OGH 12Os178/11k

OGH12Os178/11k31.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Frank T***** wegen Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 24 U 59/11m des Bezirksgerichts Dornbirn, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des genannten Gerichts vom 24. August 2011, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren des Bezirksgerichts Dornbirn, AZ 24 U 59/11m, verletzt der Beschluss vom 24. August 2011, soweit darin gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der Frank T***** mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juli 2010, GZ 30 BE 148/10k-4, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde, das Gesetz in § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Der Beschluss wird in Punkt 1./ aufgehoben und dem Vorsitzenden im Verfahren AZ 20 Hv 86/10y des Landesgerichts Feldkirch aufgetragen, über den Widerruf der Frank T***** mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juli 2010, GZ 30 BE 148/10k-4, gewährten bedingten Entlassung sowie der vom Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 21. Juni 2010, GZ 20 Hv 86/10y-22, gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht gemeinsam zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 21. Juni 2010, GZ 20 Hv 86/10y-22, wurde (unter anderem) der jugendliche Frank T***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten verurteilt, wovon ein Teil von vierzehn Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Aufgrund des Beschlusses des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juli 2010, GZ 30 BE 148/10k-4, wurde Frank T***** (nach Verbüßung von drei Monaten) am 17. August 2010 aus dem Vollzug des unbedingten Teils dieser Freiheitsstrafe bedingt entlassen und die Probezeit mit einer Dauer von drei Jahren bestimmt.

Wegen neuerlicher Delinquenz verurteilte das Landesgericht Feldkirch Frank T***** mit Urteil vom 5. November 2010, AZ 20 Hv 152/10d, zu einer Geldstrafe und mit Urteil vom 10. Jänner 2011, AZ 20 Hv 172/10w, unter Bedachtnahme auf das letztgenannte Urteil zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 20 Hv 86/10y sowie der bedingten Entlassung zu AZ 30 BE 148/10k, je des Landesgerichts Feldkirch, wurde abgesehen, jedoch die dort bestimmten Probezeiten auf je fünf Jahre verlängert (Strafregisterauskunft ON 10 in AZ 24 U 59/11m des Bezirksgerichts Dornbirn).

Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 27. April 2011, AZ 51 Hv 36/11z, wurde der Genannte mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Ein Widerruf der vom Landesgericht Feldkirch zu AZ 20 Hv 86/10y und AZ 30 BE 148/10k gewährten Rechtswohltaten erfolgte nicht (Strafregisterauskunft ON 10 in AZ 24 U 59/11m).

Zuletzt wurde Frank T***** mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 24. August 2011, GZ 24 U 59/11m-14, mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür - unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das zu AZ 51 Hv 36/11z des Landesgerichts Feldkirch ergangene Urteil - zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt. Gleichzeitig fasste das Bezirksgericht Dornbirn den - sodann entgegen § 494a Abs 4 zweiter Satz StPO gesondert ausgefertigten (ON 17) - Beschluss (S 13 in ON 13), die zu GZ 30 BE 148/10k-4 des Landesgerichts Feldkirch als Vollzugsgericht gewährte bedingte Entlassung (aus dem zu AZ 20 Hv 86/10y des Landesgerichts Feldkirch unbedingt verhängten Strafteil) zu widerrufen (1./), die Entscheidung über den Widerruf der bedingten Nachsicht derselben Strafe „gemäß § 494a Abs 2 StPO“ - im Hinblick auf das Ausmaß des ein Jahr übersteigenden Strafrestes - jedoch dem Urteilsgericht vorzubehalten (2./).

Eine dagegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 19) wurde als verspätet zurückgewiesen (ON 21).

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht Punkt 1./ des Beschlusses des Bezirksgerichts Dornbirn vom 24. August 2011, S 13 in GZ 24 U 59/11m-13 (ident mit ON 17), mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Nach dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, in den Rechtsbestand eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem gemäß § 43a Abs 3 oder 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn nicht zugleich in Ansehung des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe ein Widerruf ausgesprochen wird (vgl RIS-Justiz RS0125448). Vorliegend hat das Bezirksgericht Dornbirn in seinem - gemeinsam mit dem Urteil verkündeten, aber entgegen § 494a Abs 4 zweiter Satz StPO gesondert ausgefertigten (ON 17) - Beschluss vom 24. August 2011, S 13 in GZ 24 U 59/11m-13, (zu 1./) den Widerruf der bedingten Entlassung des Frank T***** aus dem verbleibenden Strafrest (im Ausmaß von drei Monaten) zu GZ 30 BE 148/10k-4 des Landesgerichts Feldkirch als Vollzugsgericht ausgesprochen, jedoch (zu 2./) die Entscheidung über den Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils derselben Freiheitsstrafe (im Ausmaß von vierzehn Monaten) dem Landesgericht Feldkirch „vorbehalten“ und damit die Bestimmung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB verletzt.

Der hier ausgesprochene, bloß partielle Widerruf von Rechtswohltaten ein- und derselben Sanktion widerspricht dem gesetzlich vorgesehenen Ausschluss der eigenständigen Behandlung von (bedingt nachgesehenem) Strafteil und (nach bedingter Entlassung verbliebenem) Strafrest (RIS-Justiz RS0125448 [T1]; Jerabek in WK2 § 53 Rz 4a). Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten Frank T***** ausgewirkt hat, war deren Feststellung auch mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO):

§ 53 Abs 1 zweiter Satz StGB statuiert den (ausschließlich) gemeinsamen Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils einer Freiheitsstrafe und der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil, ohne dass die Verfahrensordnung jener Fälle gedächte, in denen dieser gemeinsame Widerruf durch das hiezu nach § 494a StPO berufene Gericht gemäß Abs 2 erster Satz leg cit ausgeschlossen ist, weil eine in die Kompetenz des Bezirksgerichts fallende Nachdelinquenz Anlass für die Entscheidung nach § 494a StPO bietet und (auch) einen Strafteil von über einem Jahr betrifft. Diesbezüglich verwehrt § 494a Abs 2 StPO dem Bezirksgericht eine Widerrufsentscheidung und ordnet den Ausspruch an, die Entscheidung dem sonst zuständigen Gericht vorzubehalten, was die - von § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB geforderte - gemeinsame Entscheidung hindert. Da dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden kann, bei in die Kompetenz des Bezirksgerichts fallender Nachdelinquenz den (nach materiellem Recht zulässigen) Widerruf von Strafteilen von über einem Jahr prozessual auszuschließen, ist bei dieser Konstellation die Zuständigkeit jenes Gerichts, das in erster Instanz die teilbedingte Strafnachsicht ausgesprochen hat, sowohl zur Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht als auch zur Entscheidung über die bedingte Entlassung aus dem unbedingten Strafteil anzunehmen (12 Os 26/10f [RZ 2011, 94]; Jerabek, WK-StPO § 495 Rz 1).

Solcherart war gemäß § 292 letzter Satz StPO der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 24. August 2011, S 13 in GZ 24 U 59/11m-13 (ident mit ON 17), in seinem Punkt 1./ aufzuheben und dem Vorsitzenden im Verfahren AZ 20 Hv 86/10y des Landesgerichts Feldkirch aufzutragen, über den Widerruf der Frank T***** mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juli 2010, AZ 30 BE 148/10k, gewährten bedingten Entlassung sowie der vom Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 21. Juni 2010, GZ 20 Hv 86/10y-22, gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht gemeinsam zu entscheiden.

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