OGH 1Ob47/12m

OGH1Ob47/12m23.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** G*****, vertreten durch Dr. Tobias Mitterauer, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, gegen die beklagten Parteien 1. A***** G*****, und 2. M***** G*****, vertreten durch Dr. Hans Wabnig, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wegen Herausgabe, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2012, GZ 21 R 351/11f-21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 26. April 2011, GZ 5 C 615/10b-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Berufungsgericht zur Berichtigung des Bewertungsausspruchs zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin bewertete ihr Herausgabebegehren mit 4.000 EUR, die beiden Rechnungslegungs- bzw Manifestationsbegehren mit zusammen 3.000 EUR und die zu diesen gehörenden Zahlungsbegehren ebenfalls mit zusammen 3.000 EUR.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts, erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR. Diesen Ausspruch begründete es damit, dass die Behebungen vom Konto des Erblassers, über die die Klägerin Rechnungslegung begehrt, eine Höhe von insgesamt 96.082,15 EUR erreichten.

Das Berufungsgericht hat die Entscheidungsgegenstände einheitlich bewertet, dabei aber übersehen, dass eine Zusammenrechnung der Streitwerte einzelner Begehren auch für die Frage der Revisionszulässigkeit (§ 55 Abs 4 JN) nur unter den Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN zu erfolgen hat. Sind Gegenstand der berufungsgerichtlichen Entscheidung hingegen mehrere Begehren, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, ist für jeden Gegenstand ein eigener Bewertungsausspruch und ein eigener Ausspruch über die Revisionszulässigkeit zu treffen (vgl dazu nur Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 149 ff mit Judikaturnachweisen).

Im vorliegenden Verfahren bildet jedenfalls das Herausgabebegehren einen eigenen Streitgegenstand, der mit den übrigen Begehren in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN steht, macht sie insoweit doch einen Anspruch aus eigenem Recht geltend, wogegen sie sich für die übrigen Begehren auf ihre Stellung als (Mit-)Erbin beruft. Der Anspruch auf Herausgabe der (entwerteten) Sparbuchurkunde wird daher eigens zu bewerten sein; die Klägerin hat ihr Interesse insoweit mit 4.000 EUR angegeben.

Darüber hinaus begehrt die Klägerin im Rahmen einer Stufenklage nach Art XLII EGZPO Rechnungslegung über zwei „Transaktionen“ (Abhebungen) von einem Sparbuch in Höhe von zusammen 6.062,62 EUR sowie über insgesamt 179 „Transaktionen“ (Abhebungen) von einem Bankkonto, deren Gesamtsumme das Berufungsgericht mit 96.082,15 EUR errechnet hat, und schließlich die Zahlung von 20 % des sich aufgrund der Rechnungslegung jeweils ergebenden „Guthabensbetrags“. Sie strebt damit erkennbar Aufklärung über die Verwendung der vom Erstbeklagten durch die Abhebungen erlangten Gelder und - als Miterbin zu einem entsprechenden Anteil - die Zahlung eines Fünftels jener Beträge an, über deren Verwendung keine hinreichende Erklärung abgegeben wird. Da die Stufenklage somit letztlich auf die Zahlung eines Geldbetrags abzielt und schon im derzeitigen Verfahrensstadium ein Höchstbetrag des in Betracht kommenden Zuspruchs berechnet werden kann, kann das geldwerte Interesse der Klägerin an ihrem - für die Revisionszulässigkeit gemeinsam zu bewertenden (vgl 6 Ob 5/02g) - Stufenklagebegehren jedenfalls nicht höher sein als ein Fünftel des Gesamtbetrags, über dessen Verbleib sie Auskunft begehrt, kann ihr doch zwar weniger, nie aber mehr zugesprochen werden.

Bei seinem neuerlichen Bewertungsausspruch wird das Berufungsgericht auch zu beurteilen haben, ob in Ansehung der Begehren auf Rechnungslegung über die beiden Abhebungen vom Sparbuch und über die 179 Abhebungen vom Bankkonto ein Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN vorliegt, der zu einer einheitlichen Bewertung führen würde. Da § 55 Abs 1 JN als Ausnahmeregel anzusehen ist, wäre im Zweifel eine Zusammenrechnung nicht vorzunehmen (RIS-Justiz RS0122950; vgl Zechner aaO § 502 ZPO Rz 149).

Sollte das Berufungsgericht ein Begehren mit weniger als 5.000 EUR bewerten, wäre die Entscheidung insoweit auch in ihrem Zulässigkeitsausspruch zu berichtigen und die Klägerin zur Bekanntgabe aufzufordern, ob sie ihr Rechtsmittel insoweit aufrechterhält. Bei einer Bewertung von einzelnen Begehren mit mehr als 5.000 EUR, jedoch nicht mehr als 30.000 EUR wäre die „außerordentliche“ Revision der Klägerin als mit einer ordentlichen Revision verbundener Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zu qualifizieren, über den das Berufungsgericht abzusprechen hätte.

Stichworte