Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei und dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die mit 2.390,06 EUR (darin 398,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 25. 11. 1956 geborene Nebenintervenient ist seit 13. 11. 1989 beim Beklagten als Jurist tätig. Er ist verheiratet und für vier Kinder sorgepflichtig. Beim Beklagten (GPA) fand Anfang 2001 eine Neuorganisation statt, bei der die Sektionen und die Rechtsschutzabteilung umgestaltet und ua die Regionalgeschäftsstelle Wien geschaffen wurde. Die Bundesgeschäftsführung versetzte den Nebenintervenienten Ende Jänner 2001 in das Regionalsekretariat Wien. Mit Schreiben vom 17. 5. 2001, ihm zugegangen am 21. 6. 2001, wurde sein Dienstverhältnis vom Beklagten gekündigt.
Der Betriebsrat, der der Kündigungsabsicht widersprochen hatte, beantragte als Kläger, die Kündigung des Nebenintervenienten als unzulässige Motivkündigung und wegen Sozialwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären. Zusammengefasst sah er die Gründe für die Kündigung in der Weigerung des Nebenintervenienten, im Zuge der Neuorganisation des Rechtsschutzwesens des Beklagten auf die langjährig geübte Gleitzeit zu verzichten, im Widerspruch des Nebenintervenienten gegen eine verschlechternde Versetzung, nach der er nicht mehr nur mit Vertretungstätigkeiten in Arbeitsrechtssachen betraut gewesen wäre, sowie einem vom Beklagten zu Unrecht angezweifelten Krankenstand. Die Familie des Nebenintervenienten sei auf dessen Arbeitseinkommen angewiesen. Es werde ihm unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seiner Tätigkeit für den Beklagten und des angespannten Arbeitsmarkts nicht gelingen, in angemessener Frist einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden.
Der Beklagte bestritt dies, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, eine Einschränkung der Tätigkeit des Nebenintervenienten auf Arbeitsrechtssachen sei nie erfolgt. Die lediglich in der Rechtsabteilung der GPA praktizierte Gleitzeit sei bloß de facto von der Geschäftsleitung nicht unterbunden worden. Trotz der Notwendigkeit der Neuregelung habe der Nebenintervenient eine Änderung der Gleitzeitregelung bzw einen Verzicht darauf abgelehnt. Weder dies noch sein Widerstand gegen die neue Tätigkeit, die er auch angetreten habe, sei jedoch der Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Sie sei vielmehr wegen seines absolut inakzeptablen Verhaltens im Zusammenhang mit dem Urlaubsverbrauch im April 2001 und einem offenbar vorgetäuschten Krankenstand sowie deshalb ausgesprochen worden, weil es ihm an fachlicher Eignung, an Integrierbarkeit, an Kooperations‑ und Gesprächsbereitschaft sowie an Teamfähigkeit fehle, was zu massiver Unzufriedenheit der Teammitglieder mit seiner Tätigkeit geführt habe. Seine Interessen seien durch die Kündigung nicht wesentlich beeinträchtigt. Er nehme offenbar absichtlich keine andere zumutbare Tätigkeit an.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Infolge des Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofs 9 ObA 11/09x stellte es nunmehr fest, dass der Beklagte das Dienstverhältnis des Nebenintervenienten deshalb kündigte, weil dieser auf die Gleitzeitvereinbarung bestand, sich der Versetzung widersetzte und im April 2001 in Krankenstand ging. Dabei ging es im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Zur Gleitzeit:
Grundsätzlich gab es fixe Arbeitszeiten, die wiederholt zu Unmut und Problemen innerhalb der Rechtsabteilung führten. In den Sektionen wurde die Arbeitszeit flexibel gehandhabt, die Landessekretariate hatten Gleitzeit, der Betriebsrat stand mit der Geschäftsführung wegen eines Gleitzeitmodells auch für die Wiener Zentrale in Verhandlung. Dr. S***** entschloss sich zur Einführung der Gleitzeit in der Rechtsschutzabteilung. Da ihr die Berechtigung dazu fehlte, bewegte sich das Gleitzeitmodell innerhalb der Normalarbeitszeitgrenzen. Da sie gegenüber ihren Vorgesetzten aus der Gleitzeit kein Geheimnis machte, wurde sie von Geschäftsführer Mag. V***** und Zentralsekretär S***** mehrmals vorgeladen, damit sie das System beende. Dies verweigerte sie. Die Vorgesetzten nahmen den Zustand hin. Ab 1. 4. 1993 wurde in der Rechtsabteilung Gleitzeit praktiziert. Die Kernzeit reichte von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr, am Freitag von 9:00 bis 12:00 Uhr. Der Rahmen reichte von 7:00 Uhr bis zumindest 17:00 Uhr. Die Rechtsabteilung brachte ihren Standpunkt, dass die Gleitzeitvereinbarung Inhalt jedes einzelnen Dienstvertrags geworden sei, gegenüber dem Leitenden Zentralsekretär mit Schreiben vom 20. 1. 1997 zum Ausdruck. Die Geschäftsführung der GPA antwortete mit Schreiben vom 27. 1. 1997, dass sie eine rechtliche Abklärung vornehme und keine Zustimmung zur weiteren Praktizierung ab 1. 2. 1997 vorliege. Eine weitere Reaktion der Geschäftsführung folgte nicht.
