OGH 8ObA9/12z

OGH8ObA9/12z28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M***** P*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Dezember 2011, GZ 13 Ra 30/11a-74, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Mit den Ausführungen zu den behaupteten Verfahrensmängeln zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Zu den Verdienstmöglichkeiten des Klägers als Nachhilfelehrer ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts im Verein mit seiner Beweiswürdigung ausreichend deutlich, dass es von einem möglichen Zusatzentgelt des Klägers in Höhe der konkret festgestellten Geringfügigkeitsgrenze ausgeht. Aufgrund dieser erschließbaren (positiven) Feststellung ist ein Rückgriff auf die Beweislast für die wesentliche Interessenbeeinträchtigung entbehrlich. Es liegen auch keine sekundären Feststellungsmängel vor.

Zu den finanziellen Belastungen des Klägers hat das Erstgericht ebenfalls ausreichende Feststellungen getroffen. Insbesondere hat es auch die Höhe der Fixkosten und der Wohnungskosten des Klägers festgestellt. In dieser Hinsicht ist die „Deutung als Negativfeststellungen“ ebenfalls entbehrlich.

2.1 Die Grundsätze für die Beurteilung der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des gekündigten Arbeitnehmers (als erster Schritt im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) hat das Berufungsgericht zutreffend dargestellt (vgl dazu RIS-Justiz RS0051746; RS0051640). Die Gewichtung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Kündigung für den Arbeitnehmer kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls erfolgen (RIS-Justiz RS0110944).

Richtig ist der Hinweis des Berufungsgerichts, dass bei der Beurteilung nicht auf starre Prozentsätze der Einkommensminderung abgestellt werden kann. Vielmehr ist auch auf die primäre Funktion des Tatbestandsmerkmals der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen Bedacht zu nehmen. Diese besteht darin, den Kündigungsschutz jenen Arbeitnehmern zu gewähren, die auf ihren Arbeitsplatz zur Deckung ihrer wesentlichen Lebenshaltungskosten angewiesen sind (8 ObA 59/10z mwN). Es ist daher zu fragen, ob von einer fühlbaren, ins Gewicht fallenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Klägers zur Bestreitung der wesentlichen Kosten seiner bisherigen Lebensführung auszugehen ist (8 ObA 95/11w mwN).

2.2 Soweit der Kläger in der außerordentlichen Revision das Einkommen aus seinen beiden Tätigkeiten sowie davon ausgehend die prozentuelle Einkommensminderung durch die in Rede stehende Kündigung neu berechnet, weicht er von der Sachverhaltsgrundlage ab. Das Erstgericht hat das vom Kläger bezogene Einkommen ausdrücklich festgestellt. Zudem ergeben sich aus den Feststellungen nicht mehr als übliche finanzielle Verpflichtungen des Klägers, wobei er mit keinen Sorgepflichten und relativ geringen Wohnungskosten belastet ist. Diese günstige Situation wird durch die vom Kläger ins Treffen geführte Berücksichtigung der Fahrtkosten ausgeglichen. Außerdem wird in der außerordentlichen Revision auf die finanziellen Belastungen des Klägers nicht näher eingegangen.

Im Anlassfall ist zu berücksichtigen, dass die berufliche Situation des Klägers nicht den typischen Fall betrifft, der nach der Zielrichtung des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG der Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit zugrunde liegt. Mit der zu beurteilenden Kündigung ist eine nur untergeordnete (Neben-)Tätigkeit weggefallen. Mit Rücksicht auf die zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten des Klägers aus Nachhilfetätigkeiten und unter Bedachtnahme auf die relevanten, vom Erstgericht festgestellten wirtschaftlichen und sozialen Komponenten, stellt die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Kläger habe eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Interessen nicht darlegen können, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

Auf die Tätigkeit des Klägers in Bad Aibling muss nicht mehr Bedacht genommen werden. Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass der Kläger für die Schuljahre 2008/2009 und 2009/2010 eine gut bezahlte Ganztagsstelle als Studienrat auf Zeit erhielt. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, dass künftige Ereignisse, die nach Ende des Arbeitsverhältnisses eintreten, oder Entwicklungen, die in diesem Zeitraum stattfinden, dann zu berücksichtigen sind, wenn sie die Richtigkeit der im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses abgegebenen Prognose über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Kündigung betreffen. Ein nur befristetes Arbeitsverhältnis schließt eine Interessenbeeinträchtigung aber nicht aus (vgl 8 ObA 59/10z).

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte