OGH 10Ob104/11h

OGH10Ob104/11h17.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C*****, geboren am 13. Oktober 2010, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie ‑ Rechtsvertretung für den 10. Bezirk, 1100 Wien, Van‑der‑Nüll‑Gasse 20), wegen Unterhaltsvorschuss, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Oktober 2011, GZ 42 R 350/11y‑30, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. § 19 Abs 2 UVG regelt die Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse. Wird der Unterhaltsbeitrag erhöht, so hat das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen; die Erhöhung ist mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Vorschusserhöhung parallel mit der Unterhaltserhöhung wirksam werden zu lassen, um den Gleichlauf zwischen den Unterhaltsvorschüssen und dem Unterhaltstitel herzustellen, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 I § 19 UVG Rz 22 mwN).

2. Nach der hier bereits anzuwendenden (vgl § 37 Abs 10 UVG) Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) gilt als Änderung der Vorschüsse im Sinn von Abs 1 und 2 auch, wenn die Vorschüsse zunächst aufgrund des § 4 Z 4 oder einer einstweiligen Verfügung gewährt werden und danach der Unterhaltsbeitrag (endgültig) festgesetzt wird. Der Gesetzgeber verfolgte mit der mit dem FamRÄG 2009 eingefügten Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG zwei Ziele: Zum einen sollte die herrschende Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0122465 ua) korrigiert werden, wonach im Fall einer Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO die endgültige Titelfestsetzung keinen Grund für eine Vorschusserhöhung darstellt. Zum anderen sollte mit § 19 Abs 3 UVG die Absicherung der Kinder für die Dauer der Titelverfahren verbessert und damit das gesetzgeberische Ziel des FamRÄG 2009, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Vorschussleistungen zu gewähren, erreicht werden, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig“ festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall“ von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen. Um das Ziel des Gleichlaufs zwischen Unterhaltserhöhung und Vorschusserhöhung und der Auszahlungskontinuität der Vorschussleistungen zu erreichen, nimmt der Gesetzgeber nunmehr bewusst eine Begünstigung von Vorschüssen in Kauf, die auf der Grundlage einer Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG in verhältnismäßig einfacher Weise erlangt und erhöht werden können, wobei mit der Anpassung der Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG nicht nur eine betragsmäßige Änderung, sondern auch eine Änderung des Vorschussgrundes verbunden ist. Auch in diesem Fall des § 19 Abs 3 UVG ändert sich mit der Anpassung der Höhe an den Titel die Gewährungsdauer nicht (vgl Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 I § 19 UVG Rz 32 f mwN). Durch eine Einstellung der Vorschussgewährung, neuerliche Antragstellung und nachfolgende Neugewährung von Unterhaltsvorschüssen wäre die vom Gesetzgeber bezweckte Auszahlungskontinuität jedenfalls unterbrochen.

3. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, die vom Erstgericht angeordnete Einstellung der der Minderjährigen gemäß § 4 Z 4 UVG gewährten Unterhaltsvorschüsse wegen rechtskräftiger Beendigung des Abstammungsfeststellungsverfahrens und des Unterhaltsverfahrens, widerspreche der durch das FamRÄG 2009 eingefügten Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG, steht daher im Einklang mit den dargelegten Ausführungen.

4. Soweit der Rechtsmittelwerber in seinen Ausführungen auf die Entscheidung 10 Ob 86/10k des erkennenden Senats vom 29. 3. 2011 Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der vom erkennenden Senat in dieser Entscheidung vertretenen Rechtsansicht auch nach den sich durch das AußStr‑BegleitG und das FamRÄG 2009 ergebenden Novellierungen Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG auch nach rechtskräftiger Beendigung des eigentlichen Abstammungsverfahrens bis zur Rechtskraft des Verfahrens über das Unterhaltsbegehren zu gewähren sind (vgl RIS‑Justiz RS0102082). Es wurde vom erkennenden Senat aber auch in dieser vom Rechtsmittelwerber nunmehr angeführten Entscheidung bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 nunmehr auch in den Fällen der Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG die rückwirkende Erhöhung des Vorschusses auf die endgültige Titelhöhe ermöglicht, was bis dahin nicht der Fall war. Mit dieser nunmehr möglichen Anpassung der Höhe der Unterhaltsleistung an den Titel ist keine Änderung der Gewährungsdauer oder Unterbrechung des Unterhaltsvorschussbezugs verbunden. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts steht daher auch nicht im Widerspruch zu der vom erkennenden Senat in der Entscheidung 10 Ob 86/10k vertretenen Rechtsauffassung.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war somit mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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