Im Zug der Neuorganisation erklärte Dr. S***** von der Bundesgeschäftsführung dem Regionalgeschäftsführer, dass es keine Gleitzeitvereinbarung in der Rechtsabteilung gebe. Dieser ersuchte den Nebenintervenienten und seine Kollegen um einen Verzicht auf die Gleitzeit. Der Nebenintervenient entgegnete, dass er nicht verzichte. Zuerst wollten auch die anderen, mit Ausnahme von zwei Mitarbeitern, nicht verzichten. Es folgten daraufhin Einzelgespräche mit Dr. S*****. Sie erklärte Mag. Z*****, dass die Praktizierung der Gleitzeit nicht in Ordnung war, kündigte aber eine Gleitzeitregelung für alle an. Schließlich erklärten alle außer dem Nebenintervenienten, dass sie die Gleitzeit in der Region Wien nicht in Anspruch nehmen. Dr. S***** ersuchte den Nebenintervenienten um einen Verzicht auf die Gleitzeit und bot an, dass er die Arbeitszeit nicht ganz exakt einhalten müsse; es würde auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere die Kinder betreffend, Rücksicht genommen. Der Nebenintervenient lehnte ab und erklärte, wie bisher weiterzuarbeiten. W***** K***** und Dr. S***** von der Bundesgeschäftsführung erklärten dem Nebenintervenienten mit Schreiben vom 30. 1. 2001:
Du wirst mit Wirkung vom 5. 2. 2001 als Rechtsschutzsekretär im Regionalsekretariat Wien tätig sein. Für dich gilt die gleiche Arbeitszeitregelung wie für die anderen KollegInnen im Regionalsekretariat Wien.
Als klar war, dass der Nebenintervenient nicht auf die Gleitzeit verzichtete, wurde ihm ein sehr kleines Zimmer zugewiesen. Zuvor hatte es noch Pläne gegeben, nach denen der Nebenintervenient nicht übersiedeln hätte müssen. Für den Nebenintervenienten und seine Frau war die Kinderbetreuung wichtig und die Mitwirkung des Nebenintervenienten notwendig.
Zur Versetzung:
Teil II Pkt 3 Abs 1 und 2 der Betriebsvereinbarung vom 1. 10. 1985 bestimmt:
Führt eine Maßnahme zum Wegfall eines Arbeitsplatzes, zu einer wesentlichen Änderung der Tätigkeitsmerkmale oder zu anderen wesentlichen Nachteilen bzw. Verschlechterungen, so ist dem betroffenen Arbeitnehmer mindestens ein gleichwertiger Arbeitsplatz im Betrieb, ohne Schmälerung des Entgeltes anzubieten. Der Personenkreis der Betroffenen und die Entscheidung über Gleichwertigkeit oder Zumutbarkeit wird einvernehmlich mit dem Betriebsrat festgelegt.
Der Nebenintervenient war als „Sekretär“ aufgenommen worden. Die Dienstordnung kennt auch nur diesen Begriff und trifft keine weitere Unterscheidung. Gesucht wurde ein Jurist für die Rechtsabteilung. Bei der Aufnahme besprach der Nebenintervenient mit der damaligen Leiterin der Rechtsabteilung, dass er im Arbeits‑ und Sozialrecht sowie am Rande im Insolvenzrecht tätig und primär im Arbeitsrecht und in der Vertretung vor dem ASG Wien eingesetzt werden sollte. Die Leiterin der Rechtsabteilung sicherte dem Nebenintervenienten aber nicht zu, dass er außer der Arbeitsgerichtsvertretung und den Anforderungen der Rechtsschutzabteilung keine weiteren Tätigkeiten ausüben müsse. Der Nebenintervenient bekam hauptsächlich schon vorbereitete Akten auf den Tisch, in denen schon Information mit dem Dienstnehmer aufgenommen und mit dem Dienstgeber korrespondiert worden war. Der Nebenintervenient hatte die Klage zu formulieren, einzubringen und vor Gericht zu vertreten. Er war auch mit allfälligen Berufungen einschließlich der Beurteilung einer Revisionserhebung befasst. Nur bei Bedarf und in sehr geringem Ausmaß hatte er Mitglieder zu beraten. 1993 wurden dem Nebenintervenienten die Sozialrechtssachen abgenommen.
