OGH 9ObA132/11v

OGH9ObA132/11v30.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. K***** M*****, vertreten durch Gass & Sutter Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Evangelisches Diakoniewerk G***** als Rechtsträger des A.ö. Diakonissen-Krankenhauses S*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtanwälte in Linz, wegen 5.417,30 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 2011, GZ 6 Ra 35/11f-20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagte ist Rechtsträgerin des A.ö. Diakonissen-Krankenhauses (DKH) S*****. Die Klägerin war von 1. 1. 2004 bis 28. 2. 2006 bei der Beklagten als Turnusärztin beschäftigt und als solche im „Ärzteschema S Gruppe 1 Stufe 2“ eingestuft. Bereits in jenem Dienstvertrag befand sich ein Hinweis auf die zwischen der Beklagten und der Ärztekammer für Steiermark abgeschlossenen „Dienstrechtlichen Rahmenvereinbarungen für die im Diakonissenkrankenhaus S***** angestellten Ärzte“.

Seit 1. 1. 2008 ist die Klägerin bei der Beklagten als Ärztin beschäftigt. Pkt VI ihres Dienstvertrags lautet:

„Die Einstufung des Dienstnehmers erfolgt ab 1. 1. 2008 in die Gehaltsgruppe S1/Stufe 7 des Ärztebezugsschemas.

Der Dienstnehmer erhält das Monatsentgelt nach den Bestimmungen der dienstrechtlichen Rahmenbedingungen für die im Diakonissenkrankenhaus S***** angestellten Ärzte in der jeweils gültigen Fassung - diese Vereinbarung ist beim jeweiligen Abteilungsvorstand und im Personalbüro einsehbar. Die variablen Zuschläge für Nachtdienste werden analog zu den derzeit gültigen Bestimmungen der Spitalsärzte der Landeskrankenanstalten Steiermark berechnet.“

Die genannten dienstrechtlichen Rahmenbedingungen (Stand 1. 8. 1996/1. 1. 2000) enthalten ua das in 27 Entlohnungsstufen bestimmte Monatsentgelt eines Arztes (§ 5) sowie eine Valorisierungsklausel (§ 11). Das jeweilige Monatsentgelt entsprach - da seitens der Ärztekammer für Steiermark eine Angleichung des Entgelts der Ärztinnen und Ärzte an jenes des landesbediensteten Arztpersonals beabsichtigt war - jenem der Stufen 1 - 27 des für landesbedienstete Ärzte geltenden landesgesetzlichen „S I - Entlohnungsschemas“ (s Berufungsurteil S 15). Die Valorisierungsklausel lautete: „Das Entgelt sowie sämtliche Zulagen und Nebengebühren werden jeweils an die Veränderungen der Bezüge der Landesbediensteten hinsichtlich ihrer prozentuellen Erhöhung angepasst.“

Die Vorinstanzen erachteten den Anspruch der Klägerin auf 5.417,30 EUR brutto sA an Entgeltdifferenz aus der von der Beklagten unterlassenen Valorisierung der für landesbedienstete Ärzte geltenden Entgelterhöhung für berechtigt, weil die Valorisierungsbestimmung des § 11 nur so verstanden werden könne, dass prozentuell bedingte Erhöhungen der Bezüge der landesvertragsbediensteten Ärzte und Ärztinnen von der Beklagten zu übernehmen seien. Auch der Verweis im Dienstvertrag auf die „Gehaltsgruppe S1/Stufe 7 des Ärztebezugsschemas“ habe von der Klägerin nur als Hinweis auf das Entlohnungsschema S I der landesvertragsbediensteten Ärzte und Ärztinnen in § 192 Abs 1 L-DBR verstanden werden können, nicht aber auf ein davon abweichendes Entlohnungsschema der Beklagten, auf das die Klägerin auch nicht hingewiesen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist unzulässig.

Ob ein Vertrag im Einzelnen richtig ausgelegt wurde, stellt grundsätzlich nur dann eine der Revision zugängliche erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936), das der höchstgerichtlichen Korrektur bedürfte. Das ist hier nicht der Fall:

Die Beklagte meint zur Auslegung der dienstrechtlichen Rahmenvereinbarung, die Anbindung der Entlohnung der Ärztinnen und Ärzte des Diakonissen-Krankenhauses S***** an das Gehaltsschema der landesbediensteten Ärzte sei nicht Vertragsinhalt der Rahmenbedingungen geworden. Schon angesichts des auf Dienstverhältnisse von Ärzten des Diakoniewerks S***** (und G*****) beschränkten Anwendungsbereichs ist die Auslegung der Vorinstanzen jedoch nicht zu beanstanden. Redlichen Parteien kann auch nicht unterstellt werden, anstelle der angestrebten gehaltstechnischen Gleichstellung der Ärzte des Diakonissen-Krankenhauses S***** mit den Landesärzten nur deren Angleichung an alle übrigen Landesbediensteten, somit an eine Mehrzahl nicht-medizinischer Berufe, zu vereinbaren. Ein derartiges Verständnis würde auch dann, wenn eine Lohnerhöhung bei den einzelnen Landesbedienstetengruppen unterschiedlich ausfallen sollte, zu kaum bewältigbaren Zuordnungsproblemen führen.

Die Beklagte kann sich für ihren Standpunkt auch nicht auf die Zweifelsregel des § 915 erster Halbsatz ABGB stützen, weil diese unter der Voraussetzung eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts erst dann herangezogen werden kann, wenn - anders als hier - mit den Regeln des § 914 ABGB kein klares Ergebnis erzielt werden kann (s nur Bollenberger in KBB3 § 915 Rz 1 mwN).

Soweit sie sich mit dem Argument, dass die grundlegende landesgesetzliche Änderung des Dienst- und Besoldungsrechts im Jahr 2006 unvorhersehbar gewesen sei, auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, so steht diesem Einwand - ungeachtet dessen, dass er erst in der Revision erhoben wurde - schon die vom Berufungsgericht aufgezeigte Aufkündbarkeit der Rahmenvereinbarung (§ 17) entgegen. Die Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage darf nämlich nur als letztes Mittel herangezogen werden (Bollenberger, aaO § 901 Rz 8 mwN).

Schließlich bedarf auch die Auslegung des Verweises auf die „Gehaltsgruppe SI/Stufe 7 des Ärztebezugsschemas“ im Dienstvertrag der Klägerin keiner Korrektur. Die Beklagte hat dazu keine hinreichenden Umstände dargelegt, aus denen die Klägerin aus der Sicht einer redlichen Erklärungsempfängerin schließen hätte müssen, dass sich dieser Verweis nicht auf das aktuelle landesgesetzliche Entlohnungsschema für Ärzte beziehen sollte.

Danach haben die Vorinstanzen auch den Zinsenzuspruch zu Recht auf § 49a erster Satz ASGG gestützt.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

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