OGH 1Ob24/12d

OGH1Ob24/12d1.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** W***** M*****, vertreten durch Mag. Michael Löschnig-Tratner, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde E*****, vertreten durch Nistelberger & Parz Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 22.591,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2011, GZ 13 R 50/11k-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 18. Jänner 2011, GZ 3 Cg 47/10w-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist seit 1996 Eigentümer einer nahe der Donau gelegenen bebauten Liegenschaft im Gemeindegebiet der Beklagten. Nachdem das Gebäude des Klägers bereits wiederholt vom Donauhochwasser beeinträchtigt worden war, trat beim Hochwasser am 25. und 26. 6. 2009 ein mit etwa 45.000 EUR bewerteter Schaden an Gebäude, Außenanlagen und Inventar ein. Der Kläger erhielt vom Land eine Entschädigung in Höhe von 6.110 EUR.

Sein Begehren auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe des Klagebetrags wurde von den Vorinstanzen übereinstimmend abgewiesen, wobei das Berufungsgericht die Revision letztlich für zulässig erklärte. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem Fehlen rechtswidrigen Verhaltens der beklagten Gemeinde. Der Kläger ziehe im Rechtsmittel nicht mehr in Zweifel, dass ein Schutzgesetz, nach dem die Beklagte zu Vorkehrungen gegen Hochwasser verpflichtet wäre, nicht besteht. Auf die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht könne der Kläger sein Begehren nicht stützen, weil die Beklagte keine ihrer Verfügung unterliegende Anlage dem Zutritt eines Personenkreises eröffnet habe. Sie treffe auch keine Verkehrssicherungspflicht infolge Ingerenz, weil sie die Gefahrenquelle, also das Hochwasser, nicht geschaffen habe. Sie habe auch nicht eine Gefahrenquelle in ihrer Sphäre bestehen lassen, zumal die Donau - als öffentliches Gewässer im Sinne des § 2 Abs 1 lit a WRG und damit Allgemeingut - außerhalb ihres Verantwortungsbereichs und ihrer Bestimmungsgewalt liege. Ebensowenig sei eine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf das Donauhochwasser aus der Stellung der Beklagten als Gebietskörperschaft abzuleiten. Soweit der Kläger von einer umfassenden Schutzpflicht der Gemeinde für Leben, Gesundheit und Eigentum der Einwohner ausgehe, sei eine solche umfassende Garantie der Rechtsordnung nicht zu entnehmen. Im Übrigen könne ein umfassender Schutz durch die Rechtsträger, insbesondere zur Vorsorge gegen Schäden aus Naturkatastrophen wie Hochwasser, auch tatsächlich nicht gewährt werden. Verpflichtungen zu amtswegigen Maßnahmen könnten von Rechtsträgern auch nur sinnvoll im Rahmen der Hoheitsverwaltung umgesetzt werden und würden allenfalls zu Amtshaftungsansprüchen führen. Auch die Judikatur zum Nachbarrecht, auf das der Kläger zumindest indirekt Bezug nehme, spreche gegen die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Danach seien Ansprüche ausgeschlossen, wenn es sich um Elementarereignisse handle, die ohne menschliches Zutun eintreten. Niemand sei verpflichtet, seine Liegenschaft in einem solchen Zustand zu halten, dass sein Nachbar gegen von außen entstehende Einwirkungen geschützt ist. Insbesondere sei kein Grundstückseigentümer verpflichtet, den natürlichen Wasserlauf so zu verändern, dass Wasser nicht auf ein anderes Grundstück gelangt. Die mit dem von der Natur vorgesehenen Wasserlauf verbundenen Nachteile träfen jenen, in dessen Vermögen sie sich ereignen. Nach der aufgezeigten Rechtslage habe der Kläger vorbeugende Schutzvorkehrungen gegen Hochwasser selbst zu treffen. Ohne Bedeutung sei dabei, inwieweit ihm ähnlich wirksame Maßnahmen wie bei Herstellung eines flächendeckenden Hochwasserschutzes möglich wären und ob andere betroffene Gemeinden inzwischen einen solchen Hochwasserschutz errichtet hätten. Das Handeln anderer Gemeinden sei nicht geeignet Rechtspflichten der Beklagten aufzuzeigen oder gar zu begründen. Wenn der Kläger ausführe, es reiche für die Haftung der Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten aus, dass sie die Hochwassergefahr gekannt habe und dass ihr die Errichtung eines Hochwasserschutzes möglich und zumutbar gewesen wäre, beziehe er sich dabei erkennbar auf den Rechtssatz, wonach die Verkehrssicherungspflichten jenen treffen, der die Gefahr kenne und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen könne, also die Gefahr beherrsche. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei dieser Rechtssatz dahin einzuschränken, dass es auf die „Gefahrenzuständigkeit“ bzw die Eigenschaft als „Halter der Gefahrenquelle“ ankomme, sei diese doch Ausgangspunkt für die Verantwortlichkeit nach dem Ingerenzprinzip. Eine diese Rechtsansicht bestätigende höchstgerichtliche Judikatur - speziell im Hinblick auf Naturkatastrophen - liege jedoch nicht vor. Die Revision sei daher zulässig, weil es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung geboten erscheine, dem Höchstgericht ein Aufgreifen der aufgezeigten Rechtsfrage zu ermöglichen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mangels Erörterung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu bestimmten Rechtsfragen begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (vgl nur RIS-Justiz RS0042656), insbesondere wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft oder im Wege einfacher Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden kann (T32). Gleiches muss gelten, wenn der Kläger zwar eine bestimmte Rechtsfolge anstrebt, aber - wie hier - nicht in der Lage ist, diese aus Normen der österreichischen Rechtsordnung abzuleiten. Für den vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass der Revisionswerber in den gesamten 15 Seiten seiner Rechtsmittelschrift keinen einzigen Paragrafen, ja nicht einmal ein Gesetz, anführt, das die Grundlage für die von ihm erhobenen Schadenersatzansprüche sein könnte.