2000 wurde auf einem Sondergewerkschaftstag die Neuorganisation der GPA abgesegnet. Die Bundes‑ und Landesagenden wurden organisatorisch und personell getrennt. Die bisher nur in Wien vorhandene Rechtsschutzabteilung wurde aufgelöst. Für die acht Betreuungsbezirke in Wien wurden Teams aus je drei Regionalsekretären, einer Assistentin und einem Rechtsschutzsekretär gebildet. Der Rechtsschutzsekretär neuer Ordnung sollte ua Mitglieder und Betriebsräte vor Behörden und Gerichten vertreten und Regionalsekretäre nach Bedarf bei ihren Aufgaben, wie zB Beratung von Mitgliedern und Betriebsräten unterstützen. Unter den Kernaufgaben wurde die „Beratung, Unterstützung, Vertretung und Prozessführung für Mitglieder und BetriebsrätInnen auf regionaler Ebene“ genannt. Unter den Tätigkeiten widmete sich der erste Abschnitt der „Beratung/Unterstützung der RegionalsekretärInnen“. Es war keine extreme Abweichung von den bisherigen Aufgaben geplant. In erster Linie sollten die Rechtsschutzsekretäre weiter die Vertretung vor Gerichten und Behörden erledigen. Eine gewisse Annäherung an die betriebliche Arbeit ergab sich schon durch die räumliche Nähe zu den Regionalsekretären. Die telefonische Erstberatung sollte aber nicht die Aufgabe der Rechtsschutzsekretäre sein. In den ersten Monaten passierte dies in Wien jedoch wiederholt. Richtigerweise sollte der Regionalsekretär den Rechtsschutzsekretär aber nur bei schwierigen und komplexen Fragen beiziehen.
Im Zuge der am 19. 12. 2000 erfolgten Ausschreibung der Rechtsschutzsekretäre bekundete der Nebenintervenient am 12. 1. 2001 sein Interesse an der Position eines Rechtsschutzsekretärs im Regionalsekretariat Wien „bei Aufrechterhaltung der bisherigen Entgelt‑ und sonstigen Arbeitsbedingungen“. Bezüglich des Arbeitsinhalts dachte er, seine bisherige Tätigkeit genau weiter zu machen. Der Regionalgeschäftsführer kündigte aber an, dass die Rechtsschutzsekretäre künftig etwa sechs Stunden monatlich in die Mitgliederberatung eingebunden werden sollten. Der Nebenintervenient widersprach der Versetzung und erklärte der Vorgesetzten und dem Regionalgeschäftsführer, dass er nach seiner Rechtsauffassung nicht zur Mitgliederberatung verpflichtet sei. Am 5. 3. 2001 schrieb er an Dr. S*****, dass seine Versetzung eine verschlechternde gewesen und mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam sei. Eine Mehrbelastung der Rechtsschutzsekretäre nach der Reorganisation kann nicht festgestellt werden.
Zum Urlaub:
Für den Urlaub gab es in der Rechtsschutzabteilung eine Vertretungsregelung. Kurzfristiger Urlaub war absolut üblich und möglich, wenn der Vertreter einverstanden war.
Der Nebenintervenient hatte einige Zeit vor dem 19. 2. 2001 angekündigt, zu Ostern auf Urlaub gehen zu wollen. In einem Workshop am 19. 2. 2001 wurde über das Thema Urlaub nicht gesprochen, solange der Nebenintervenient anwesend war. Er ging vor Ende, weil er jeden Montag um 15 Uhr den Dienstort verließ, um seinen Sohn von der Schule abzuholen. In der Zusammenfassung der Veranstaltung wurde für den Nebenintervenienten als Urlaub 9.‑13. 4. 2001 vermerkt. Urlaubswünsche sollten bei der Vorgesetzten deponiert und vom Regionalgeschäftsführer genehmigt werden. Am 20. 3. 2001 nahm der Nebenintervenient an einer Rechtsschutzsekretärbesprechung, in der er seinen Urlaubswunsch hätte präzisieren sollen, aus dienstlichen Gründen nicht teil. Am 28. 3. 2001, 14:39 Uhr, schrieb er an die Vorgesetzte:
Da ich an der letzten RS‑Besprechung nicht teilnehmen konnte, übermittle ich Dir auf diesem Weg meine geplanten Abwesenheiten: 2. 4.‑19. 4. Urlaub 20. 4. Zeitausgleich
Sie antwortete am 29. 3. 2001, 12:12 Uhr:
Dein Urlaubswunsch über 3 Wochen kommt etwas plötzlich. Da wir nächste Woche 4 Regionalsekretäre und mich bei den Grundkursen in Velm haben und im Büro jeden Kollegen, jede Kollegin brauchen, ist es fraglich, ob du deinen Urlaub nächste Woche auch tatsächlich genehmigt bekommst. Freitag 30. 3. 2001 vormittag, wenn wir die Abwesenheitslisten aller Sekretäre haben, kann ich dir sagen ob es geht.
Am 30. 3. 2001, 10:32 Uhr, wandte sich der Nebenintervenient an den Regionalgeschäftsführer:
Ich vermisse eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass der angemeldete Urlaub von 2. 4.‑6. 4. nicht genehmigt wird. [...] Für 20. 4. beanspruche ich Zeitausgleich und werde an diesem Tag jedenfalls nicht anwesend sein.
