OGH 15Os26/12f

OGH15Os26/12f28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung der Edit C***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 3. November 2011, GZ 24 Hv 38/11t-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Edit C***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoid halluzinatorisch schizophrenen Psychose mit sehr bizarrem, komplexem Wahnsystem beruht, am 21. Juni 2011 in L***** Olga Ch*****, während sie ein ca 30 cm langes Küchenmesser auf sie richtete,

1./ durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung zu nötigen versuchte, indem sie diese aufforderte, die Schuhe auszuziehen, und

2./ durch die Äußerung „ich werde dich umbringen“ gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, was ihr, wäre sie zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 (erg: Z 1) erster Fall StGB und das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zugerechnet würde.

Rechtliche Beurteilung

Ein Eingehen auf die (nominell aus Z 9 lit a, inhaltlich aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene) Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen erübrigt sich, weil bereits aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) eine von der Nichtigkeitswerberin nicht geltend gemachte, sich jedoch zu ihrem Nachteil auswirkende materielle Nichtigkeit nach Z 9 lit a wahrzunehmen ist:

Eine unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands begangene Anlasstat ist nur dann mit Strafe bedroht (worauf § 21 Abs 1 StGB abstellt), wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist (RIS-Justiz RS0090295; Ratz in WK² § 21 Rz 14).

Die tatrichterlichen Feststellungen (US 3 bis 5) enthalten indes keine Aussage darüber, inwieweit (zu 1./) das angestrebte Nötigungsziel sowie das zum Einsatz gebrachte Nötigungsmittel von einem (zumindest bedingten) Vorsatz der Betroffenen umfasst waren (vgl Schweighofer in WK2 § 105 Rz 88 f). Gleichermaßen fehlt es (zu 2./) an einer Darstellung, inwiefern die Betroffene mit dem Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) agierte, in der Bedrohten den Eindruck zu erwecken, sie sei willens und in der Lage, das angedrohte Übel - nämlich den Tod - herbeizuführen (vgl RIS-Justiz RS0092878) und inwiefern sie beabsichtigte (§ 5 Abs 2 StGB), Olga Ch***** in Furcht und Unruhe zu versetzen (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I2 § 107 RN 9).

Die - in der rechtlichen Beurteilung enthaltene - Erwägung, wonach die Betroffene ihr Verhalten setzte, „um Olga Ch***** in Furcht und Unruhe zu versetzen“ (US 8), reicht hiefür noch nicht hin, zumal die Tatrichter (wiederholt) zum Ausdruck brachten, zum Wissen und Wollen der Betroffenen infolge vorliegender Zurechnungsunfähigkeit keine Aussage treffen zu können (vgl US 5, 7, 8).

Das angefochtene Urteil entbehrt solcherart einer hinreichenden Feststellungsbasis zur subjektiven Tatseite der Anlasstaten nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (1./) sowie § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (2./).

Dieser, von der Nichtigkeitswerberin nicht aufgezeigte Mangel zeigte bereits bei nichtöffentlicher Beratung, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§ 285e StPO), weshalb sich ein Eingehen auf die - gegen die Qualifikation der Anlasstaten gerichteten - Beschwerdeeinwände der Nichtigkeitswerberin erübrigt.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung war die Betroffene auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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