Spruch:
Zur Entscheidung über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ist das Bezirksgericht Wiener Neustadt zuständig. Der Beschluss dieses Gerichts vom 8. Februar 2012, GZ 1 C 1/12m-9, wird aufgehoben.
Text
Begründung
Der Antragsteller stellte mit am 2. 1. 2012 beim Bezirksgericht Mürzzuschlag eingelangtem Schriftsatz den Antrag, mit einstweiliger Verfügung gemäß §§ 382g, 381 Z 2 EO gegen die Antragsgegner diverse Verbote zu erlassen.
Das Bezirksgericht Mürzzuschlag erklärte sich mit am selben Tag gefasstem Beschluss gemäß § 387 Abs 4 EO für unzuständig und überwies das Verfahren nach § 44 JN an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Wiener Neustadt. Die Zustellung des Überweisungsbeschlusses obliege dem nunmehr zuständigen Gericht.
Das Bezirksgericht Wiener Neustadt stellte den Provisorialantrag zunächst den Antragsgegnern zur Äußerung zu. Es fasste nach einer Anfrage beim Zentralen Melderegister dann aber am 8. 2. 2012 den Beschluss, die Rechtssache wiederum dem Bezirksgericht Mürzzuschlag (zurück-)zuüberweisen. Da der Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 2. 1. 2012 dem Antragsteller versehentlich noch nicht zugestellt worden und daher nicht rechtskräftig sei, bestehe noch keine Bindung an diesen Beschluss. Das Bezirksgericht Wiener Neustadt könne daher seine Unzuständigkeit aussprechen.
Dieser Beschluss wurde am 23. 2. 2012 sowohl dem Antragsteller als auch den Antragsgegnern zugestellt. Inzwischen wurde auch der Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 2. 1. 2012 allen Parteien zugestellt. Beide Beschlüsse blieben unbekämpft.
Das Bezirksgericht Wiener Neustadt legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN vor.
Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hat nicht - wie in Delegierungs- und Ordinationssachen gemäß § 7 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 OGHG - in einem Dreiersenat, sondern nach § 6 OGHG im einfachen Senat (mit fünf Mitgliedern) zu erfolgen (RIS-Justiz RS0126085).
Rechtliche Beurteilung
Die Anrufung des übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt voraus, dass die konkurrierenden Gerichte - wie hier - ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über dieselbe Rechtssache rechtskräftig abgelehnt haben (RIS-Justiz RS0118692; RS0046299 [T1]). Der übergeordnete Gerichtshof - hier der Oberste Gerichtshof - hat bei seiner Entscheidung darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Überweisungsbeschluss - selbst wenn er unrichtig wäre - jenes Gericht, an das die Sache zunächst überwiesen wurde, insofern bindet, als es seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (RIS-Justiz RS0046315; RS0002439). Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RIS-Justiz RS0081664 [T1]; RS0046391 [T6]). Entgegen der im Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 8. 2. 2012 geäußerten Ansicht ist bei der Entscheidung nach § 47 JN auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RIS-Justiz RS0046391 [T8]). Die gegenteilige, im Schrifttum (Fucik in RZ 1985, 240; Mayr in Rechberger 3 § 44 JN Rz 4; Ballon in Fasching/Konecny 2 § 47 JN Rz 12) vertretene Meinung, der auch zwei Oberlandesgerichte gefolgt sind, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach mit eingehender Begründung abgelehnt (6 Nc 19/08h mwN; 5 Nc 9/10h ua).
Der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 8. 2. 2012 setzt sich demnach über die Bindungswirkung des vorausgegangenen Überweisungsbeschlusses hinweg. Er ist daher aufzuheben, ohne dass auf die Frage der Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Mürzzuschlag einzugehen wäre (RIS-Justiz RS0046391 [T10]).
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