Der Regionalgeschäftsführer und die Vorgesetzte machten den Nebenintervenienten darauf aufmerksam, dass Urlaub Vereinbarungssache sei und eine solche für 2.‑6. 4. 2001 nicht getroffen wurde; sollte er „am 2. 4. 2001 und in der Folge Urlaub konsumieren, so bedeutet dies einen einseitigen Urlaubsantritt [...] Da für dich aufgrund der Versetzung nach Wien die Gleitzeitvereinbarung nicht mehr gilt, ist ein Zeitausgleich am 20. 4. 2001 nicht möglich.“ Der Nebenintervenient entgegnete um 14:00 Uhr, dass er weiter eine nachvollziehbare Begründung vermisse und daher davon ausgehe, dass seinem Erholungsbedürfnis kein betrieblicher Grund entgegenstehe, weil zwischen Regionalsekretären und ihm keinerlei Vertretungsverhältnis bestehe. Mit seinem Vertreter habe er sich abgestimmt. Noch am selben Tag erhielt er zur Antwort:
Zu deinem letzten mail von 14.05 Uhr müssen wir dir mitteilen, dass nach Durchsicht der Abwesenheiten für die nächste Woche die Mitgliederberatung für Montag, Mittwoch und Freitag nicht gewährleistet ist. Du erhältst hiermit die Weisung, am 2., 4. und 6. April 2001 beginnend mit 8.00 Uhr die Mitgliederberatung zu machen. Am 3. 4. 2001, von 11.00 bis 12.00 Uhr, findet das erweiterte Teamgespräch mit Koll. Scheed statt. Es gibt daher keine Urlaubsvereinbarung für die Zeit 2. bis 6. 4. 2001.
Der Nebenintervenient entgegnete um 19:37 Uhr, dass das erweiterte Teamgespräch nicht im Wochenplan enthalten sei und ohne ihn stattfinden könne. Die Mitgliederberatung habe nie zum Aufgabenbereich eines Rechtsschutzsekretärs gezählt. Daran hätte sich nichts geändert. Er würde am 2. 4. 2001 erscheinen, wäre aber um 8:00 Uhr und um 15:00 Uhr bereits aus wichtigen Gründen dienstverhindert. Ein Personalengpass in der ersten Aprilwoche kann nicht festgestellt, aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Zum Krankenstand:
Die Situation in der Region Wien wurde für den Nebenintervenienten zunehmend unerträglicher. Die Veränderungen belasteten ihn, er fühlte sich gedemütigt. Er hatte massive Schlafstörungen und auch Sehstörungen. Einmal wurden Flimmern und Kopfschmerzen so stark, dass er ein Krankenhaus aufsuchte. Einmal brach er zuhause zusammen. Den Wechsel in ein anderes Zimmer sah er als Mobbing. Er empfand die Verweigerung des Urlaubs und die Einteilung zur Mitgliederberatung am 2., 4. und 6. 4. 2001 als Strafaktion.
Am 2. 4. 2001 erschien der Nebenintervenient zwischen 8:15 und 8:30 Uhr zur Arbeit. Er wollte wie angekündigt ungestört arbeiten und eine an diesem Tag fällige Berufungsbeantwortung erstellen, für die er noch den Akt lesen musste. Vor 9:00 Uhr wurde ihm mitgeteilt, dass sein Telefon in einer Sammelrufnummer war, was er als Versuch der absichtlichen Störung empfand. Er ersuchte eine Kollegin, mit dem Regionalgeschäftsführer oder der Vorgesetzten Kontakt aufzunehmen, damit er nicht durch das Telefon gestört würde. Eine Mitarbeiterin stellte fest, dass er nicht in der Sammelrufnummer war. Dann wollte der Regionalgeschäftsführer den Nebenintervenienten gleich zur Mitgliederberatung einteilen. Dieser verwies auf die Terminarbeit. In einem ihm sodann geschickten Mail wurde ihm mitgeteilt, dass er zuerst die Berufungsbeantwortung fertigstellen und sich dann beim Regionalgeschäftsführer melden solle, um bis 16:00 Uhr die Mitgliederberatung zu machen. Der Nebenintervenient wollte jedoch wie jeden Montag um 15:00 Uhr gehen, um seine Kinder abzuholen, was der Regionalgeschäftsführer wusste.
Der Nebenintervenient konnte sich nicht konzentrieren, dachte an die Möglichkeit einer Entlassung, war überfordert und fühlte sich unfähig, seine Arbeit zu erledigen. Da kam ihm die Idee, seinen praktischen Arzt zu konsultieren. Er teilte dies und den Umstand, dass noch dringende Arbeiten zu erledigen waren, dem Regionalgeschäftsführer und mehreren weiteren Personen mit und verließ um 12:30 Uhr die GPA.
Der Arzt diagnostizierte ein akutes exogenes Überlastungssyndrom, Schwindel, Kopfschmerz und Schlaflosigkeit. Unverzüglich nach Verlassen des Arztes informierte der Nebenintervenient das Sekretariat der GPA von der Krankschreibung. Der Krankenstand war medizinisch berechtigt und erforderlich, weil die Entfernung des Patienten aus der belastenden Umgebung einen therapeutischen Schritt darstellt. Andernfalls ginge die neurotische Störung in eine psychiatrische Erkrankung über. Am 6. 4. 2001 konsultierte der Nebenintervenient wie vorgesehen wieder den Arzt, der ihn weiter im Krankenstand belassen hätte. Der Nebenintervenient erklärte jedoch, dass er in der folgenden Woche ohnehin Urlaub habe und drang auf eine Gesundschreibung. Er vergaß aber, der GPA unverzüglich das Ende des Krankenstands mitzuteilen. Das holte er am 13. 4. 2001 nach.
