Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der im Schuldspruch I./A./ des Imre G*****, der Susa D***** und der Ingrid S***** vorgenommenen Subsumtion auch unter § 129 Z 2 StGB sowie in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, in der im Schuldspruch des Tamas J***** und der Ida Su***** I./A./I./4./ vorgenommenen Subsumtion unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB, im Schuldspruch der Ingrid S***** I./A./II./1./, in den Schuldsprüchen des Imre G*****, der Susa D***** und der Ingrid S***** zu I./B./ zur Gänze, demzufolge auch in sämtlichen Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung, ebenso der unter einem hinsichtlich Imre G***** gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Der Angeklagte Imre G***** wird mit seiner auf die aufgehobenen Schuldsprüche bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Imre G***** und Susa D***** sowie die Staatsanwaltschaft, der Erstgenannte auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten Imre G***** und Susa D***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Freisprüche der Angeklagten enthält, wurden
Imre G***** mehrerer Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, „teils“ durch Einbruch nach §§ 12, 127, 128 Abs 2, 129 Z 2, 130 dritter Fall, 15 StGB (I./A./), mehrerer Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (I./B./I./ [zu ergänzen: I./B./II./3./]), des Vergehens (richtig: der Vergehen) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./C./), des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz, Abs 2 zweiter Fall StGB (I./D./) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (I./E./),
Susa D***** mehrerer Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, „teils“ durch Einbruch nach §§ 12, 127, 128 Abs 2, 129 Z 2, 130 dritter Fall, 15 StGB (I./A./), mehrerer Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I./B./), des Vergehens (richtig: der Vergehen) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./C./), des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1, erster Satz, Abs 2 zweiter Fall StGB (I./D./) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (I./E./),
Ingrid S***** mehrerer Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, „teils“ durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2, 130 dritter Fall und 15 StGB (I./A./), mehrerer Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I./B./), des Vergehens (richtig: der Vergehen) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./C./) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (I./E./) sowie
Tamas J***** und Ida Su***** jeweils des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB (I./A./I./4./)
schuldig erkannt.
Danach haben (zusammengefasst und soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung)
I./ in Wien und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)
A./ fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz im Urteil genau bezeichneten Gewahrsamsträgern weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar zwischen 3. Juni 2009 und 1. September 2010 Imre G*****, Susa D***** und Ingrid S***** teils durch Einbruch (I./A./1./ lit a und b; I./A./I./3./ lit a, vgl US 26) in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert (I./ und II./), am 12. August 2010 Tamas J***** und Ida Su***** in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert (I./A./I./4./), wobei Imre G*****, Susa D*****, Ingrid S***** auch in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 13);
B./ im August 2010 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Imre G***** gewerbsmäßig, Susa D***** und Ingrid S***** auch in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Urteil genannten Personen durch im Urteil bezeichnete falsche Vorgaben, sohin durch Täuschung, zur Übergabe von Bargeldbeträgen verleitet (I./) und zu verleiten versucht (II./), die diese am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, wobei der Susa D***** und Ingrid S***** betreffende Vermögensschaden 3.000 Euro übersteigen sollte.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof - wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt - dass der angefochtenen Entscheidung den Angeklagten zum Nachteil gereichende, nicht geltend gemachte, demnach von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO anhaften:
Die rechtliche Unterstellung der zu I./A./ und B./ referierten Taten unter mehrere Verbrechen bei gleichzeitiger Bildung einer Subsumtionseinheit bzw die Bildung mehrerer Subsumtionseinheiten widerspricht jeweils der Bestimmung des § 29 StGB (Ratz in WK² § 29 Rz 5; RIS-Justiz RS0112520).
