilsfremder Sachverhaltsannahmen zur inneren Tatseite (vgl US 5), während nach der Verfahrensordnung auf den Urteilssachverhalt abzustellen ist (RIS-Justiz RS0099810).

Im Übrigen wird zwar behauptet, aber nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet, dass § 10 BundespflegegeldG keine Anzeigepflicht des Angeklagten begründet habe (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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