Nach dem 20. 4. 2001 arbeitete der Nebenintervenient wieder. Die Situation hatte sich nicht geändert. Zu inhaltlichen Beanstandungen ihm gegenüber kam es nicht.
Zur Eignung und Arbeit des Nebenintervenienten:
In der Rechtsschutzabteilung waren seine Qualifikation und Teamfähigkeit nie ein Problem. Er war als ausgezeichneter Jurist anerkannt und unterbreitete im Kollegenkreis rasch Lösungsvorschläge. Seiner Vertretung erleichterte er die Arbeit, weil er die Akten in tadellosem Zustand hinterließ. Aufgrund seiner Vorarbeiten konnte auch die Berufungsbeantwortung am 2. 4. 2001 in einer sehr sensiblen Sache rechtzeitig erstellt werden. Auch nach der Neuorganisation arbeitete der Nebenintervenient wie vorher und erledigte die ihm aufgetragenen Arbeiten. Mit seiner direkten Tätigkeit gab es keine Probleme.
Probleme hingegen gab es in der Zusammenarbeit. Er schrieb einen Brief an eine Kollegin, welche Unterlagen er noch benötigte und legte diesen seiner Vorgesetzten vor. Sie führte eine lange Diskussion mit ihm, warum er nicht direkt mit der Kollegin reden oder ihr ein E‑Mail schreiben könnte. Schließlich unterfertigte die Vorgesetzte den Brief, wies ihn aber an, mit der Kollegin zu reden oder per E‑Mail zu verkehren. Der Binnenbrief war der erste und letzte. Der Nebenintervenient bestand aber dann, wenn ein Regionalsekretär ein Gutachten von ihm als Rechtsschutzsekretär wollte, auf einer Befassung der Vorgesetzten.
Weil der Nebenintervenient nicht auf die Gleitzeit verzichtete, wurde er nicht früher der Region Wien zugeordnet und nicht zu vorbereitenden Veranstaltungen eingeladen. So fand am 23. und 24. 1. 2001 ein Workshop der Region Wien zu Organisation, Arbeitsabläufen und Arbeitsbeziehungen statt, zu dem er nicht eingeladen wurde. Der Nebenintervenient weigerte sich, an Teamsitzungen teilzunehmen, weil er die Organisationsreform ablehnte. In einer am 9. 3. 2001 durchgeführten Schulung zum Sozialrecht forderte er seine Vorgesetzte auf, zu akzeptieren, dass er kein Sozialrecht machen würde. Sie fragte ihn, ob er an der Schulung teilnehmen wolle, andernfalls er den Raum verlassen sollte. Er forderte eine Weisung, die sie nicht erteilte. Nach rund zwanzig Minuten Diskussion entfernte er sich.
Zur Aussicht am Arbeitsmarkt:
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre es dem Nebenintervenienten auch bei intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche nicht möglich gewesen, vor sechs bis zwölf Monaten ab Ende des Dienstverhältnisses eine annähernd gleichwertige und so dotierte Beschäftigung zu erlangen. Vor Ausspruch der Kündigung bewarb er sich als Rechtsschutzsekretär für die Vertretung vor dem ASG Wien bei der Arbeiterkammer. Im Vorstellungsgespräch kam ein zweiter Posten im Insolvenzrecht zur Sprache, für den er sich weniger interessierte. Schließlich erhielt er eine Ablehnung.
Zu in der Person gelegenen Gründen:
Der Nebenintervenient ist stur, sieht solche Sturheit aber nur bei anderen. Er erwartete, dass die Gegenseite auf ihn zukäme, ihm Informationen sandte und Vorschläge unterbreitete.
