OGH 12Os176/11s

OGH12Os176/11s12.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Christina Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Richard D***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 erster Satz StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 14. Oktober 2010, GZ 23 Hv 95/08i-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Mag. Richard D***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 (Abs 1 erster Satz) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in V***** und an anderen Orten als leitender Angestellter einer juristischen Person, nämlich als Geschäftsführer der U***** GmbH und der U***** GmbH, im Zeitraum 31. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2005 „als Schuldner mehrerer Gläubiger“ das Vermögen der genannten Gesellschaften wirklich verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens einer von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er ohne wirtschaftlich äquivalente Gegenleistung Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen veranlasste und den Gesellschaften Geldmittel ohne eine dafür bestehende rechtliche Verpflichtung sowie ohne rechtlichen oder vertretbaren wirtschaftlichen Grund und in Kenntnis der Uneinbringlichkeit der angehäuften Forderungen entzog und dadurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar (US 2 und 7 f)

I./ als Geschäftsführer der U***** GmbH

a./ zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember 2004 durch Veranlassung von Zahlungen für die D***** KG in der Höhe von insgesamt 94.798,28 Euro;

b./ zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember 2005 durch Veranlassung von Zahlungen aus einer ohne rechtliche Verpflichtung und ohne vertretbaren wirtschaftlichen Grund übernommenen Bürgschaft für Ing. Alfred D***** an die Raiffeisenbank W***** in der Höhe von insgesamt 80.038,25 Euro;

c./ zwischen 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 durch Gewährung eines Privatdarlehens im Ausmaß von 61.119,76 Euro an sich selbst;

II./ als Geschäftsführer der U***** GmbH zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember 2003 durch Gewährung eines Darlehens in der Höhe von „zumindest cirka 800.000 Euro“ an die U***** GmbH.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Die gerügte Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellung des Schadens zu Punkt II./ des Schuldspruchs mit „zumindest cirka 800.000 Euro“ (US 8) berührt weder auf der äußeren noch auf der inneren Tatseite eine Wertgrenze, betrifft somit keine entscheidende Tatsache (vgl § 156 Abs 2 StGB).

Das gilt auch für den gegen diese Feststellung gerichteten Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall): Die in der Beschwerde aufgrund der als teilweise unerörtert reklamierten Beilage ./6 für möglich angesehene Schadensreduktion um 488.049,93 Euro (zu II./) berührt die Wertgrenze nicht.

Der pauschale Hinweis der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) auf die in der Hauptverhandlung vorgelegten „Urkunden Beilagen ./1-10“ wird dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) nicht gerecht.

Keine entscheidende Tatsache betrifft der vom Angeklagten behauptete Umstand, es wäre „im Wesentlichen“ Gläubigeridentität vorgelegen, „nahezu“ die gesamten Aushaftungen der Gesellschaften wären auf die gleichen Gläubiger entfallen (vgl US 31). § 156 Abs 1 StGB setzt zwar Gläubigermehrheit, nicht aber Opfermehrheit voraus und lässt daher die Schädigung bereits eines einzigen Gläubigers genügen (Kirchbacher in WK² § 156 Rz 5b).

Weshalb Erwägungen seitens der Hausbank, wonach sie die Gesellschaften „als Einheit“ betrachtet habe (vgl US 31), und Überlegungen zur betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit einer vom Angeklagten allenfalls in Aussicht genommenen „Zusammenführung der Gesellschaften“ zu erörtern gewesen wären (Z 5 zweiter Fall), lässt die Beschwerde offen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409).

Das Schöffengericht hat sich mit anderen Tatsachen zur Frage betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit der Zahlungsflüsse dem Rechtsmittelvorbringen zuwider sehr wohl befasst (US 31 f). Inwieweit die pauschal als übergangen monierten Beilagen ./1 bis ./10 darüber hinaus erörterungsbedürftig gewesen sein sollen (Z 5 zweiter Fall), legt die Beschwerde nicht dar.

Die mit Bezugnahme auf Beilage ./5 ins Treffen geführten Zahlungen an die U***** GmbH waren nicht erörterungsbedürftig, weil sich der Tatzeitraum zu II./ von 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2003 erstreckt, die in Rede stehenden Überweisungen aber Ende 2004 stattfanden und sich - als allfällige teilweise Schadensgutmachung (vgl Kirchbacher in WK² § 156 Rz 10; RIS-Justiz RS0113428) - allein auf die Strafzumessung (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB) und somit auf keine entscheidende Tatsache beziehen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398).

