OGH 12Os160/11p

OGH12Os160/11p20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 und Abs 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 17. August 2011, GZ 25 Hv 20/11g-19, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss nach §§ 50, 51 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil sowie demzufolge auch der Beschluss nach §§ 50, 51 StGB aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 und Abs 3 SMG (I./) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter (richtig:) Satz und Abs 4 erster Fall SMG (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in O***** vorschriftswidrig

I./ Suchtgift von Anfang 1985 bis Ende 1998 und von Anfang 2002 bis 2010 in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) erzeugt, indem er jährlich zumindest vier Cannabispflanzen bis zur Erntereife zog und daraus insgesamt (US 4) zumindest 11.500 g Cannabiskraut mit einem Gehalt von zumindest 327,5 g Delta-9-THC erlangte;

II./ von Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge angebaut, indem er fünf Cannabispflanzen ansetzte und bis zu einer Wuchshöhe von 120 cm zog,

wobei (I./ und II./) er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten ausschließlich deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen.

Wie das Schöffengericht feststellte, konsumiert der Angeklagte „seit 25 Jahren mit einer Unterbrechung von 1999 bis 2001 regelmäßig Cannabiskraut, täglich zwischen zwei und drei Joints. Um in den Besitz des dafür erforderlichen Cannabiskrauts zu kommen“, baute er jährlich vier oder fünf Hanfpflanzen an, die er bis zur Erntereife zog, und erntete jährlich 500 g Cannabisblüten (US 3).

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil wendet sich Martin B***** mit einer auf Z 5 und 10 sowie der Sache nach 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil zum Nachteil des Angeklagten in verschiedener Hinsicht - von ihm insoweit nicht geltend gemachte - Nichtigkeit anhaftet (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO):

1. Zum Schuldspruch I./:

1.1. Das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG ist zwar mit dem Abernten der Cannabispflanzen verwirklicht (RIS-Justiz RS0124029), allerdings nur, wenn dieser Vorgang eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge Suchtgift betrifft. Mehrere, für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten sind nur insoweit (zu die Grenzmenge übersteigenden Mengen) zusammenzurechnen, als der Wille (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Auf diese Weise kann das Verbrechen nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung begangen werden. Wird ein solcher Täterwille nicht als erwiesen angenommen, können derartige Einzelakte nur jeweils das Vergehen nach § 27 Abs 1 dritter Fall SMG begründen (RIS-Justiz RS0124018; vgl Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 1, 9).

Ob die Willensausrichtung des Angeklagten von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste und sich daher auf die Erzeugung einer die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge bezog, geht aus den Konstatierungen nicht hervor, weshalb das Urteil an Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO leidet.

1.2. Die mit der SMG-Novelle 2007 geschaffene Qualifikation des § 28 Abs 2 Z 3 SMG ist auf vor ihrem Inkrafttreten (am 1. Jänner 2008, BGBl I 2007/110 Z 30) gesetztes Verhalten nicht anzuwenden (RIS-Justiz RS0123912 [T1]; Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 36).

Indem das Erstgericht dieser Bestimmung auch vor dem genannten Stichtag begangene Taten subsumierte, bewirkte es gleichfalls Nichtigkeit nach Z 10.

2. Zum Schuldspruch II./:

Nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG ist zu bestrafen, wer Opiummohn, den Kokastrauch oder die Cannabispflanze zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift anbaut.

Ausgehend davon, dass diese Strafnorm mit Blick auf Bezeichnung („Vorbereitung von Suchtgifthandel“) und systematische Einordnung der strafbaren Handlung (vgl die EBRV SMG‑Nov 2007, 301 BlgNR 23. GP 16) gezielt Verhaltensweisen im Vorfeld von Suchtgifthandel umfassen soll, ist eine teleologische Reduktion dahin angezeigt, den nur im ersten Satz des § 28 Abs 1 SMG ausdrücklich verlangten (erweiterten) Vorsatz, dass das Suchtgift in Verkehr gesetzt werde, auch hier als erforderlich anzusehen (idS auch Schwaighofer in WK2 SMG § 28 Rz 21 sowie Matzka/Litzka/Zeder, SMG2 § 28 Rz 7).

Daher ist nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG (nur) zu bestrafen, wer Opiummohn, den Kokastrauch oder die Cannabispflanze zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz anbaut, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Konstatierungen zu einer solchen Intention des Angeklagten traf das Schöffengericht nicht.

Zudem liegen keine Feststellungen über eine mengenbezogene Willensausrichtung vor. Insoweit gilt das oben zu 1.1. Ausgeführte in gleicher Weise für den Anbau von Pflanzen zwecks Gewinnung einer die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge (vgl Schwaighofer in WK2 SMG § 28 Rz 20). Bedingter Vorsatz genügt, wie angesichts der in § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG gebrauchten Wendung „zum Zweck“ klargestellt sei (EBRV SMG‑Nov 2007, 11), geht aber aus den Entscheidungsgründen nicht hervor (vgl US 3).

Das Urteil ist daher auch in Ansehung des Schuldspruchs II./ mit Nichtigkeit nach Z 10 behaftet.

3. Zum Einziehungsausspruch:

Eine Einziehung setzt voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das im § 26 StGB verwendete Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298; Ratz in WK2 § 26 Rz 6, 12; Schwaighofer in WK2 SMG § 34 Rz 12 f).

Den Entscheidungsgründen ist allerdings nicht zu entnehmen, um welche „Suchtmittelutensilien“ (US 2) es sich bei den eingezogenen handelt. Daher blieb auch die geforderte Deliktstauglichkeit offen, was Nichtigkeit des Einziehungsausspruchs nach Z 11 erster Fall begründet.

Das Einziehungserkenntnis war überdies in Bezug auf das „sichergestellte Suchtgift“ (US 2) aufzuheben, weil es insoweit den Gegenstand der Einziehung nicht determiniert (13 Os 67/11v).

Die aufgezeigten Rechtsfehler erforderten die Aufhebung des Urteils und die Verweisung der Sache an das Landesgericht Eisenstadt zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Hinsichtlich des Beschlusses nach §§ 50, 51 StGB (den das Erstgericht übrigens ohne gesetzliche Grundlage gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigt hat) war demzufolge ebenso vorzugehen (§ 498 Abs 3 StPO).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bedurfte demnach keiner Erörterung. Er war mit seinen Rechtsmitteln auf die vorgenannte Entscheidung zu verweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird für den Fall, dass eine den Additionseffekt kontinuierlichen Erzeugens (Anklagepunkt I./) umfassende Intention des Angeklagten nicht festzustellen ist, womit § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG in den Blick gerät, angesichts der bisher angenommenen Zeitspanne straffreien Verhaltens (von 1999 bis 2001) auf Verjährung der Strafbarkeit früherer Taten zu achten sein.

Sollte der für den Zeitraum Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 inkriminierte Anbau von Cannabispflanzen (Anklagepunkt II./) ohne auf Inverkehrsetzen gerichteten Willen geschehen sein, kommt insoweit nur Strafbarkeit nach § 27 Abs 1 Z 2 (allenfalls Abs 2) SMG in Betracht.

In Betreff der erwähnten „Suchtmittelutensilien“ wird deren Deliktstauglichkeit zu prüfen sein. Einer davon unabhängigen Konfiskation (§ 19a StGB) stehen die §§ 1 und 61 StGB entgegen.

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