Zu diesem Sachverhalt führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, in Hinblick auf § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sei die Kündigung zwar nicht sozialwidrig gewesen, weil bei einer Abwägung der den Nebenintervenienten aus der Kündigung treffenden Nachteile mit den für den Betrieb aus seiner Person zu erwartenden Schwierigkeiten letztere überwiegen. Es erklärte die Kündigung aber für rechtsunwirksam, weil die behauptete Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG vorliege. Anders als sein Widerstand gegen den geänderten Arbeitsinhalt (Einbeziehung in die Beratung von Mitgliedern und Betriebsräten) sei der vom Nebenintervenienten geltend gemachte Gleitzeitanspruch und sein Widerstand gegen die Versetzung insofern, als mit ihr die Geltung der Gleitzeit negiert worden sei, nicht offenbar unberechtigt gewesen. Dem Krankenstand sei wirklich eine Erkrankung zugrunde gelegen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Eine unzulässige Motivkündigung liege schon darin, dass der Beklagte den Nebenintervenienten wegen des von ihm im April 2001 in Anspruch genommenen Krankenstands gekündigt habe. Auch habe er durch das Schreiben der Bundesgeschäftsführung vom 30. 1. 2001 die vom Nebenintervenienten beanspruchte Gleitzeit in Frage gestellt. Vom Schutzzweck des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG seien auch Ansprüche auf Bewahrung von Rechtspositionen aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis bzw Schutz gegen einseitige Eingriffe erfasst. Der Beklagte habe weder eine Änderungskündigung ausgesprochen noch dem Nebenintervenienten hinreichend deutlich gemacht, dass er bei Nichtannahme des Änderungsangebots bzw Nichtabgabe des Verzichts auf seine Rechte mit einer Kündigung des Dienstverhältnisses rechnen müsse. Eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Nebenintervenienten sei lediglich im Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG, nicht aber bei der Prüfung, ob eine unzulässige Motivkündigung vorgelegen habe, vorzunehmen. Der iSd § 105 Abs 5 Satz 2 ArbVG mögliche Nachweis, dass ein anderes als das vom Arbeitnehmer glaubhaft gemachte Motiv für die Kündigung ausschlaggebend gewesen sei, sei dem Beklagten nicht gelungen. Die Geltendmachung von „Verfehlungen“ des Arbeitnehmers als die Kündigung gemäß § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG rechtfertigender in der Person des Arbeitnehmers gelegener Grund komme bei Vorliegen einer gemäß § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG anfechtbaren Kündigung nicht in Betracht. § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG normiere die Rechtfertigungsgründe nach lit a und b nur für die Fälle einer sozial ungerechtfertigten Kündigung, nicht aber für die Fälle der Kündigung aus einem verpönten Motiv. Damit sei in den Fällen des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG ‑ im Gegensatz zu sozialwidrigen Kündigungen ‑ auch keine Interessenabwägung vorzunehmen. Selbst wenn objektiv ein Entlassungsgrund vorliege, könne die Kündigung des Arbeitnehmers auf einem verpönten Motiv beruhen und daher anfechtbar sein.
In seiner dagegen gerichteten Revision begehrt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger und der Nebenintervenient beantragen, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.
1. Der vom Beklagten geltend gemachte Verfahrensmangel, den er in einer unzureichend erledigten Tatsachenrüge sieht, liegt nicht vor: Er wäre nur dann zu bejahen, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hat (RIS‑Justiz RS0043371). Das trifft auf die in der Revision neuerlich thematisierte Kenntnis des Regionalgeschäftsführers vom Gleitzeitbedarf des Nebenintervenienten nicht zu, hegte doch das Berufungsgericht an der ausführlichen und differenzierten Würdigung der Aussage dieses Zeugen durch das Erstgericht (Ersturteil S 21 f) nicht nur keine erheblichen Zweifel, sondern erachtete diese als einwandfrei.
Bezüglich des Urlaubs des Nebenintervenienten sah das Berufungsgericht die begehrte Ersatzfeststellung, der Nebenintervenient habe mit den dafür zuständigen Personen keine Urlaubsvereinbarung getroffen (Berufung S 11), im Ergebnis zu Recht nicht als entscheidungsrelevant an, weil es eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, ob die Erklärungen der dafür zuständigen Personen zum Urlaubswunsch des Nebenintervenienten (2.‑19. 4. 2001), eine Urlaubsvereinbarung liege für den 2.‑6. 4. 2001 nicht vor, aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers als Einverständnis zum darüber hinaus gewünschten Urlaub verstanden werden durften.
Dass der Beklagte bestrebt war, seine Umorganisation umzusetzen und eben darin die Wurzel der Auseinandersetzungen lag, ist ohnedies nicht zweifelhaft.
2. Inhaltlich ist der Beklagte der Ansicht, entgegen dem Aufhebungsbeschluss 9 ObA 11/09x sei neuerlich keine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Nebenintervenienten vorgenommen worden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es für eine Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht darauf ankomme, aus welchen Überlegungen der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer offenbar nicht unberechtigt geltend gemachten Ansprüche in Frage gestellt habe, sei unrichtig. Die Anspruchstellung durch den Nebenintervenienten werde überproportional in den Vordergrund gestellt, ohne zu berücksichtigen, dass sich der Nebenintervenient mit seinem Verhalten grundlos der notwendigen Organisationsänderung des Beklagten widersetzt habe.
Dazu war Folgendes zu erwägen:
2.1. Wie im Aufhebungsbeschluss 9 ObA 11/09x dargelegt, obliegt es nach § 105 Abs 5 ArbVG zunächst dem Anfechtungskläger, ein verpöntes Motiv glaubhaft zu machen. Gelingt ihm dies, ist es Sache des Arbeitgebers, seinerseits glaubhaft zu machen, dass ein anderes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend ist. Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass es sich bei der Glaubhaftmachung eines anderen Motivs iSd § 105 Abs 5 ArbVG um ein anderes als jenes verpönte Motiv handeln muss, das der Arbeitnehmer seiner Kündigungsanfechtung zugrunde legt, sodass gerade die Geltendmachung offenbar nicht unberechtigter Ansprüche durch den Arbeitnehmer iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG dafür nicht in Frage kommt (vgl 9 ObA 27/10a).
