Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
1. im den Angeklagten Markus S***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), demzufolge auch der Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO,
2. in den Schuldsprüchen des Markus M***** wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG sowie nach § 27 Abs 1 Z 2 zweiter Fall SMG (A./IV./), demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (nicht aber im Einziehungserkenntnis betreffend das Suchtgift) und im Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe sowie auf Erteilung einer Weisung, und
3. im Ausspruch der Einziehung von „Suchtmittelutensilien (wie in ON 5 in ON 47) aufgelistet“
aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen, und zwar in Betreff des kassierten Schuldspruchs A./IV./ mit dem Auftrag, nach § 37 SMG vorzugehen, im Übrigen zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Armin N***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Markus M***** wird mit seiner Berufung und der Beschwerde auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.
Den Angeklagten Armin N***** und Markus M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Armin N***** und unangefochten gebliebene Schuldsprüche des Markus S***** enthält, wurden Markus S*****, Armin N***** und Markus M***** jeweils zu A./ des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 (I./A./1./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./A./2./), der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (I./A./3./) und der Bestimmung zur falschen Beweisaussage nach (richtig:) §§ 15 Abs 2, 12 zweiter Fall, 288 Abs 4 StGB (I./A./4.), zudem Markus S***** und Markus M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./B./), Markus S***** auch der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./C./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./a-c), Armin N***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III./) sowie Markus M***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG sowie nach § 27 Abs 1 Z 2, Abs 2 SMG (IV./) schuldig erkannt.
Danach haben in Salzburg - zusammengefasst und soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - jeweils zu A./
I./ am 27. Mai 2011
A./ Markus S*****, Armin N***** und Markus M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Jakob U*****
2./ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, und zwar Ankündigung von weiteren Schlägen, Tritten und dem Umbringen, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden (geschlechtlichen) Handlung, nämlich zum Einführen eines Vibrators in den eigenen Anus und Mund genötigt;
3./ die persönliche Freiheit entzogen, indem sie ihn in die Wohnung des Markus M***** einsperrten und äußerten, er müsse hier bleiben, sollte er versuchen zu flüchten, würden sie ihn umbringen oder schwer verletzen;
B./ Markus S***** und Markus M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Jakob U***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, und zwar mit dem Umbringen, dessen Laptop abgenötigt;
IV./ Markus M***** am 16. Dezember 2010 ausschließlich zum eigenen Gebrauch den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift
1./ erworben und besessen, und zwar etwa drei Gramm Marihuana;
2./ zu „erzeugen versucht“ (richtig: angebaut; vgl auch die zutreffende rechtliche Unterstellung unter § 27 Abs 1 Z 2 SMG), und zwar neun Cannabispflanzen in einer Indoorplantage zum Zweck der Suchtgiftgewinnung.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Schuldsprüche A./I./A./2./, A./I./A./3./ und A./I./B./ richten sich die (erkennbar) auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützten - als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichneten - und gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Armin N***** und Markus M*****. Sie verfehlen ihr Ziel.
Soweit Armin N***** nach dem auf Freispruch gerichteten Rechtsmittelvorbringen ausdrücklich auch den ihn nicht umfassenden Schuldspruch A./I./B./ bekämpft, fehlt ihm die Rechtsmittellegitimation.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).
Da die tatbestandsmäßiges Verhalten bestreitenden Rechtsrügen (der Sache nach Z 9 lit a) von den als Schutzbehauptung gewerteten Angaben der Angeklagten (US 22 ff) und damit nicht von den Feststellungen (US 11-13) ausgehen, verfehlen sie die dargelegten Anfechtungskriterien. Damit entzieht sich das Vorbringen einer meritorischen Erwiderung.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen, aber angemeldeten (ON 57) Berufungen wegen Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) - bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) sowie die Beschwerde des Angeklagten Armin N***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Obersten Gerichtshof davon, dass dem Urteil nicht geltend gemachte, zum Nachteil des Angeklagten Markus M***** und des zum Tatzeitpunkt jugendlichen Angeklagten Markus S***** (der selbst keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat) von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe anhaften (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Die Markus S***** betreffende Strafe wurde entgegen der einen Entfall des Mindestmaßes anordnenden Bestimmung des § 5 Z 4 JGG unter Berücksichtigung einer Mindeststrafe von einem Jahr ausgemessen (US 30; § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO - vgl RIS-Justiz RS0125243).
Demgegenüber wurde beim jungen Erwachsenen Armin N***** zu dessen Gunsten vom Entfall einer Strafuntergrenze ausgegangen.
Der Markus M***** betreffende Schuldspruch A./IV./ ist mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10a StPO behaftet. Mit Blick auf die Feststellung von ausschließlich zum persönlichen Gebrauch nach § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG begangenen Straftaten wären zwingend die Diversionsbestimmungen nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG anzuwenden, demzufolge grundsätzlich eine Auskunft sowie eine Stellungnahme gemäß § 35 Abs 3 Z 1 und Z 2 SMG und die Zustimmung des Angeklagten zu allfällig notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen (§ 35 Abs 6 SMG) einzuholen gewesen. Feststellungen, die die Nichtanwendung der Diversion tragen könnten, finden sich im Urteil nämlich nicht.
Im Übrigen stellt § 27 Abs 1 Z 2 SMG den Anbau (auch) von Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung gesondert unter Strafe. Damit wird klargestellt, dass die Anpflanzung nicht (mehr) als Versuchsbeginn des Erzeugens anzusehen ist (RIS-Justiz RS0124029).
Schließlich fehlt es dem Ausspruch über die Einziehung nicht näher bezeichneter „Suchtgiftutensilien (wie in ON 5 in ON 47)“ an korrespondierenden Urteilsannahmen (vgl US 15; „diverse Suchtmittelutensilien aufgefunden“), insbesondere zur Beurteilung der von § 26 Abs 1 StGB als Voraussetzung für die Einziehung genannten besonderen Beschaffenheit der Gegenstände (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; RIS-Justiz RS0121298; Ratz in WK² § 26 Rz 6, 12; Schwaighofer in WK² SMG § 34 Rz 12 f). Der lediglich im Spruch erfolgte Verweis auf Aktenbestandteile vermag die gebotenen Feststellungen nicht zu ersetzen.
Die aufgezeigten Rechtsfehler erforderten die Aufhebung des Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich und die Verweisung der Sache im Umfang der Kassation an das Landesgericht Salzburg zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Hinsichtlich des Beschlusses nach §§ 50 ff StGB (den das Erstgericht übrigens ohne gesetzliche Grundlage gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigt hat) war demzufolge ebenso vorzugehen.
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten Armin N***** und Markus M***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die amtswegige Maßnahme ist davon nicht erfasst.
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