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, wirft der Kläger der Beklagten offenbar die Unterlassung seiner Ansicht nach gebotenen hoheitlichen Handelns vor; eine solche wäre grundsätzlich geeignet, Amtshaftungsansprüche zu begründen. So führt er etwa aus, die Beklagte sei „als Repräsentant des Bundes/Staates zu sehen - zuständig für das ihr zur Verwaltung auferlegte Gemeindegebiet“; die Beklagte sei zwar nicht Halter der über die Ufer tretenden Donau, wohl aber „Hüter der Gemeindeeinwohner und deren Eigentum“, sie wisse um die Gefahr, könne sie beherrschen und sei wohl auch „als Gebietskörperschaft und den Bund bei der Verwaltung unterstützende Rechtspersönlichkeit“ dazu verpflichtet. Der Hochwasserschutz falle in ihren Bereich, weil die Beklagte „die öffentliche Hand repräsentiert, sie ist übergeordnete Verwalterin, eine Gebietskörperschaft, deren Aufgabe es ist, staatliche Gesetze und Rechtsprechung zu vollziehen, die Interessen der Einwohner zu vertreten, das öffentliche Gut zu verwalten“. Die Beklagte sei also umfassend auch verpflichtet, die sie treffende „Fürsorgeverpflichtung“ gegenüber den Einwohnern wahrzunehmen.

Ein Amtshaftungsanspruch scheidet aber bereits deshalb aus, weil dieses gemäß § 1 Abs 1 AHG ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten „in Vollziehung der Gesetze“ voraussetzt. Schon das Berufungsgericht hat aber - vom Kläger unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass er schon in der Berufung gar nicht mehr in Zweifel gezogen hat, dass ein Schutzgesetz, das die Beklagte zur Vorkehrung gegen Hochwasser verpflichtet, nicht besteht. Besteht nun aber keine gesetzliche Verpflichtung zu bestimmten (hoheitlichen) Handlungen, kann deren Unterlassen auch kein rechtswidriges Verhalten in Vollziehung der Gesetze bilden.

Soweit der Revisionswerber allerdings auf Rechtsprechung verweist, die außerhalb hoheitlicher Tätigkeit zu Konstellationen ergangen ist, die das rein privatrechtliche Verhältnis von Rechtssubjekten zueinander betreffen, beziehen sich diese auf ganz andere Situationen, nämlich etwa die Haftung aus der Verletzung von durch Ingerenz begründeten Verkehrssicherungspflichten oder einem Nachbarschaftsverhältnis. Dass diese Rechtsgedanken auf den vorliegenden Fall nicht passen, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Die fehlenden Tatbestandsmerkmale können auch nicht durch den bloßen Umstand, dass es sich bei der Beklagten um eine Gebietskörperschaft handelt, ersetzt werden, was der Kläger - wenn auch ohne vertretbare sachliche Begründung - offenbar im Auge hat. Ist im Allgemeinen niemand verpflichtet, seine Liegenschaft in einem solchen Zustand zu halten, dass der Nachbar gegen von außen kommende Einwirkungen geschützt ist (RIS-Justiz RS0037997), so ist nicht zu erkennen, inwieweit eine solche Verpflichtung die Beklagte treffen sollte, deren Nachbarstellung der Revisionswerber nicht einmal behauptet und die damit bei privatrechtlicher Betrachtung noch erheblich weiter von der Gefahrenbeherrschung entfernt ist als der unmittelbare Nachbar. Der Kläger vermag auch nicht zu begründen, warum der allgemeine Grundsatz, nach dem kein Grundstückseigentümer verpflichtet ist, den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf ein benachbartes Grundstück gelangt (RIS-Justiz RS0010546) gegenüber der Gemeinde, in deren Gebiet sich die beeinträchtigte Liegenschaft befindet, geradezu in sein Gegenteil verkehrt werden sollte, obwohl die Gemeinde nicht einmal Eigentümerin jener Grundflächen ist, von denen die Gefahr ihren Ausgang nimmt.

Da der Revisionswerber somit insgesamt nicht einmal andeutet, aus welchen privatrechtlichen Normen sich eine Haftung der Beklagten für die in seinem Eigentum eingetretenen Hochwasserschäden allenfalls ergeben könnte, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich ihre Revisionsbeantwortung als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.

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