Für die Glaubhaftmachung eines anderen Motivs ist es nicht ausgeschlossen, auch solche Gründe heranzuziehen, die bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit personenbezogene Gründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG darstellen würden. Unter diesem Aspekt besteht aber tatsächlich ein Wertungswiderspruch, wenn die „äußerst schwierigen Persönlichkeitszüge“ des Nebenintervenienten (Ersturteil S 26) den Vorinstanzen Grund dafür waren, die Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG als sozial gerechtfertigt zu erachten, dieser Umstand in Zusammenhalt mit seiner generellen Ablehnung der Neuorganisation, der Weigerung, an Teamsitzungen oder einer Sozialrechtsschulung teilzunehmen, und mit den Schwierigkeiten bei der Binnenkommunikation jedoch bei Prüfung der Frage, ob bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein anderes als das glaubhaft gemachte verpönte Motiv spricht, außer Acht gelassen wurde.
Einer Neubewertung dieser Tatsachen bedarf es allerdings schon deshalb nicht, weil nach dem nun festgestellten Sachverhalt bereits die Voraussetzungen einer verpönten Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht erfüllt sind:
2.2. Nach dieser Bestimmung kann eine Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Beachtlich ist dabei, dass das Interesse eines Arbeitgebers an einer notwendigen oder sachgerechten ‑ auch verschlechternden ‑ Änderungsvereinbarung für die Zukunft noch kein Infragestellen bestehender Ansprüche des Arbeitnehmers bedeutet, weil der Änderungswunsch deren Anerkennung gerade voraussetzt. In einem solchen Fall kann § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG daher schon deshalb nicht greifen (Schrank in Tomandl, ArbVG § 105 Rz 119 mwN). Insofern kann aber in der Ablehnung eines Änderungsbegehrens durch den Arbeitnehmer auch keine Geltendmachung von Ansprüchen gesehen werden, die vom Arbeitgeber in Frage gestellt wurden.
Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Kündigung erfolgt ist, „weil der Nebenintervenient auf der Gleitzeitvereinbarung bestand, sich der Versetzung widersetzte und im April 2001 in Krankenstand ging“. Bei näherer Würdigung zeigt sich dazu aber ein von der Rechtsansicht der Vorinstanzen abweichendes Bild:
2.3. Zur Gleitzeit:
Bereits das Erstgericht hob hervor, dass die Leiterin der Rechtsabteilung mit den Mitarbeitern eine Gleitzeitvereinbarung getroffen hatte und die Geschäftsführung des Beklagten dies nicht nur wusste, sondern auch duldete. Deren bereits 1997 erfolgten Ankündigung einer rechtlichen Abklärung des Standpunkts der Rechtsabteilung, dass die Gleitzeitvereinbarung Inhalt jedes einzelnen Dienstvertrags geworden sei, folgte keine weitere Reaktion. Konsequenterweise wurde der Nebenintervenient sowohl vom Regionalgeschäftsführer als auch von der Bundesgeschäftsführung (Dr. S*****) ersucht, auf die Gleitzeit zu verzichten. Sowohl daraus als auch aus den weiteren Gesprächsverläufen geht hervor, dass der Beklagte damit nur für die Zukunft die Geltung fixer Arbeitszeiten im neuen Regionalsekretariat anstrebte, es ihm jedoch nicht darum ging, den bisher praktizierten Gleitzeitanspruch des Nebenintervenienten in Frage zu stellen. Davon konnte auch der Nebenintervenient nicht ausgehen, wenn und weil er um einen Verzicht darauf ersucht wurde.
Ist aber die begehrte oder angebotene Vertragsänderung notwendig oder zumindest ‑ wie hier durch die Umorganisation des Beklagten ‑ sachlich begründet und liegt der künftige Status auch im Rechtsrahmen, so ist die bei Ablehnung ausgesprochene Kündigung nur eine Folge der nicht erreichbaren Veränderung und ist damit nicht wegen Anspruchsgeltendmachung iSd lit i, sondern nur unter Sozialwidrigkeitsaspekten überprüfbar (Schrank in Tomandl, aaO § 105 Rz 119). Eben dies trifft auf den Wunsch des Beklagten, die bisher praktizierte Gleitzeit zu ändern, zu.
2.4. Zum Krankenstand:
In der Literatur (Gahleitner in Cerny/Gahleitner/ Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III § 105 Erl 31 S 394) wird zwar vertreten, dass auch dann, wenn ein Arbeitgeber bei einem Krankenstand des Arbeitnehmers die Erkrankung bestreitet, ein Infragestellen von Ansprüchen des Arbeitnehmers und damit eine verpönte Motivkündigung vorliegen kann. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte, dass der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung je zum Ausdruck gebracht hätte, dass der Nebenintervenient entgegen der ärztlichen Diagnose nicht krank gewesen sei. Nach den Feststellungen kam es vielmehr zu keinen inhaltlichen Beanstandungen gegenüber dem Nebenintervenienten. Der bloße Umstand, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund eines Krankenstands kündigt, reicht ohne die tatbestandliche Voraussetzung von „vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche“ nicht für eine unzulässige Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG aus.