Die bloße Behauptung, auch „die daneben“ (von der L***** GmbH oder vom Angeklagten) „bezahlten Beträge wären (…) zu berücksichtigen gewesen“, ist nicht am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) orientiert.

Einen Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall) reklamiert die Beschwerde, indem sie den „methodischen Ansatz“ sowie Begründung und Richtigkeit des im Urteil verwerteten Gutachtens des Sachverständigen Mag. Herbert S***** in Frage stellt. Der Angeklagte hat, nachdem das Gutachten in der Hauptverhandlung am 14. Oktober 2010 mit dem Sachverständigen erörtert wurde (ON 68 S 2 ff), weder einen Mangel (§ 127 Abs 3 StPO) aufgezeigt noch eine Überprüfung von Befund oder Gutachten durch einen weiteren Sachverständigen beantragt.

Da die materielle Überzeugungskraft eines im Sinn des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien Gutachtens (vgl US 29) der im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht ohne weiteres bekämpfbaren Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts unterliegt (RIS-Justiz RS0097433), ist die Begründung entscheidungswesentlicher Feststellungen (auch) mit der in Kritik gezogenen Expertise (US 25 ff) aus Z 5 nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0099508).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem vorgebrachten Hinweis auf die aus Z 5 erstatteten Einwände werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt. Auch soweit das angebliche Fehlen tragfähiger Beweisergebnisse für die Schuld des Angeklagten behauptet wird, entbehrt die Tatsachenrüge der Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446).

Mit dem Einwand (der Sache nach Z 5 vierter Fall), zur subjektiven Tatseite liege eine Scheinbegründung vor, verkennt der Beschwerdeführer, dass die Tatrichter aus den äußeren Umständen und aus seiner Verantwortung (US 32) auf seine Willensausrichtung schließen konnten (RIS-Justiz RS0116882; RS0098671).

Der Angeklagte bringt weiters vor, die erstgerichtlichen Ausführungen, wonach ihm (richtig:) „insbesondere Bilanzen und Kontostände aufgrund der von ihm selbst angeführten regelmäßigen Besprechungen mit den Verantwortlichen im finanzierenden Bankinstitut auch bekannt sein mussten“ (US 32), würden im Akteninhalt keine Deckung finden. Welcher Begründungsmangel (Z 5) damit angesprochen wird, bleibt mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) offen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ignoriert mit der Behauptung mangelnder Feststellungen zum Vorsatz auf Vermögensverringerung die gegenteiligen Konstatierungen (US 8 f; RIS-Justiz RS0099810).

Auch soweit sie unrichtige Tatsachenfeststellung behauptet und dem Vorbringen eigene Konstatierungen zugrunde legt, ist sie nicht an der Prozessordnung orientiert.

Weshalb die in Rede stehenden Gesellschaften ungeachtet der unterschiedlichen Haftungsfonds als „wirtschaftliche Einheit“ zu betrachten sein sollen, leitet der Beschwerdeführer nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Gleiches gilt für das Vorbringen, mit dem er Feststellungen zu Zahlungen laut Beilage ./5 und zu weiteren „daneben bezahlten Beträgen“ vermisst. Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb ungeachtet der Feststellungen über den Schädigungswillen des Angeklagten und die konstatierte Schmälerung des Vermögens eine behauptete spätere Reduktion der Passiven (die bloß auf eine Schadensgutmachung hinweist; RIS-Justiz RS0113428 [T1]; Kirchbacher in WK² § 156 Rz 10) für die Beurteilung der Vermögensverringerung entscheidend sein sollte.

Zum Schuldspruch I./b./ wendet die Rechtsrüge (Z 9 lit b) Verjährung ein. Sie ignoriert dabei Feststellungen, wonach auch die aufgrund der übernommenen Bürgschaft zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember 2005 geleisteten Zahlungen „ohne rechtliche Verpflichtung“ (US 2) und ohne „Veranlassung“ (US 32), dh ohne aktuelle Inanspruchnahme erfolgten, womit in den Jahren 2002 bis 2005 bei der U***** GmbH sukzessive eine wirkliche Vermögensverringerung (iSd § 156 Abs 1 StGB) bewirkt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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