Darüber hinaus vermögen die Feststellungen zu den Fakten I./A./ die Annahme der Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB nicht zu tragen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Die im Spruch zu I./A./I./1./ lit b angeführte Wegnahme von Bargeld durch Aufbrechen eines Holzkästchens findet in den Entscheidungsgründen keine kongruente Feststellung (vgl US 20). Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die Feststellungen der Entscheidungsgründe zwar zu verdeutlichen, nicht aber zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 271 und 580). Die zu den Schuldsprüchen I./A./I./1./ lit a und b sowie zu I./A./I./3./ lit a vertretene Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach der Diebstahl eines Möbeltresors, einer Handkassa oder eines Standtresors aus keinem anderen nachvollziehbaren Grund als zum Aufbruch erfolgen könne (US 26), zur Rechtfertigung der Annahme der Qualifikation verkennt, dass die Wegnahme des gesamten Behältnisses, um dieses anderswo aufzubrechen oder zu öffnen, nicht unter die Qualifikationsnorm des § 129 Z 2 StGB fällt, weil die Überwindung der Sperrvorrichtung das Mittel der Sachwegnahme sein und demnach am Tatort erfolgen muss (vgl Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 129 RN 70; Fabrizy, StGB10 § 129 Rz 2; RIS-Justiz RS0094099). Sonstige die Annahme der Qualifikation tragende Feststellungen sind den Entscheidungsgründen (vgl US 19 und 21) nicht zu entnehmen. Der Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) führt zur Aufhebung der Annahme der Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB.
Die Tamas J***** und Ida Su***** betreffenden Feststellungen zu Faktum I./A./I./4./ stellen in subjektiver Hinsicht nicht auf schweren Diebstahl ab (US 20) und vermögen demnach die vorgenommene Subsumtion unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB nicht zu tragen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).
Zu I./A./II./1./ lit b und c sind dem Urteil in Ansehung einer Tatbeteiligung auch der Ingrid S***** keine Feststellungen zu entnehmen (vgl US 21 erster und dritter Absatz: „Täter waren Valentino F*****, Susa D***** und als Fahrer Imre G*****“). Demnach waren diese Schuldsprüche aufzuheben.
Die erstgerichtlichen Feststellungen zu den Betrugsfakten I./B./ (vgl US 21) werden in subjektiver Hinsicht nicht einmal den Erfordernissen des Grundtatbestands gerecht, der die Annahme eines Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatzes verlangt. Zur Anwendung der Qualifikationsnorm des § 147 Abs 2 StGB und des zweiten Falls des § 148 StGB wären überdies auf schweren Betrug abstellende Konstatierungen erforderlich gewesen. Demnach waren die die Angeklagten Imre G*****, Susa D***** und Ingrid S***** betreffenden Schuldsprüche zu I./B./ zur Gänze zu kassieren (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).
Zu einem amtswegigen Vorgehen in Ansehung des Schuldspruchs zu C./ bestand mit Blick auf den sich zum Vorteil der Angeklagten auswirkenden Subsumtionsfehler hingegen kein Anlass. Es sei aber festgehalten, dass Tatobjekt des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung jede einzelne Urkunde ist, über die der Täter nicht oder nicht allein verfügen darf. Für ein Begriffsverständnis als Gesamtmenge der durch die eine tatbestandliche Handlungseinheit erfassten Gegenstände - wie etwa beim Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB - besteht im Fall des § 229 Abs 1 StGB keine Grundlage. Werden durch ein und die selbe Tat mehrere Urkunden unterdrückt, liegen ebenso viele Vergehen nach § 229 Abs 1 StGB in gleichartiger Idealkonkurrenz vor (RIS-Justiz RS0118718).
Mit seiner gegen I./B./II./3./ gerichteten Mängelrüge und seiner gegen I./A./I./1./ lit a und I./A./I./3./ lit a gerichteten Subsumtionsrüge, die die Annahme der Einbruchsqualifikation bekämpft, war der Angeklagte Imre G***** auf die Kassation zu verweisen.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die das Betrugsfaktum I./B./II./3./ betreffende Mängelrüge auf zwei Schreibfehler (Fe***** statt Go***** bzw A./I./1./ lit c statt A./II./1./ lit c [US 21]) in der Urteilsausfertigung zurückzuführen ist.