2.5. Zur Änderung des Arbeitsinhalts:
In diesem Punkt teilt der Oberste Gerichtshof die schon vom Erstgericht geäußerte Rechtsansicht, wonach der Nebenintervenient, der als Rechtsschutzsekretär und Jurist aufgenommen worden war, nicht von einer immerwährenden Unabänderbarkeit seines Tätigkeitsinhalts ausgehen durfte. Angesichts dessen, dass er auch nach der Organisationsänderung als Rechtsschutzsekretär eingesetzt werden und weiter die Vertretung vor Gerichten und Behörden erledigen sollte, eine telefonische Erstberatung der Mitglieder und Betriebsräte ‑ mag sie in der Umstellungsphase auch passiert sein ‑ weiterhin nicht zu seinen Kernaufgaben zählen sollte, sondern diesbezüglich primär eine Unterstützung der Regionalsekretäre bei schwierigen und komplexen Fragen vorgesehen war, kann darin keine solche Änderung seiner Tätigkeit gesehen werden, dass er in Bezug auf die neue Tätigkeit selbst mit Grund von einer vertragsändernden und/oder verschlechternden Versetzung ausgehen durfte. Es mag zwar zutreffen, dass die beharrliche Bestreitung des Arbeitnehmers grundsätzlich die Geltendmachung des Anspruchs auf Nichtbefolgung der Weisung des Arbeitgebers indizieren kann (so Wolliger in ZellKomm, § 105 Rz 135; Breiter, Verpönte Motiv‑ oder zulässige Änderungskündigung, RdW 2002, 93, 96). Aufgrund der eben genannten Umstände ist jedoch ‑ wie bereits das Erstgericht zu erkennen gab ‑ in der Ablehnung des modifizierten Arbeitsinhalts keine „offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung“ bestehender Ansprüche zu sehen.
Im Ergebnis zeigt sich damit aber, dass die Voraussetzungen für eine verpönte Motivkündigung iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht gegeben sind.
3. Allerdings haben der Kläger und der Nebenintervenient sowohl im Berufungs‑ als auch im Revisionsverfahren den Standpunkt vertreten, dass das Erstgericht die im Rahmen des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG gebotene Interessenabwägung unrichtig vorgenommen habe, sodass die Kündigung richtigerweise als sozialwidrig zu beurteilen gewesen wäre. Darin ist ihnen beizupflichten:
Gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG kann die Kündigung angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung ‑ soweit hier von Relevanz ‑ durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, begründet ist.
Dass durch die Kündigung wesentliche Interessen des Nebenintervenienten beeinträchtigt wurden, ergibt sich schon daraus, dass er bezogen auf den Zeitpunkt der Kündigung Sorgepflichten für vier Kinder hatte und aufgrund seines Alters nicht damit rechnen konnte, innerhalb von sechs bis zwölf Monaten ab Ende des Dienstverhältnisses eine annähernd gleichwertige Beschäftigung mit vergleichbarem Einkommen zu finden. Davon ging auch das Erstgericht aus.
Nicht zu folgen ist diesem allerdings darin, dass die für den Betrieb aus der Person des Nebenintervenienten zu erwartenden Schwierigkeiten schwerer zu wiegen hätten. Wenn das Erstgericht dies mit der Weigerung des Nebenintervenienten, an Teamsitzungen teilzunehmen, begründete, so ist auch zu berücksichtigen, dass er zu gewissen Vorbereitungsveranstaltungen zur Umstrukturierung gar nicht eingeladen wurde. Die vom Erstgericht ins Treffen geführte „umständliche Zwischenschaltung“ der Vorgesetzten anstelle eines Direktverkehrs mit einer Kollegin stellte nur ein einmaliges Ereignis dar, das sich in der weiteren Arbeit des Nebenintervenienten nicht wiederholte und überdies verständlich erscheint, wenn man bedenkt, dass er in einer für ihn schwierigen Umbruchsituation eine Dokumentation und Absicherung seiner Handlungsweise anstrebte. Gänzlich unberücksichtigt blieb dagegen, dass die Qualifikation und die Teamfähigkeit des Nebenintervenienten festgestelltermaßen nie ein Problem darstellte, er in den zwölf Jahren seiner Tätigkeit für den Beklagten als ausgezeichneter Jurist anerkannt war, rasch Lösungsvorschläge unterbreitete und auch die Akten für seine Vertretung in tadellosem Zustand hinterließ ‑ Umstände also, die die betrieblichen Interessen des Beklagten nicht beeinträchtigen, sondern nur fördern konnten. Berücksichtigt man überdies, dass sich die Situation auch durch das Verhalten des Beklagten zuspitzte, indem dem Nebenintervenienten etwa abredewidrig ein sehr kleines Zimmer zugewiesen und die Kommunikation mit ihm zunehmend distanzierter wurde, wodurch er sich gemobbt fühlte, so können die aufgetretenen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit ihm nicht generell seiner Persönlichkeit oder seiner Arbeitsweise zugeschrieben werden, sondern müssen auch als Reaktion auf die Vorgehensweise des Beklagten gedeutet werden.
In Anbetracht all dessen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die betrieblichen Interessen des Beklagten durch in der Person des Nebenintervenienten gelegene Umstände gravierender beeinträchtigt wären als dessen Interessen. Die Kündigung stellt sich damit als sozial ungerechtfertigt dar, sodass die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht von ihrer Unwirksamkeit ausgingen.
Nach all dem ist der Revision keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 58 Abs 1 ASGG iVm § 41 ZPO.
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