Zur Subsumtionsrüge ist festzuhalten, dass eine verfehlte (an sich richtig aufgezeigte) rechtliche Beurteilung, die weder einen Freispruch von dieser Tat noch eine Veränderung der nach § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit nach sich zöge (der Rechtsmittelwerber beanstandet die Einbruchsqualifikation zu I./A./I./1./b./ nicht) einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS-Justiz RS0120980). Wenngleich die einzelnen Straftaten rechtlich selbständig bleiben und demgemäß die Strafbarkeitsvoraussetzung oder die Rechtskraftwirkung für jede gesondert zu prüfen sind - weshalb auch Teilfreisprüche möglich sind - bleibt Gegenstand der Subsumtionsrüge nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO allein die Subsumtionseinheit. Die Mängelrüge setzt gleichfalls voraus, dass sich die behaupteten Begründungsmängel entweder auf die Strafbarkeit der Einzeltat oder die rechtliche Beurteilung der Subsumtionseinheit auswirken (RIS-Justiz RS0120980 [T1]).
Im Übrigen kommt den auf Z 5a (von Imre G***** auch auf Z 5) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Imre G*****:
Die Mängelrüge ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370).
Diesen Anfechtungskriterien wird die in Bezug auf einzelne Diebstahlsfakten eine unzureichende bzw fehlende Begründung monierende Beschwerde (Z 5 vierter Fall) nicht gerecht, weil sie die auf die Angaben des Mitangeklagten Valentino F***** gegründeten Erwägungen der Tatrichter schlicht übergeht (US 24). Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes setzt bei mehreren gleichartigen, schadens- oder wertqualifizierten Taten darüber hinaus voraus, dass sich die behaupteten Begründungsmängel entweder auf die Strafbarkeit der Einzeltat oder die rechtliche Beurteilung der zu bildenden Subsumtionseinheit auswirken (RIS-Justiz RS0120980). Demzufolge spricht die Mängelrüge, soweit sie lediglich einzelne Fakten in Bezug auf Schadensbeträge und Art der gestohlenen Gegenstände als divergierend bekämpft, keine entscheidenden Tatsachen an.
Der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS-Justiz RS0102162, RS0098336).
Nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) berechtigen das Gericht nicht nur zwingende, sondern auch den Denkgesetzen nicht widersprechende Schlüsse zu Tatsachenfeststellungen. Wenn daher aus den formell einwandfrei ermittelten Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für ungünstigere entschieden haben, liegt ein aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO unanfechtbarer Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung vor.
Der Schöffensenat hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Imre G***** auf die für glaubwürdig befundenen ursprünglichen Angaben des Mitangeklagten Valentino F***** gegründet. Der späteren Behauptung, Imre G***** sei erst nach der Geburt seines Kindes Fahrer und Tatbeteiligter gewesen, schenkte das Erstgericht hingegen keinen Glauben (US 24). Mit der Bezugnahme auf als unglaubwürdig verworfenen späteren Angaben des Mitangeklagten vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Susa D*****:
Mit spekulativen Erwägungen (Z 5a), wonach es der allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche, dass ältere Personen so viele wertvolle Gegenstände und insbesondere Schmuck in ihren Wohnungen aufbewahren, vermag die Tatsachenrüge keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Gleiches gilt, wenn die Beschwerdeführerin eine Tatbeteiligung vor Frühling 2010 mit Bezugnahme auf ihre vom Erstgericht als unglaubwürdig verworfene Verantwortung (US 23) bestreitet.
In diesem Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Imre G*****, Susa D***** und die Staatsanwaltschaft, Imre G***** ferner mit seiner Beschwerde, auf die Kassation der Strafaussprüche zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird demnach zu klären sein, ob die Überwindung der Diebstahlsbarriere vor oder nach der Sachwegnahme erfolgte, und danach mit oder ohne Annahme der Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB eine neue Subsumtionseinheit zu bilden und richtigerweise nur eine strafbare Handlung anzulasten sein (Ratz in WK2 § 29 Rz 5).
Über die Fakten I./A./I./4./, I./A./II./1./ lit b und c sowie I./B./ wird nach Behebung der aufgezeigten Mängel neu zu entscheiden sein.
Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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